Schlag 18

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Casey und ich sahen der Wahrheit entgegen: Wir konnten uns nicht um ein kleines Baby kümmern. Wir waren selbst noch Kinder.

Der Abschied war schwerer als gedacht, denn auch wenn dieses kleine Wesen erst ein paar Tage auf der Welt war, hatten wir uns schon sehr an es gewöhnt. An seine wenigen Haare, an seinen pumeligen Körper und selbst an die Schreie, die es in jeder freien Minute von sich gab.

Es fiel mir fast noch schwerer als Casey, als sie kamen, um mit uns zu sprechen. Caseys Eltern hatten sich schon einmal mit ihnen getroffen. Sie waren ein nettes Paar. Beide lächelten, als sie in der Wohnungstür standen und als sie dann unser Kleines sahen, leuchteten die Augen der beiden Menschen so sehr auf, dass es mir das Herz brach. Denn sie würden dies sicherlich noch oft tun. Unser Kind ansehen und lachen oder lächeln.

Wir saßen an einem runden Tisch im Wohnzimmer, was ich extra hatte aufräumen müssen. Casey und ich aßen keinen Kuchen, uns war einfach schlecht.

Casey und ich waren nie ein Traumpaar gewesen und alle an der Schule hatten es gewusst. Sie wussten wie sehr wir uns manchmal hassten und wie laut wir miteinander streiten konnten. Sie wussten, dass wir die letzten Personen waren, die ein Kind haben sollten.

Der Meinung waren auch Caseys Eltern.

Alles flog vor meinen Augen vorbei und schon ein paar Wochen später saßen Casey und ich erneut an dem runden Tisch und aßen keinen Kuchen. Denn wir hatten unser Kind verloren. Wir hatten das Richtige getan, aber wir hatten es verloren.

Ihre Augen wurden trüber von Tag zu Tag und ich wusste, dass es nur noch mehr schmerzte sie zu sehen. Sie so oft, jeden Tag, zu sehen.

Also verließ ich sie und sie mich. Ich packte meine Sachen und zog zurück zu meinen Eltern, wo man mich nicht vermisst hatte. Casey und unser Engelchen ließ ich hinter mir. Ich versuchte es so sehr es ging.

Es tat weh und wenn ich Casey dann doch einmal sah, wandten wir beide unseren Blick ab und gingen aneinander vorbei ohne ein Wort zu sagen. Denn was sollten wir schon sagen?

Ich bekam mit, dass Casey ein paar Jahre später ihre Karriere in einer Bank startete und ich freute mich für sie.

Ich freute mich auch, als sie jemanden kennenlernte und als sie mit diesem jemanden ein Kind hatte.

Aber ich konnte mich nicht für mich freuen, nicht selbst glauben, dass es irgendetwas Gutes an sich gehabt hatte, unser Kind wegzugeben.

Es wäre eine Katastrophe geworden, gemeinsam mit Casey ein Kind aufzuziehen, aber es fühlte sich auch nun wie eine Katastrophe an, wo wir keinen gemeinsamen Weg mehr hatten. Wo wir uns nicht mehr streiten konnten und wo Casey ihren Song nicht mehr dudeln konnte.

-

Matthews Augen sind geschlossen und sein Gesicht ist wie von dem besten Maler der Welt gezeichnet. Glatt, mit Kanten und Ecken, Wimpern, die seine Wangen berühren, die nun, im morgendlichen Licht rosa aussehen.

Matthews Körper ist warm und sein einer Arm ist über seinen Kopf gestreckt und angeknickt. Seine Finger an dieser Hand zucken ein, dann zwei Mal und dann kräuselt sich seine Stirn. Seine Augäpfel bewegen sich hinter seinen Lidern nach links und rechts, dann öffnet er die Augen.

„Oh mein Gott, du Spanner!", ruft er aus.

„Sieh es positiv: Ich hab dich nicht am Bett festgemacht", grinst William unschuldig.

Er liegt neben Matthew, auf der Decke, seinen Kopf auf eine Hand gestützt, leicht über den anderen gebeugt.

Eigentlich verständlich, dass Matthew überrascht und auch ein bisschen überfordert bei diesem ersten Anblick des Morgens ist.

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