Kapitel 3

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Tessa saß grübelnd an ihrem Laptop. Sie war schon bei Sonnenaufgang wach geworden, wenn man es überhaupt wach werden bezeichnen konnte. Sie hatte kaum geschlafen, der Gedanke daran, ihr Manuskript bei einem Verlag einzureichen machte sie fast verrückt.  Deswegen war sie früh morgens aufgestanden, hatte sich einen Kaffee gemacht und sich dann an ihren Schreibtisch gesetzt. Wenn sie schon so früh wach war, dann konnte sie die Zeit auch nutzen und ihre Zusammenfassung des Romans schreiben. Das war jetzt drei Stunden her und ihr Textdokument war immer noch leer. Natürlich wusste Tessa worum es in ihrem Roman ging, aber einen Roman für sich selbst zu schreiben, war etwas anderes, als etwas zu schreiben, dass wirklich wichtige Leute lesen würden. Tessa überlegte einen Rückzieher zu machen, "ist doch egal", dachte sie sich.

In diesem Moment klingelte ihr Handy. Sie nahm ab.
"Guten Morgen Sonnenschein! Na? Bist du schon fertig mit deiner Zusammenfassung?", trällerte ihr Susan's Stimme entgegen.
"Nein", grummelte Tessa. "Um ehrlich zu sein, überlege ich, ob es doch keine so gute Idee war. Vielleicht sollte ich den Roman einfach für mich behalten und nicht versuchen ihn in die Öffentlichkeit zu zerren.
"Tessa, du zerrst hier überhaupt nichts in die Öffentlichkeit. Romane sind dazu da sie zu veröffentlichen! Ich glaube, was du gerade hast, ist eine typische Schreibblockade. Du machst dich nur verrückt, bleib locker. Du kennst deinen Roman so gut wie kein anderer. Du weißt doch, was da passiert, schreib es einfach nieder!"
"Ich weiß nicht recht. Was ist, wenn es keinen interessiert?"
"Es wird Jemanden interessieren!", sagte Susan bestimmt. "Ich glaube an dich. Reicht das nicht? Und wenn es doch Niemanden interessiert, na und? Dann ist es eben so. Immerhin wirst du dir später dann keine Vorwürfe machen müssen wieso du deinen Roman nie eingereicht hast."
Tessa seufzte und erwiderte:" Ja, du hast ja recht. Ich werde es noch einmal versuchen."
"Super, ich rufe dich in einer Stunde an und dann möchte ich Ergebnisse sehen!", mit einem Lachen legte Susan auf.

Tessa straffte ihre Schultern, atmete ein mal tief durch und begann zu tippen. Sie schrieb einfach drauf los, ohne groß darüber nachzudenken. Ihre Finger flogen flink über die Tastatur und als ihr Handy nach einer Stunde erneut klingelte, war sie schon längst fertig mit der Zusammenfassung.

"Hi Susan, ich bin gerade fertig geworden. Du hattest recht, ich darf mir einfach nicht so viele Gedanken machen", begrüßte Tessa ihre Freundin am Telefon.
"Hab ich doch gesagt. Und hast du es schon abgeschickt?"
"Nein, es fehlt noch der Text über die Weiterentwicklung meines Charakters und dann muss ich mir noch die Kapitel aussuchen, die ich als Leseprobe mitschicken möchte. Und, ähm, ich hätte da noch eine Frage", stotterte Tessa nervös. "Würde es dir etwas ausmachen, wenn du bei mir wärst wenn ich alles abschicke?"
"Nein, ganz und gar nicht! Ich bin in einer halben Stunde bei dir", Susan legte sofort auf ohne sich zu verabschieden. Tessa musste grinsen. Susan konnte so impulsiv sein wenn sie von etwas begeistert war. Eine Eigenschaft, die Tessa sehr an ihr mochte, auch wenn sie Susan manchmal bremsen musste damit diese nicht durch die Decke schoss mit ihrem Enthusiasmus.

Als es an der Tür klingelte hatte Tessa alles erledigt, was nötig war um ihren Roman bei einem Verlag einzureichen. Sie stand auf und öffnete ihrer Freundin die Tür. "Sieh mal was ich hier habe! Ein wenig Nervennahrung für uns beide!", Susan stand grinsend in der Tür und hielt in der einen Hand eine Bäckertüte in die Luft, von der ein unwiderstehlicher Duft von frischen Croissants ausging und in der anderen Hand hielt sie einen Getränkehalter in den zwei Pappbecher mit leckerem Kaffee gesteckt waren. Tessa nahm ihr den Getränkehalter aus der Hand und stieß mit dem Fuß die Tür zu.

