Kapitel 14

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"Mit diesen Worten schloss Dakota ihre Augen und ließ die Zeituhr von Sakyrion in den Fluss fallen."

Die Menge applaudierte und Tessa klappte erleichtert ihr Buch zu. Sie wagte einen Blick ins Publikum, um in die Gesichter der Zuhörer zu sehen. Was konnte sie in ihren Augen ablesen?

Tessa hatte gerade ihre erste Lesung hinter sich gebracht. Die Lesung fand in dem Buchladen statt, in dem sie zum ersten Mal ihren Roman im Schaufenster stehen sah und zum ersten Mal ein Buch signierte.

Als der Applaus abnahm und die Leute sich langsam erhoben und den Raum verließen, trat auch Tessa hinter dem Pult hervor. Die Mitarbeiterin mit den violetten Haaren, die sie damals bei ihrem ersten Besuch hier kennen lernte, betreute Tessa auch dieses Mal. "Wow, das war richtig gut, Tessa! Ich glaube, den Leuten hat es gefallen."

Tessa lächelte und antwortete:"Danke, das hoffe ich auch. Ich war so nervös, ich hatte ständig Angst, mich zu verlesen, oder dass die Leute merken, wie sehr meine Stimme gezittert hat."

Die Frau, mit den violetten Haaren, legte Tessa beruhigend eine Hand auf die Schulter. "Keine Sorge, niemand hat gemerkt wie aufgeregt du warst. Du hast das wirklich sehr gut gemacht."

Durch die warmen Worte der Frau gestärkt, unterhielten sich die beiden noch eine Weile und Tessa erfuhr, dass die Mitarbeiterin Silvia hieß. Als Tessa merkte, wie die Müdigkeit an ihr zerrte, verabschiedete sie sich von Silvia und machte sich auf den Weg, in ihr Appartement. Sie war völlig übermüdet und ausgelaugt und wollte sich noch ein wenig hinlegen. Heute war Samstag und die Woche war wie im Fluge vergangen. Tessa's Roman verkaufte sich weiterhin gut und der Verlag hatte ihr eine Lesung organisiert. Sie stand nicht gerne im Mittelpunkt, weshalb sie sehr aufgeregt vor der Lesung war. Die ganze Woche hatte sie zu Hause geübt. Hatte einem imaginären Publikum aus ihrem Buch vorgelesen und hatte so getan, als würde sie auf Fragen antworten. Da sie am Morgen und teilweise auch am Nachmittag, Vorlesungen hatte, musste sie ihre Leseübungen auf den Abend verschieben, weshalb es oft ziemlich spät geworden war.

In ihrem Appartement angekommen, zog Tessa sich sofort bequeme Kleidung an. Sie hatte beschlossen, ihre Wohnung heute nicht mehr zu verlassen. Sie würde es sich auf ihrem Bett bequem machen und ein paar Filme anschauen.

Es war der erste Film den Tessa in den DVD-Player einlegte und draußen war es noch hell, doch Tessa war so müde, dass sie all das nicht mehr wirklich wahrnahm. Die Augen fielen ihr schlagartig zu, als sie ihren Kopf auf das weiche Kissen legte. 

Tessa wurde aus einem tiefen Schlaf gerissen. Es dauerte eine Weile, bis sie verstand, dass ihr Smartphone klingelte. Schlaftrunken griff sie danach und in diesem Augenblick hörte es auf zu klingeln. Sie warf einen Blick auf das Display, es war Susan und das schon zum vierten Mal. Tessa musste so tief geschlafen haben, dass sie die ersten Versuche von Susan, sie zu erreichen gar nicht mitbekommen hatte. Die Uhr verriet ihr, dass es neun Uhr morgens war, an einem Sonntag.  Verdammt, wie lange hatte sie geschlafen? Sie konnte sich an gar nichts mehr erinnern, außer, dass sie eigentlich vorhatte einen Film anzusehen. Ein Blick zum Fernseher verriet ihr, dass der sich auch schon vor einer Ewigkeit selbst ausgeschaltet hatte.

Gerade als Tessa ihre Beine aus dem Bett schwingen wollte, klingelte ihr Smartphone wieder - es war wieder Susan. Tessa nahm ab und bevor sie eine Begrüßung aussprechen konnte, plärrte ihr Susan's Stimme entgegen:"Mensch Tessa, endlich! Ich dachte schon du würdest nie abnehmen!"

"Tut mir Leid. Ich hatte den tiefsten Schlaf den du dir vorstellen kannst. Ich habe absolut gar nichts gehört."

"Oh", erwiderte Susan darauf nur. "Ist ja egal. Ich muss dir unbedingt was erzählen! Hast du schon die neusten Nachrichten des Moonlight-Verlages auf Facebook gelesen?"

"Äh, nein, ich glaube nicht. Was ist denn los?"

