Kapitel 19

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Samuel nippte an seinem Glas Wein und antwortete:"Das Schreiben ist bei mir so etwas wie ein Familienerbe. Schon mein Großvater hat geschrieben. Und mein Vater tat es ihm nach."

"Oh wirklich?", Tessa machte große Augen. "Ich kenne gar keine anderen Romane von Schriftstellern die mit Nachnamen White heißen, außer deine natürlich."

"Ja, das liegt daran, dass mein Vater nicht sonderlich gut im Schreiben war. Zumindest was das Schreiben von Romanen angeht. Er war ein einfacher Journalist und hat für die Zeitung gearbeitet. Für den Wirtschaftsteil um genauer zu sein. Ich denke, dass ist jetzt nicht unbedingt der Bereich, in dem du dich viel aufhältst."

Tessa lachte auf. "Nein, da hast du Recht. Und dein Vater hat dir dann das Schreiben beigebracht?"

Samuel nickte. "Genau. Im Grunde wollte er, dass ich das erreiche, was er niemals geschafft hat."

Samuels Blick nahm einen traurigen Ausdruck an und in Tessa flammte Mitgefühl auf.

"Das klingt nach einer harten Kindheit. Aber du hast es geschafft. Du bist einer der erfolgreichsten Autoren geworden. Dein Vater muss unheimlich stolz auf dich sein."

"Leider hat er meinen Erfolg nicht mehr mit seinen eigenen Augen sehen können. Er ist gestorben, bevor mein erster Roman erschienen ist."

"Oh. Das tut mir Leid. Aber er wäre sicher sehr stolz auf dich." Tessa sah Samuel mitfühlend an. Sie wollte schnell das Thema wechseln, bevor die Stimmung endgültig kippte, aber Samuel kam ihr zuvor.

"Und Tessa, erzähl doch mal. Wie gefällt dir denn dein neues Autoren-Leben? Dein Roman verkauft sich sehr gut, habe ich gehört. Und du bist auch bereits auf einigen Lesungen gewesen. Aber du studierst auch noch, habe ich Recht? Ist das nicht sehr anstrengend?"

"Das ist es tatsächlich. Manchmal möchte ich mich in zwei Stücke reißen, weil ich gleichzeitig in einer Vorlesung und auf einer Buchlesung sein sollte. Ich hätte im Traum nicht damit gerechnet, dass mein Roman so einschlägt. Vielleicht kannst du mir ein paar Tipps geben? Ich meine, du hast erst drei Romane auf einen Schlag veröffentlicht. Wie hast du das gemacht?"

Samuel lachte auf. "Manchmal ist man wirklich über sich selbst verwundert, nicht wahr?"

"Das stimmt. Als ich die Nachricht deiner Veröffentlichung gelesen habe, dachte ich mir, hat er sich denn geklont, oder wie hat er das gemacht?" Tessa lachte ebenfalls, hoffte aber, dass ihr Lachen nicht zu nervös klang. Sie betete, dass der Alkohol vielleicht Samuels Zunge etwas gelockert hatte.

"Gar keine schlechte Idee. Manchmal, möchte man sich einfach zurücklehnen und andere die Arbeit machen lassen, oder nicht?"

Tessa wurde hellhörig. "Wie meinst du das? Macht es dir keinen Spaß, deine Romane zu schreiben? Welten zu erfinden, Charakteren eine Stimme zu geben?"

"Naja, kennst du nicht das Gefühl, dass du gerade überhaupt keine Lust hast, dich jetzt an den Schreibtisch zu setzen und dir irgendetwas aus den Fingern zu saugen? Und immer darauf achten musst, ob es auch Sinn ergibt?"

War das der entscheidende Hinweis, auf den Tessa die ganze Zeit gewartet hatte? Sie war sich nicht sicher. Natürlich kannte sie den Moment, wenn sie eine Schreibblockade hatte und nicht wusste, wie sie das neue Kapitel beginnen sollte. Aber trotzdem liebte sie es, Romane zu schreiben. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand anderen für sich tun zu lassen. Aber tat das vielleicht Samuel White? Sie rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. Er hatte definitiv etwas verdächtiges gesagt, aber sie wusste nicht, ob sie zu viel in seine Worte hinein interpretierte, oder ob doch etwas dran war. Sie beschloss, Samuel noch gezieltere Fragen zu stellen. Vielleicht konnte sie noch mehr aus ihm herauslocken.

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