Kapitel 7

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Es war eine lange Nacht gewesen. Susan hatte wie versprochen Sushi mitgebracht und wie versprochen hatte sie auch Sekt dabei, Tessa jedoch hatte an eine Flasche gedacht. Susan jedoch hatte zwei mitgebracht. Und so kam es, dass sie und Tessa bis in die Nacht hinein sich unterhielten und ihre Gläser aneinanderklirren ließen.

Natürlich war ihr Gesprächsthema Tessa's bevorstehendes Meeting im Verlag. Sie versuchten zu erraten, welche Passage der Probekapitel besonders gut ankam und welche weniger gut. Tessa kam es immer noch wie ein Traum vor, sie konnte nicht verstehen, wie ein paar Seiten die Lektoren davon überzeugen konnten, dass Tessa's Roman gut genug für die Veröffentlichung war. Und ihr war etwas mulmig zumute, da Madeleine am Telefon sagte, dass ein paar Änderungen notwendig waren. Was, wenn der Verlag ihren Roman so sehr verändern wollte, dass sie ihn am Ende kaum wiedererkannte?

Als Susan und Tessa die zweite Flasche Sekt leer getrunken hatten, hatte Tessa einen dösigen Kopf. Es war wohl besser, wenn sie jetzt ins Bett gehen würde, wenn sie morgen früh fit sein wollte. Sie bedankte sich noch einmal bei Susan und brachte sie zur Tür. Dort umarmte Susan sie und sagte:"Ich bin furchtbar stolz auf dich. Ich wusste, dass du es irgendwann schaffen würdest, ich habe bloß nie etwas gesagt um dich nicht unter Druck zu setzen."

Tessa lächelte und antwortete:"Ja, ich weiß und dafür danke ich dir auch. Das war genau das, was ich gebraucht habe."

Susan wünschte ihr nochmal viel Glück für den kommenden Tag und verabschiedete sich mit einem Winken. Tessa ging zurück in die Küche um das benutzte Geschirr in das Spülbecken zu stellen. Sie würde das morgen früh aufräumen, jetzt war sie zu müde dafür.

Als am nächsten Morgen der Wecker klingelte, wachte Tessa gerädert auf, ihr Schlaf war sehr unruhig gewesen. Sie wunderte sich, dass sie überhaupt schlafen konnte. Träge schleppte sie sich ins Bad, zog ihren Schlafanzug aus und drehte die Dusche auf. Sie brauchte jetzt dringend eine erfrischende Dusche um wach zu werden. Als die ersten Wassertropfen über ihr Gesicht liefen bekam sie eine Gänsehaut, aber gleichzeitig jagte ihr auch ein Schub von Energie durch die Adern. Heute war ihr Tag! Sie würde den Moonlight-Verlag besuchen, um über die Veröffentlichung ihres ersten Romanes zu sprechen.

Mit noch feuchten Haaren setzte sich Tessa an ihren Küchentisch und nahm den ersten Schluck aus ihrer Tasse mit frischem Kaffee. Sie blickte auf die Uhr, obwohl sie sich viel Zeit im Bad gelassen hatte war es erst zehn Uhr morgens. Was sollte sie die nächsten zwei Stunden noch tun? Um zwölf Uhr mittags wollte sie aufbrechen, sie hatte genug Puffer eingebaut, damit sie auf gar keinen Fall zu spät kommen würde. Sie beschloss, ihren Roman nochmal zu überfliegen. Obwohl sie genau wusste um was es geht, wollte sie sicher gehen auch nicht das kleinste Detail zu vergessen. Was würden die Leute beim Verlag nur von ihr halten wenn sie vergessen hätte, was in ihrem eigenen Buch passierte?

Sie ging an ihren Schreibtisch und holte den Laptop, der zugeklappt auf seinen Einsatz wartete. Als der Bildschirm aufleuchtete und sie sich mit ihrem Passwort eingeloggt hatte, öffnete sie den Browser. Die Webseite der Lokalnachrichten hatte sie als Standard-Startseite für ihren Browser eingestellt. So hatte sie immer den aktuellen Überblick, was gerade in der Stadt passierte.

Bei einem Artikel blieb ihr Blick hängen. Das Titelbild zeigte eine junge Frau mit roten Locken, die ihr wie Wellen über die Schultern fielen, das Bild war in schwarz-weiß, weshalb Tessa die Augenfarbe nicht erkennen konnte. Sie öffnete den Beitrag, in großen, dicken, schwarzen Lettern leuchtete ihr die Überschrift entgegen "Vermisstenfälle: Polizei glaubt nun an Zusammenhänge". Tessa beschloss den Artikel zu lesen, als sie fertig war, klammerte sich ein Gefühl der Beklommenheit an ihr fest. Die armen Menschen und das in ihrer Stadt, das Verbrechen macht wohl vor niemandem halt. Mittlerweile waren wohl mindestens drei Menschen verschwunden, zumindest wurden drei als offiziell vermisst gemeldet. Die Polizei gehe aber davon aus, dass es eventuell auch mehr sein könnten, deren Verschwinden noch gar nicht aufgefallen war. Es gab bisher keinerlei Spuren oder Hinweise, niemand hatte etwas gesehen, die Opfer waren wie vom Erdboden verschluckt.

Die rothaarige Frau war das jüngste Opfer, die zwei anderen waren Männer, beide ungefähr in den Fünfzigern. Die Vorgesetzten der Opfer hatten sie als vermisst gemeldet, als sie nach ein paar Tagen nicht zur Arbeit erschienen waren. Alle waren alleinstehend, es gab keine Ehepartner oder Kinder denen das Verschwinden ihrer Liebsten auffallen würde.

