Kapitel 12

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Tessa strich mit den Händen ihr bodenlanges Abendkleid glatt und betrachtete sich dabei im Spiegel, der neben ihrem Kleiderschrank hing. Heute war Samstag und damit der Tag des Autoren-Dinners. Susan hatte ihr ein wunderschönes Kleid ausgesucht. Es war dunkelrot, fast so wie Rotwein und wenn Licht auf den Stoff fiel, dann schimmerte es und es sah so aus, als ob noch ein leichter Goldton untergemischt wäre. Die Spaghettiträger des Kleids lagen sanft auf Tessa's Schultern und endeten in einem leicht gewellten Ausschnitt. Tessa trug so gut wie nie Kleider und deswegen war sie überrascht, wie schön sie in diesem Kleid aussah. Der Stoff schmiegte sich weich an ihre Figur und betonte ihre Weiblichkeit. Susan hatte ihr auch mit den Haaren und dem Make-Up geholfen. Ihre dunkelblonden, schulterlangen Haare hatte Susan mit einem Glätteisen in eine gerade Form gebracht. Die Augen waren dunkel geschminkt, aber nicht zu dunkel. Tessa erkannte sich kaum wieder, aus der Studentin, die am liebsten mit Jeans und Shirt zur Uni kam, wurde eine junge, edle Frau.

Tessa drehte sich zu Susan um und sagte:"Und? Wie sehe ich aus?"

"Du siehst wunderschön aus, Tessa. Du wirst jeden dort umhauen, ich versprech's dir!" antwortete Susan und lächelte ihr zu.

Susan griff auf Tessa's Bett und hielt eine kleine, schwarze Handtasche aus Samt hoch, die an einer silbernen Kette hing. "Hier, die habe ich dir auch noch mitgebracht. Sie passt perfekt zu deinem Kleid."

Tessa nahm die Handtasche entgegen und hängte sie sich um. Tatsächlich, das Schwarz der Tasche passte hervorragend zu dem dunkelroten Kleid.

Tessa bedankte sich noch einige Male bei Susan für ihre Hilfe. Dann klingelte auch schon ihr Smartphone, das musste der Taxifahrer sein, der vor ihrem Appartement auf sie wartete. Sie wollte nicht mit diesem schönen Kleid mit dem Bus fahren und riskieren, dass es dreckig wurde. Deswegen hatte sich Tessa ein Taxi zu ihrem Appartement bestellt, dass sie zum Verlag bringen sollte. Susan und sie verabschiedeten sich vor der Haustür voneinander und Tessa öffnete die Hintertür des Taxi's  und stieg ein.

Die Fahrt zum Verlag dauerte nicht lang und Tessa wurde mit jedem Meter den der Taxifahrer zurücklegte nervöser. Sie war aufgeregt, was sie dort alles erwarten würde. Und natürlich fieberte sie dem Augenblick entgegen, an dem sie vielleicht Samuel White kennen lernen würde. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie im selben Verlag wie Samuel war. Damit war sie ihrem großen Autoren-Idol einen riesigen Schritt näher gekommen. Früher hatte sie davon geträumt, auf eine Signierstunde von Samuel zu gehen und sich ein Buch signieren zu lassen. Und jetzt, würde sie mit ihm an einem Tisch sitzen und gemeinsam essen!

Erst als der Taxifahrer sich räusperte, stellte Tessa fest, dass sie vor dem Gebäude des Moonlight-Verlags standen. Sie murmelte eine kurze Entschuldigung und zahlte den angegebenen Betrag und gab noch ein wenig Trinkgeld dazu. Dann öffnete sie die Tür des Autos und stieg aus.

Der Samstag war ein sehr warmer Tag gewesen, doch jetzt kam ein leichter Wind auf, der Tessa eine Gänsehaut über die Arme jagte. Schnell ging sie auf die Eingangstür des Gebäudes zu. Die Fenster, die bis zum Boden ragten, waren alle mit schweren Vorhängen verkleidet worden, so dass das Dinner vor neugierigen Blicken fremder Menschen geschützt war. Vor dem Haupteingang stand ein großer Mann mit Smoking. Neben ihm war ein Tisch aufgebaut, auf dem Tessa eine Liste erkennen konnte. Als der Mann sie sah, fragte er:"Dürfte ich Sie nach Ihrem Namen fragen?"

Tessa nannte ihren Namen und der Mann fuhr mit einem Stift die Liste entlang. Das musste wohl die Gästeliste sein. Tessa hielt gespannt den Atem an. Erst als die Hand des Mannes anhielt und er mit dem Stift Tessa's Namen durchstrich, atmete sie wieder auf. Der Mann lächelte ihr zu und hielt ihr die Tür zum Haupteingang auf. Als sie an ihm vorbeiging wünschte er ihr viel Spaß.