"Dann solltest du das dringend tun! Ich muss jetzt leider los, meine Großmutter hat Geburtstag. Ich wollte dir das nur schnell mitteilen. Wir sprechen uns heute Abend, okay?"

"Okay, bis dann", mit diesen Worten beendete Tessa das Gespräch mit ihrer Freundin. Was war das denn gerade? Mit angespannten Schultern stand Tessa auf und ging zu ihrem Schreibtisch. Sie zog den Stuhl zurück und setzte sich hin. Als sie den Deckel ihres Laptops aufklappte, leuchtete ihr gleich der Anmeldebildschirm entgegen. Sie gab ihr Passwort ein und öffnete dann im Browser die Facebook-Seite des Verlags.

Der erste Post des heutigen Tages stach ihr entgegen. Auf dem Foto waren drei Bücher abgebildet. Unter den Titeln der Bücher standen jeweils die Worte "Teil 1", "Teil 2" und "Teil 3". Der Verlag hatte also eine Trilogie veröffentlicht. Das fand Tessa etwas ungewöhnlich. Wurden Fortsetzungen nicht immer zeitversetzt veröffentlicht?

Als Tessa den Namen des Autors las, klappte ihr der Unterkiefer runter - Samuel White. Wie um alles in der Welt, hatte er es geschafft, innerhalb so kurzer Zeit eine Trilogie zu schreiben und zu veröffentlichen? Sein letzter Roman war erst seit acht Wochen veröffentlicht. Er musste an nichts anderem gearbeitet haben, als an diesen drei Büchern. 

Tessa griff nach ihrem Smartphone und schrieb eine Textnachricht an Jenna. Das musste sie jetzt einfach wissen, wie hatte Samuel das geschafft? Während Tessa auf eine Antwort wartete, lief sie grübelnd in ihrer kleinen Wohnung hin und her. Drei Bücher innerhalb von acht Wochen zu veröffentlichen war wirklich eine Meisterleistung. Wie hatte Samuel das geschafft? Oder arbeitete er vielleicht schon länger an diesen Büchern und hatte es absichtlich so eingerichtet, dass die Trilogie auf einen Schlag veröffentlicht wurde?

Das Piepsen ihres Smartphones riss Tessa aus ihren Gedanken. Sie öffnete die Antwort von Jenna und las:

"Hi Tessa. Ja, das ist ganz schön beeindruckend, oder? Am Tag nach dem Autoren-Dinner legte Samuel uns drei Manuskripte vor. Einfach so. Nachdem wir sie geprüft hatten, stellten wir fest, dass keinerlei Nacharbeitung nötig war. Nicht, das Samuel jemals eines seiner Manuskripte nachbearbeiten musste. Aus diesem Grund konnte die Trilogie wahnsinnig schnell gedruckt werden. Fünf Tage haben wir lediglich dafür gebraucht. Seit Samstag stehen die Bücher online zum Verkauf zur Verfügung und ab morgen, sind sie auch im Buchhandel erhältlich. Viele Grüße, Jenna"

Tessa versuchte das, was ihr Jenna gerade gesagt hatte, chronologisch zu sortieren. Am Samstag vor einer Woche, war das Autoren-Dinner. Das heißt am Sonntag danach, legte Samuel die Manuskripte vor. Wie um alles in der Welt hatte er das geschafft? Am Sonntag arbeitete doch niemand. Er musste die Verantwortlichen ganz schön bedrängt haben. Als nächstes musste Jenna und vielleicht noch andere Lektoren, die Manuskripte prüfen, ob sie gut genug für eine Veröffentlichung waren. Dies war offensichtlich der Fall, stellte Tessa mürrisch fest.

Seit dem Autoren-Dinner, war Tessa nicht mehr so sehr überzeugt von Samuel White. Klar, seine Romane waren immer noch spitze und er hatte den Platz auf den Bestseller-Listen auch immer noch verdient. Aber als Mensch, war Tessa mehr als nur enttäuscht von ihm.

Sie schüttelte die Erinnerungen an die Unterhaltung mit Samuel ab und konzentrierte sich wieder auf das, was sie gerade von Jenna erfahren hatte. Heute war Sonntag, es war also genau eine Woche her, dass Samuel die Manuskripte eingereicht hatte. Das war wirklich beeindruckend. Aber gleichzeitig machten sich auch Zweifel in Tessa breit. Sie selbst hatte etwa ein Jahr an ihrem Roman geschrieben. Dass ihr Roman so schnell veröffentlicht wurde, hatte sie nur einer glücklichen Verkettung von Zufällen zu verdanken. Normalerweise, dauerte es mehrere Monate, bis ein Roman zur Veröffentlichung bereit war. Allein die Nachbearbeitung des korrigierten Skriptes konnte mehrere Schleifen drehen und war harte Arbeit. Wie war es Samuel gelungen, drei Bücher zu schreiben, die fehlerfrei und keiner weiteren Bearbeitung bedurften?

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