Die Polizei rief die Bevölkerung dazu auf, wachsam zu sein. In den späten Abendstunden oder Nachts nicht mehr allein unterwegs zu sein. Tessa überkam ein Schauer, sie packte eine Unruhe, Susan war gestern nach ihrer "Sekt-Party" alleine nach Hause gelaufen! Sofort griff sie zu ihrem Smartphone und rief Susan an, diese ging verschlafen ans Telefon:"Ja? Tessa? Was ist denn?"

"Gott sei Dank, du bist zu Hause! Ich habe gerade den Artikel über die vermissten Leute gelesen und wollte sichergehen, ob du heute Nacht auch zu Hause angekommen bist."

Susan lachte und sagte Tessa, sie solle sich keine Sorgen machen, ihr passiere schon nichts. Die beiden beendeten ihr Telefonat und Tessa versuchte das Gelesene zu verdrängen und sich auf ihren Roman zu konzentrieren.

Als sie das nächste Mal auf die Uhr sah, stellte sie fest, dass es Zeit war aufzubrechen. Schnell klappte sie den Laptop zu und steckte ihn in ihren Rucksack. Innerhalb weniger Minuten war sie fertig angezogen und zog die Haustür hinter sich ins Schloss. Sicherheitshalber schloss sie die Tür dieses Mal auch ab, man konnte ja nie wissen.

Eine halbe Stunde später stand Tessa vor dem Gebäude des Moonlight-Verlages. Das Gebäude war dreistöckig und in einem hellen grün angestrichen. Die bodentiefen Fenster, die in jedem Stockwerk in regelmäßigen Abständen angebracht waren, verliehen dem Gebäude einen freundlichen Eindruck. Tessa holte tief Luft und öffnete die Tür zum Haupteingang. Vor ihr war ein Fahrstuhl, rechts daneben hing eine Tafel auf der stand, "Empfang im 3. Stock". Tessa drückte den Knopf um den Fahrstuhl zu rufen, nach wenigen Sekunden öffneten sich die Türen mit einem leisen Surren. Während der Fahrstuhl in den dritten Stock hinauffuhr, trippelte Tessa nervös von einem Bein auf das andere. Jetzt war es gleich soweit. Mit einem "Pling" signalisierte der Fahrstuhl, dass sie im dritten Stock angekommen war. Tessa wandte sich nach links und sah eine schwere Glastür, auf der die Worte "Empfang, Moonlight-Verlag" aufgedruckt waren. Sie zog die Tür auf und trat ein.

Vor ihr befand sich eine kleine Sitzecke, mit einem kleinen Tisch auf dem Prospekte abgelegt waren. Um den Tisch herum waren Sessel aufgestellt, die alle in einem hellen oder dunklen Blau waren, die Kissen darauf hatten als Farbe den jeweilig gegenteiligen Blauton.

"Hallo! Kann ich Ihnen helfen?"

Tessa drehte sich um, vor ihr stand eine kleine Frau, mittleren Alters, sie hatte lange braune Haare die sie zu einem Zopf geflochten hatte. "Äh, ja, hallo. Ich bin Tessa Riley. Ich wurde gestern von Madeleine Griffin angerufen. Ich habe um ein Uhr einen Termin", antwortete Tessa.

"Hi Tessa, freut mich dich kennen zu lernen. Ich bin Madeleine! Es ist doch okay, wenn ich Du sage, oder? Komm mit, ich bringe dich gleich in den Konferenzraum. Jenna und Philipp müssten gleich da sein, sie sind noch in einem anderen Meeting."

Tessa fand Madeleine sehr nett, auch wenn diese anscheinend kaum Luft holte beim Reden. Sie folgte Madeleine am Empfang vorbei. Nach wenigen Schritten bogen sie links in einen kleinen Raum ein. In der Mitte des Raumes stand ein Tisch mit zehn Stühlen darum. Am Ende des Tisches war ein Bildschirm aufgebaut. An der Wand zu Tessa's Rechten, war ein leuchtend gelber Mond aufgemalt, man konnte sogar die Krater erkennen. Der Hintergrund war dunkel und mit kleinen Sternen versehen. Madeleine bedeutete ihr sich zu setzen und stellte ihr ein Glas und eine Flasche Wasser hin. Sie hielt beide Daumen gedrückt und ließ Tessa allein zurück.

Nach wenigen Minuten konnte sie draußen Schritte hören, sie blickte zur Tür. Eine Frau mit schulterlangen, braunen und gelockten Haaren kam lächelnd auf Tessa zu und streckte ihr die Hand entgegen:"Hallo Tessa, mein Name ist Jenna Michael und ich bin die Lektorin, die dein Probekapitel gelesen hat. Wirklich sehr beeindruckend!"

Tessa bedankte sich verlegen und ergriff Jenna's Hand. Ein kleiner, rundlicher Mann, bei dem die Glatze langsam zum Vorschein kam schob sich in den Vordergrund. Auch er streckte Tessa die Hand entgegen und sagte:"Hallo, ich bin Philipp Hastings und ich bin für den Bereich Fantasy zuständig. Dein Roman ist ja schließlich in diesem Gebiet angesiedelt."

Nachdem sich Jenna und Philipp gesetzt hatten, blickten sie Tessa erwartungsvoll an und Philipp sagte:"Also gut Tessa, dann lass uns doch mal über deinen Roman sprechen."

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