Als sich die Eingangstür hinter Tessa schloss, mussten sich ihre Augen erst an die Dunkelheit im Inneren gewöhnen. Nachdem sie ein paar Mal geblinzelt hatte, konnte sie mehr erkennen. Ihr stockte zum zweiten Mal der Atem. Der Eingangsbereich des Verlages war zugleich der Veranstaltungsort des Dinners. Vor dem Fahrstuhl, der Tessa damals in den dritten Stock brachte, waren zwei lange Tische aufgestellt. Die Tische waren bereits vollständig gedeckt und auf jedem Teller stand ein kleines Kärtchen mit dem Namen der Person, die dort Platz nehmen sollte. In der Mitte der Tische standen Kerzenhalter die jeweils vier Kerzen trugen. Tessa sah sich im restlichen Raum um. An den Wänden waren Lampen angebracht, die warmes Licht verströmten, so dass der Eingangsbereich etwas gemütliches bekam. Aus einem Raum rechts von Tessa kam eine Kellnerin mit einem Tablett in der Hand, auf dem sie mit Leichtigkeit ein paar Champagnergläser balancierte. Tessa beschloss sich ein Glas davon zu gönnen, sie hatte noch nie in ihrem Leben Champagner getrunken. Susan würde sie für verrückt erklären, wenn sie ihr erzählen würde, dass sie nur Orangensaft getrunken hätte.

Tessa nippte ein paar Mal an ihrem Champagner und ließ das prickelnde Getränk ihre Kehle hinunter wandern. Sie blickte sich im Raum um und versuchte zu erkennen, ob bereits jemand da war den sie kannte. Vielleicht Jenna oder Philipp. Viel mehr Mitarbeiter des Verlages kannte sie leider nicht. Plötzlich sah Tessa wie eine kleine Frau mit langen, braunen Haaren auf sie zugehüpft kam. Ihr breites Lächeln erkannte sie sofort - Madeleine Griffin.

"Hi Tessa! Schön, dass du gekommen bist. Ich hoffe, du genießt den Abend, auch wenn du noch nicht so viele Leute kennst. Aber keine Sorge, die wirst du alle sehr schnell kennen lernen! Und übrigens, herzlichen Glückwunsch zu deinen Erfolgen was deinen ersten Roman angeht. Ich habe gehört, dass er sich sehr gut verkauft."

Tessa bedankte sich bei Madeleine. Sie mochte Madeleine, sie war immer fröhlich und herzlich. Auch wenn sie den Eindruck vermittelte, dass sie zum Sprechen keine Luft benötigte. Die beiden unterhielten sich eine Weile, als sich ein großer, schlanker Mann in einem grauen Anzug  dazu gesellte. Tessa erkannte ihn sofort, es war der Geschäftsführer des Verlags - Anthony Woodley.

Tessa schätzte ihn auf etwa fünfzig Jahre. Seine Haare waren kurz geschnitten und noch voll, jedoch waren sie vollständig ergraut, was Anthony Woodley aber eine gewisse Attraktivität zukommen ließ. Mr. Woodley gab der vorbeilaufenden Kellnerin ein Zeichen, diese steuerte dann direkt auf ihn zu. Er nahm sich ein Glas Champagner vom Tablett, erhob das Glas und sagte in die Runde:"Meine Damen, es freut mich, dass Sie zu unserem Autoren-Dinner gekommen sind. Auf einen wunderbaren Abend." Tessa erhob ebenso ihr Glas und die drei prosteten sich gemeinsam zu. Dann drehte sich Mr. Woodley zu Tessa um und sagte:"Miss Riley, es freut mich, Sie nun endlich persönlich kennen zu lernen. Mein Name ist Anthony Woodley und ich bin der Geschäftsführer des Moonlight-Verlags."

Tessa räusperte sich nervös und antwortete:"Es ist mir eine Ehre Sie ebenfalls kennen zu lernen. Ich bin ein großer Fan der Bücher, die Ihr Verlag veröffentlicht."

"Vielen Dank, Miss Riley. Nun sind Sie ja selbst ein Teil davon. Ich habe noch vor zwei Stunden die neusten Verkaufszahlen zu Ihrem Roman erhalten. Und ich möchte Sie ganz herzlich beglückwünschen. Ihr Roman verkauft sich ausgesprochen gut."

"Ich danke Ihnen", antwortete Tessa schüchtern. "Aber ich bin mir sicher, dass sich andere Romane besser verkaufen. Immerhin ist es mein erster Roman und Luft nach oben ist sicherlich noch."

"Seien Sie nicht so bescheiden, Miss Riley. Ihr Roman hat sich bis jetzt besser verkauft, als der erste Roman von Samuel White."

Tessa blickte Mr. Woodley entgeistert an. Gerade, als Tessa antworten wollte, kam ein zweiter Mann dazu. Er hatte blondes, mittellanges Haar, dass nach hinten gegelt war. Seine Statur war groß und schlank und mit seinen stechenden, blauen Augen blickte er Tessa direkt an. Anthony Woodley erhob die Stimme und sagte:"Aaah, da kommt ja der Herr der Stunde. Gerade haben wir von Ihnen gesprochen."

Der blonde Mann streckte Tessa die Hand entgegen und sagte:"Darf ich mich vorstellen? Samuel White."

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