Kapitel 9

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In den nächsten Tagen und Wochen passierte nicht wirklich viel in Tessa's Leben und gleichzeitig veränderte sich trotzdem alles. Tessa war viel zu Hause und arbeitete an ihrem Roman, sie hatte nur wenig Zeit, denn sie wollte, dass der Roman wirklich gut wurde. Der Ehrgeiz packte sie so sehr, dass sie sogar einige Vorlesungen ausfallen ließ um sich ihrem Roman zu widmen.

Sie schickte die überarbeitete Version noch zweimal an Jenna zurück. Immer wieder fand sie neue Details, die nicht ganz stimmig erschienen. Am Anfang fiel es Tessa schwer Kritik anzunehmen. Sie hatte das Gefühl, sie mache alles falsch und überall waren Fehler. Sie zweifelte auch manchmal daran, ob sie wirklich als Autorin geeignet war oder nicht. Aber je länger sie mit Jenna zusammenarbeitete und je öfter Jenna ihr erklärte, wieso sie dieses oder jenes Detail nicht schlüssig fand, desto mehr verstand auch Tessa. Sie verstand, dass Jenna nicht dazu da war um ihr durch die Blume zu sagen, sie sei talentfrei, sondern weil sie wollte, dass Tessa's Roman ein Erfolg wurde.

Und so kam es, dass sich Tessa und Jenna immer öfter in Café's trafen um gemeinsam über die Entwicklung des Romans zu sprechen. Und als Jenna mit einem zufriedenen Lächeln den Bleistift auf den Tisch legte und sich zurücklehnte, wusste Tessa, dass es nun in die zweite Runde ging - die Setzerei. Nun würde Tessa's Manuskript auch das Aussehen eines Romans bekommen. Die richtige Schriftart, die passende Schriftgröße, Absätze und Seitenzahlen würden dazu kommen. Sie und Jenna hatten sich dafür entschieden, dass der Roman keine richtigen Kapitelüberschriften bekommen würde, sondern einfach durchnummeriert sein würde. Jenna sagte Tessa, dass das normal von der Setzerei entschieden würde, aber sie hatte dort einen Freund und der würde für sie sicherlich eine Ausnahme machen.

Tessa packte gerade ihre Sachen im Café zusammen, als ein großer junger Mann auf den Tisch, an dem sie und Jenna saßen, zukam. Er hatte kurze, braune Haare, die mit etwas Gel seitlich nach hinten geformt waren. Er hatte braune Augen und strahlend weiße Zähne, man konnte seinen durchtrainierten Oberkörper durch das weiße T-Shirt gut erkennen. Der junge Mann hob die Hand und rief:"Hey Tessa! Das ist ja ne Überraschung. Wie geht es dir?"

Tessa drehte sich zu Jenna um und verdrehte die Augen, der hatte ihr gerade noch gefehlt! Aber Jenna zwinkerte ihr zu und sagte:"Wer ist denn der Leckerbissen?"

Bevor Tessa etwas auf Jenna's Augenzwinkern erwidern konnte, war der junge Mann auch schon bei ihnen am Tisch angekommen und Tessa stellte sie alle einander vor.

"Hi Denny. Also das ist Jenna Michael, meine Lektorin. Und Jenna, das hier ist Denny Morgan, ein, ähm, ein alter Schulkamerad."

Denny und Jenna gaben sich einander die Hände und lächelten sich zu. Dann drehte sich Denny wieder Tessa zu und fragte:"Deine Lektorin? Das heißt, dein Buch wurde veröffentlicht?"

"Nein", antwortete Tessa. "Noch ist es nicht veröffentlicht. Aber wir arbeiten gerade daran. Deswegen habe ich leider nicht viel Zeit, ich muss noch viel überarbeiten."

"Oh, das ist sehr schade, ich hatte gehofft, dass wir zusammen einen Kaffee trinken könnten. Ich fand's auf der Party echt nett mit dir zu plaudern und würde das gerne wiederholen."

