Kapitel 2

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Als Tessa nach Hause kam setzte sie sich seufzend an ihren Schreibtisch. Sie musste noch dringend ihre Seminararbeit zu Ende schreiben, morgen war Abgabetermin. Tessa hatte sich für das Thema "Serious Games" entschieden. Die "ernsten" Computerspiele sollten dem Spieler auf spielerische Weise etwas beibringen. So gab es zum Beispiel Lernspiele, die Analphabeten das Lesen beibringen. Tessa war begeistert von solchen Spielen, sie fand die Idee wunderbar, Spiele zu entwickeln, die anderen Menschen halfen und nicht nur für deren Belustigung da waren.

Aus diesem Grund hatte sie sich für das Studium der Informatik entschieden. Schnell hatte sie herausgefunden dass sie nicht der typische Informatiker war. Sie wusste, sie wollte später nicht in der Automobilindustrie arbeiten um Navigationssysteme oder ähnliches zu entwickeln. Die Entwicklung von Computerspielen oder Handy-Apps fand sie schon immer faszinierend. Erst im Studium hatte sie von den Serious Games erfahren. Aber sie wusste sofort, wenn sie Spiele entwickeln würde, dann nur solche, die anderen Menschen helfen würden.

Aber während des Studiums kam sie irgendwie wieder auf das Schreiben zurück. Vielleicht waren die Romane von Samuel White Schuld daran. Denn Tessa erinnerte sich plötzlich daran wie gerne sie früher schon geschrieben hatte und dann keimte in ihr diese verrückte Idee auf ein Buch zu schreiben. 

Diese Idee hatte sie vor etwa einem Jahr und ihr erstes Buch war fertig. Ihr eigenes Buch in einem Regal stehen zu sehen war schon immer ein geheimer Traum von ihr. Aber niemals würde sie den Mut dazu aufbringen eine Leseprobe ihres Manuskriptes an einen Verlag zu schicken. Deshalb würde ihr Traum für immer ein Traum bleiben.

Tessa schüttelte den Kopf, sie musste ihre Seminararbeit zu Ende schreiben. Susan las gerade ihren Roman, sie würde sowieso noch eine Weile dafür brauchen. Tessa klappte ihren Laptop auf und zog die Bücher heran die sie für die Recherche benötigte. Sie klappte das oberste Buch auf und begann zu lesen.

Erst als das Tageslicht schon fast versiegt war, fiel Tessa auf, wie lange sie an ihrer Arbeit gesessen hatte. Sie knipste die Schreibtischlampe an die neben ihrem Laptop stand. Das warme Licht ergoss sich über ihren Schreibtisch. Mit einem protestierenden Knurren machte sich auch Tessa's Magen aufmerksam und erinnerte sie daran etwas zu essen.

Tessa stand auf und machte sich auf den Weg in die Küche. Sie hatte ein winziges Studentenappartement, aber es erfüllte seinen Zweck. Sie hatte ein Dach über dem Kopf und musste nicht verhungern. Obwohl die Küche es eigentlich nicht wert war Küche genannt zu werden, es war mehr eine Kochnische als ein Raum.

Tessa öffnete den Kühlschrank und seufzte. Er war so gut wie leer. Nur ein paar Scheiben Toast und Käse waren ihr noch geblieben. Naja, besser als nichts, dachte sie sich und griff danach. Morgen müsste sie auf jeden Fall einkaufen gehen.

Als sie an ihrem kleinen Esstisch saß, dachte Tessa wieder an Susan. Ob sie schon mit dem Roman angefangen hatte? Sie griff nach ihrem Smartphone, sie hatte beschlossen Susan anzurufen. Sie war einfach zu aufgeregt um abzuwarten. Das Freizeichen ertönte nur zweimal und Susan's Stimme am anderen Ende des Telefons erklang: "Hey Tessa, was gibt's? Alles okay?"
"Hey Susan, ja alles okay. Ich habe gerade meine Seminararbeit beendet und sitze jetzt in der Küche. Und da wollte ich mal fragen, ob du schon mit meinem Buch angefangen hast?"
"Machst du Witze? Ich bin schon durch! Ich habe die halbe Nacht gelesen. Ich konnte einfach nicht aufhören."
Tessa lachte verlegen. "Ist das dein Ernst? Es ist mein erstes Buch, so gut ist es sicher nicht. Und so gut wie Sam...", weiter kam Tessa gar nicht und Susan unterbrach sie.
"Ach Tessa, jetzt vergiss diesen Samuel White doch einfach mal. Dein Buch ist klasse! Wirklich. Ich finde du solltest etwas aus deinem Talent machen."
"Ich weiß ja nicht so recht. Du bist meine beste Freundin, du bist eigentlich befangen in deiner ehrlichen Meinung."
"Okay, pass auf. Die einzige Möglichkeit das herauszufinden ist, das Manuskript als Leseprobe an einen Verlag zu schicken. Und dann werden wir sehen was andere davon halten."
Tessa legte ihren Zeigefinger an ihre Lippen. Was Susan da sagte war nicht ganz unwahr. Sie versprach Susan sich darüber Gedanken zu machen und verabschiedete sich dann von ihr.

