21 Jenseits der Wirklichkeit.

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┊  ┊  ┊          ★ HARRY

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„Wo willst du jetzt noch hin?", fragte Isabell. Wir beide streiften durch die Straßen von Paris. Mittlerweile war die Sonne untergegangen und ich merkte, dass ihr langsam kalt wurde. Ihre Finger verrieten sie. Ich versuchte sie mit meinen zu wärmen, doch eigentlich hätte ich sie lieber in einer warmen Umgebung.

„Denkst du wirklich, ich beende das Date mitten am Nachmittag?", zog ich sie auf und genoss ihren nachdenklichen Gesichtsausdruck. Die Wahrheit war, dass ich eigentlich mit Isabell in eine schöne, eindrucksvolle Oper hatte gehen wollen. Doch als ich dabei war online eine Oper auszusuchen, da störte mich Niall.

Er warf ein: „Ich denke, das wird sehr langweilig für Inge. Sie versteht sowieso schon kaum ein Wort bei unseren Songtexten. Was glaubst du, wie es ihr in der Oper gehen wird? Lauter Leute in schrägen Kostümen, die dumm rumstehen."

Damit traf er den Nagel auf den Kopf und ich schämte mich prompt, dass ich an so etwas nicht gedacht hatte. Also suchte ich nach Plan B und mein Kumpel hatte die perfekte Idee. Leider führte der uns ins Vergnügungsviertel Pigalle. Ich spürte förmlich, dass Isabell von Schritt zu Schritt misstrauischer wurde. An ihrer Stelle würde es mir wohl nicht anders gehen.

Denn wir liefen durch Seitenstraßen voller Sexshops und begegneten der einen oder anderen Prostituierten, die sich ihre Beute für heute Nacht suchte. An einer Ampel sprach Isabell schließlich: „Also wenn das so ein abgefahrenes perverses Promi-Ding ist, dann bin ich raus."

„Was stellst du dir denn unter perverses Promi-Ding vor?", ärgerte ich sie und meine Freundin antwortete ungeniert: „Na ja, ein Dreier, Vierer und so. Und sobald da irgendwelche Latexanzüge oder merkwürdige Rollenspiele vorkommen bei denen man auf allen Vieren kriecht, dann-"

„Zerbrich dir darüber mal nicht den Kopf", meinte ich. Die Ampel wechselte auf grün, aber statt zu gehen blieb Isabell eiskalt stehen und zog mich an der Hand zurück.

„Ich meine das ernst, Harry", raunte sie und ich glaubte einen Rotschatten auf ihren Wangen zu sehen. „Keine Ahnung, was man in deiner kuriosen Welt so treibt, aber so abenteuerlich das Ganze auch ist... ich meine... vieles ist nicht einmal legal und manche Dinge wirklich fragwürdig und so..."

„Der Einzige von uns, der zu viel Fantasie hat, bist du", fand ich. „Gefällt dir irgendetwas an unserem Sex nicht, oder wie kommst du auf solche Ideen?"

Isabell sah mich an, und zwar nicht irgendwie, sondern so, als würde sie in meinem Gesicht lesen wollen, ob ich das Ernst meinte oder einen Scherz machte. Zu allem Üblen fragte sie mich auch noch: „Du bist derjenige, der uns hier hin geführt hat und ich weiß nicht, ob du den abgefahrenen Sex, den du mit-", sie machte eine ratlose Handbewegung, „-mit wem auch immer hattest, vermisst?"

„Ich vermisse hier gar nichts Abgefahrenes, okay?", schon gar nicht diesen kopflosen Sex mit Camille. Zwar verlor ich auch bei Isabell regelmäßig den Kopf, aber nicht auf unvernünftiger Art und Weise. „Okay, ich will nicht ruppig das Thema wechseln, aber ich würde lieber anderes tun, als hier mitten an der Ampel über Sex zu diskutieren."

„Oh, Angst das uns jemand hört?", warf sie ein und ich bemerkte einen provokanten Unterton, also schlug ich sie mit ihren eigenen Waffen: „Jedenfalls bin ich nicht scharf drauf, dass man morgen Bilder von uns auf Twitter bewundern kann und sich 20 Millionen Leute höchst interessiert in unsere Unterhaltung über Sex einklinken."

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