"Nein, tut mir Leid Denny, aber heute passt es mir leider gar nicht. Vielleicht ein anderes Mal, okay?"

Denny zuckte mit den Schultern und wirkte etwas zerknirscht, als er antwortete:"Okay, dann wünsche ich dir noch viel Erfolg bei deiner Arbeit. Wir sehen uns dann!"

Denny winkte zum Abschied und drehte sich dann um und ging wieder. Jenna tippte Tessa auf die Schulter und sagte:"Bist du verrückt? Da will dieser absolut gut aussehende junge Kerl mit dir einen Kaffee trinken und du sagst du müsstest arbeiten? Obwohl wir fertig sind?"

Tessa erklärte Jenna in kurzen Worten, dass sie nicht viel von Denny halte und er früher nicht besonders nett zu ihr gewesen war. "Ja und? Früher ist früher. Er hat sich scheinbar geändert und hat offensichtlich Interesse an dir!", ließ Jenna nicht locker.

"Ja, kann sein", antwortete Tessa. "Aber das ändert rein gar nichts daran, dass ich mich jetzt auf meinen ersten Roman konzentrieren möchte. Also, wann denkst du, können wir eine Antwort aus der Setzerei erwarten?"
Tessa wechselte schnell das Thema, sie hatte keine Lust weiter über Denny Morgan zu sprechen. Um ehrlich zu sein, machte es sie etwas nervös, dass sie plötzlich in seinem Fokus stand. Das gefiel ihr nicht. Jenna seufzte und antwortete, dass sie ihren Freund bei der Setzerei dazu bringen konnte, dass Tessa's Roman bevorzugt bearbeitet wurde.

Aus irgendeinem Grund hatte sich zwischen Tessa und Jenna eine Art Freundschaft entwickelt. Nicht so eine Freundschaft wie zwischen Susan und Tessa, sondern eher eine berufliche Freundschaft. Tessa hatte das Gefühl, dass sie und Jenna dieselbe Sprache sprechen würden wenn es um den Roman ging. Und auch menschlich fühlte sich Tessa Jenna sehr verbunden, obwohl die beiden bestimmte 10 Jahre Altersunterschied voneinander trennten.


Die nächsten Tage vergingen quälend langsam. Da Tessa ihren Roman nicht mehr überarbeiten musste, sondern auf die Setzerei, die ihrem Roman eine Struktur verleihen sollte, hatte sie das Gefühl, die Zeit verginge in Zeitlupe. Auch wenn Tessa an nichts anderes als an ihren Roman denken konnte, fasste sie den Entschluss, wieder regelmäßig die Vorlesungen zu besuchen und den verpassten Stoff wieder aufzuholen. Sie konnte sich nur schwer auf den vor ihr liegenden Stapel Skripte konzentrieren, aber der Berg an Lernstoff wuchs immer weiter und wenn sie nicht aufpasste, verlor sie den Anschluss und hatte keine Chance mehr, diesen aufzuholen.

Gerade als sie etwa ein Drittel des Stapels abgearbeitet hatte, meldete ihr Smartphone, dass sie eine E-Mail erhalten hatte. Sie öffnete die E-Mail und sah, dass sie von Jenna war. Tessa wurde ganz nervös, in der E-Mail stand, dass ihr Roman aus der Setzerei zurück sei. Das bedeutete, dass jetzt nur noch ein Korrektor den Roman lesen würde, um alle Rechtschreib- und Grammatikfehler zu finden und zu korrigieren und dann würde der Roman endlich in den Druck gehen! Schnell tippte sie eine Antwort und fragte, wann der Korrektor anfangen würde mit ihrem Roman. Jenna antwortete, dass er gleich morgen damit beginnen würde.

Tessa legte ihr Smartphone auf dem Schreibtisch ab und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Es war fast geschafft, bald würde sie ihr erstes Buch im Regal stehen sehen. Sie lächelte und schloss dabei die Augen und versuchte sich das Cover ihres Buches vorzustellen, wenn sie an einem Buchladen vorbeiging und ihren Roman dort im Schaufenster stehen sah.

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