Als Tessa das verschmutzte Geschirr abgespült und wieder in den Schrank geräumt hatte, schaltete sie den Fernseher ein. Sie hatte keinen Platz für ein Sofa, also hatte sie den Fernseher so platziert, dass sie von ihrem Bett aus alles sehen konnte.

Sie zappte durch die Programme und blieb bei einem Spielfilm hängen. Doch Tessa schaute den Film nicht wirklich und konnte sich auch nicht darauf konzentrieren. Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab zu den Worten von Susan. War ihr Roman wirklich so gut, dass sie es bei einem Verlag versuchen sollte? Selbst wenn er es nicht war, was sollte schon passieren. Mehr als "Nein" sagen konnten sie auch nicht. Und es gab nicht nur einen Verlag, sondern mehrere. Vielleicht könnte sie ihr Glück dann bei einem anderen Verlag versuchen.

Tessa sprang auf und schnappte sich ihren Laptop vom Schreibtisch. Zurück auf dem Bett klappte sie ihn auf und öffnete die Suchmaschine. Sie gab den Verlag ein, unter dem auch Samuel White seine Bücher veröffentlichte. Schon auf der Startseite lächelte ihr Samuel White entgegen. Der Verlag nahm viel Geld in die Hand um Samuel's Romane zu vermarkten. Sie klickte auf den Reiter "Manuskripte einreichen". Tessa wusste nicht einmal wie das gehen sollte ein Manuskript einzureichen. Irgendwelche Regelungen gab es sicher dafür.

Und sie behielt Recht. Der Verlag nahm nur bestimmte Genre, aber glücklicherweise fiel Tessa's Roman in das Genre die der Verlag annahm - Fantasy. Weiter stand dort geschrieben, dass sie eine kurze aber aussagekräftige Zusammenfassung ihres Romanes abliefern sollte, ebenso, wie sich die Hauptcharaktere entwickelten. Tessa stutzte, ganz schön viel was man beachten musste. Beim Schreiben hatte sie überhaupt nicht darauf geachtet ob sich ihr Hauptcharakter in irgendeiner Art und Weise weiterentwickelte. Sie las weiter. Alles was sie einreichen musste, war ein Probekapitel von etwa Zwanzig Seiten. Das war eine schwierige Herausforderung. Sie musste die Stelle ihres Romanes finden, die die Leser am ehesten davon überzeugten dass ihr Buch gut genug war.

Tessa lehnte sich in ihrem Bett zurück und starrte auf den Fernseher ohne etwas zu sehen. Den Film hatte sie schon längst vergessen, sie wusste nicht einmal was für ein Film gezeigt wurde. Ihre Gedanken kreisten um das, was sie gerade gelesen hatte. Eigentlich war es nicht schwer ein Manuskript einzureichen. Alles was sie dafür tun musste, war eine Zusammenfassung ihres Romanes zu schreiben und ein passendes Probekapitel rauszusuchen. Sollte sie es wirklich wagen? Was war, wenn der Verlag ihren Roman annahm? Was würde das für sie bedeuten? Für ihr weiteres Leben, ihr Studium?

Sie fasste einen Entschluss. Sie würde ein Probekapitel einreichen. Das war eine einmalige Chance, die sie sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Was passierte, wenn der Verlag sie nahm, darum konnte sie sich immer noch kümmern wenn es soweit war. Sie tippte eine Textnachricht an Susan in ihr Smartphone.

"Ich werde mein Manuskript einreichen!"

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