"Du kommst zu spät, Susan", erklärte ihr Tessa. "Ich bin seit fünf Minuten mit allem fertig. Möchtest du es lesen?"
Das ließ sich Susan nicht zwei mal sagen, sie drückte Tessa auch die Croissants noch in die Hand und setzte sich vor den Laptop.

Als Susan mit allem fertig war, sah sie Tessa an und meinte:" Das ist super. Wenn das die Verlags-Menschen lesen werden sie ganz aus dem Häuschen sein."
Tessa lachte und antwortete:" Jetzt übertreib mal nicht. Ich bin nicht Stephen King."
"Nein, dafür bist du viel zu hübsch."
Die beiden brachen in Gelächter aus. Tessa schnappte sich die Tüte mit den Croissants und steckte sich eins davon in den Mund, das andere reichte sie Susan.

Nachdem sie ihr Frühstück vertilgt hatten, setzten sie sich gemeinsam vor Tessa's Laptop. Jetzt ging es um Alles oder Nichts. Tessa war so nervös, dass ihre Hände zitterten. Wenn sie jetzt auf "Senden" klickte, konnte sie es nicht mehr rückgängig machen. Damit war ihr Schicksal besiegelt. Sie blickte zu Susan und sagte:" Ich kann das nicht. Bitte mach du es."
Susan blickte ihr in die Augen und nickte. Dann legte sie ihren Zeigefinger auf das Touchpad des Laptops und führt den Mauszeiger auf den Senden-Button. Tessa hörte, wie sie noch einmal tief ein- und ausatmete. Dann klickte sie. Der Mauszeiger verwandelte sich in eine Sanduhr und auf dem Bildschirm erschienen die Worte "Sendevorgang läuft. Bitte warten". Die beiden hielten die Luft an, die Spannung war fast greifbar.

Tessa war die Erste, die die Stille unterbrach:" Wieso dauert das denn so lange?"
"Ich weiß auch nicht", entgegnete Susan. "Vielleicht ist der Anhang der Mail so groß?"
"Quatsch, das sind nur ein paar Megabyte, daran liegt es sicher nicht."

Gerade als Tessa den Satz zu Ende sprach veränderte sich der Bildschirm wieder und zeigte an, dass das Senden der E-Mail erfolgreich war. Jetzt war es vorbei. Tessa hatte ihr Manuskript bei dem Verlag eingereicht, bei dem auch Samuel White's Bücher veröffentlicht wurden.
"Wie lange dauert es jetzt eigentlich bis du vom Verlag benachrichtigt wirst?", fragte Susan.
"Auf der Website stand, dass es mehrere Monate dauern kann, wir müssen also geduldig sein."
"Oh man! Nicht deren Ernst? Was denken die denn, was man in der Zeit machen soll?"
"Naja, ich bin nicht die Einzige die ihren Roman veröffentlichen will. Wenn jedes Manuskript einzeln durchgegangen wird dann dauert das eben."
Susan zuckte mit den Achseln. "Na gut. Hey, Denny gibt heute Abend eine Party, gehen wir hin?"
Tessa dachte nach, eigentlich hatte sie keine Lust, sie konnte diesen Denny sowieso nicht besonders leiden. Aber auf der anderen Seite durchflutete sie gerade ein richtiger Adrenalinrausch und sie hatte Lust ihr Erfolgserlebnis mit Susan zu feiern. Also nickte Tessa. Susan klatschte begeistert in die Hände.

Als Susan sich von Tessa verabschiedete verabredeten sich die beiden für Acht Uhr abends. Susan würde sie abholen kommen und davor würden sie Tessa's Kleiderschrank durchwühlen um etwas passendes für die Party zu finden. Die beiden umarmten sich zum Abschied und Tessa schloss die Tür hinter Susan. Sie ging zu ihrem Schreibtisch und klappte den Laptop zu, dabei strich sie sanft über den zugeklappten Bildschirm und dachte an ihren ersten Roman. Ein Lächeln konnte sie sich dabei nicht verkneifen.

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