Kapitel 8

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Mama weckte mich am nächsten Morgen sehr früh auf. Viel zu früh. Eine halbe Stunde eher, als ich sonst aufwache.

"Elena ich hab was für dich vorbereitet.", sagte sie.
Ich schaute sie verwirrt an, beobachtete wie sie die Gardinen aufriss und mich aufmunternd anlächelte.
Was sollte das denn? Sowas war eigentlich nicht ihr Ding. Ich setzte mich auf, gähnte und rieb mir die Augen.
"Mach dich frisch, zieh dich an, kämm dir die Haare und komm dann nach unten in die Küche."
Küche. Kein gutes Zeichen.
Es sei denn, sie wollte irgendwas anderes außer Essen bewirken.
Denn jeden Morgen waren wir meist alle in der Küche.

Ich tat was sie sagte, so schnell wie möglich, da ich wissen wollte was jetzt kommt.
Zum anderen wollte ich vor Caro wach sein, denn was auch immer jetzt folgte, ich spürte, dass ich sie nicht dabei haben wollte.
Langsam ging ich die Treppen runter und versuchte in die Küche zu spinksen.
Als ich endlich da war, war ich überwältigt. Also das hatte ich nicht erwartet.
Und dann war da auch noch Caro. Es war ja klar, dass sie etwas damit am Hut hatte.

"Wir haben heute ein Luxus Frühstück für dich vorbereitet. Eigentlich machen wir das ja nur, wenn einer Geburtstag hat, aber du isst in letzter Zeit so wenig.", sagte Mama fröhlich und ich starrte auf den reichlich und aufwendig gedeckten Küchentisch. Nicht mal an Geburtstagen.
Vom Tisch schaute ich wieder Mama an und jetzt verstand ich, warum die beiden gestern Abend noch einkaufen waren. Sie wollten mich nämlich wie ein wildes Tier füttern.
Ich. Raste. Aus.
"Komm setz dich.", sagte Mama und rückte mir den Stuhl zurecht.
Caro war schon immer zickig gewesen, aber das war die schlimmste Geste, die sie überhaupt gemacht hat. Mich zum Essen zu zwingen.

"Mama das war doch gar nicht nötig gewesen.", sagte ich ruhig. Ich durfte jetzt nicht ausrasten.

"Doch, doch. Du hast ja gestern bei den Schröders kaum was gegessen."
"Ja, weil ich Bauchschmerzen habe. Seit gestern Mittag."
"Komisch.", erwiderte Caro. "Mir kommt es so vor, als hättest du seit einigen Wochen Bauchschmerzen. Du isst immer so wenig."
"Nein, ich habe seit gestern Schmerzen. Tut mir leid ich kann das nicht essen." Ich stand auf.
"Elena, ist das dein Ernst?", fragte Mama. "Wir beide saßen sehr lange hier dran, es war viel Arbeit."
"Tut mir leid, da müsst mich vorher fragen." Caro schaute mich mit einem Killer Blick an.
"Warum hast du denn Bauchschmerzen?! Von all dem, was du nicht gegessen hast?! Mama sie lügt, sie hat doch nie was gegessen, um Bauchschmerzen zu haben!"
"Doch, na klar. Mir ging es gestern schon nicht so gut, und du musstest mir gleich diese Bratwurst geben, zu der ich neben Klara nicht nein sagen konnte!"
Sie schwieg. Denn ich hatte recht.Zum ersten Mal. Ich habe es mit Caro aufgenommen, und gewonnen. Mama seufzte enttäuscht und genervt.
"Also willst du nichts von all dem Essen, was wir extra vorbereitet hatten?"
Ich schaute auf den Tisch und entdeckte ein paar sehr Kalorienarme Dinge, die ich mir auf den Teller tat. "Ich esse ja was."
Beide starrten mich an. Okay, wie sah das denn aus?
Elena, die Fressmaschine Elena, verweigerte sich etwas von diesem gedeckten Tisch zu essen. Die Fressmaschine Elena würde so etwas nie tun. Auch wenn ihr 'schlecht' wäre. Dann wäre zumindest die Hälfte weg. Nicht nur die kalorienarmen Sachen.

Ich stand wieder auf um mich umzuziehen, und bemerkte ihre Blicke auf meinen Rücken.
Sobald ich oben angekommen bin, hörte ich sie schon aufgeregt flüstern. Tja, so war es eben. Ich bin nicht mehr diese verdammte Fressmaschine. Ich esse kaum etwas. In der Hoffnung abzunehmen.

Obwohl ich die Phase vor meinem Kleiderschrank eigentlich hasste, war ich diesmal glücklich.
Beziehungsweise sehr stolz auf mich. Ich konnte diesem reichlich gedeckten Tisch widerstehen, das war ein sehr gutes Zeichen.

Ich ging mit einem guten Gefühl, abgesehen vom Hunger, zur Schule.
Nach dem ich mein Fahrrad abstellte, ging ich zum Keller an meinen Spind um mein Mathebuch zu holen. Währenddessen checkte ich meine Nachrichten und sah, dass Lisa mir geschrieben hat, dass sie heute krank war und nicht zur Schule kommen würde. Ich steckte mein Handy wieder weg und widmete mich dem Zahlencode. Dann hörte ich, wie eine Gruppe Jungs auch zum Keller kam, und sobald ich sah, welche Jungs das waren, verspürte ich großes Unbehagen. Es war nämlich Jason dabei. Mein Herz raste unwillkürlich schneller als sonst. Jason hatte mal eine Affäre mit Julia und war dafür bekannt ein Frauenheld zu sein. Er ist der beste Fußballspieler des Schulvereins und bildete sich darauf immer einen Dicken ein. Der Grund warum ich aber nervös war, hatte nichts mit Fußball zu tun. Obwohl Jason zwei Stufen über mir war, war er derjenige, der mich immer am meisten mobbte, bloßstellte, beleidigte und wehtat. Der Umstand, dass Jason auch noch mit seinen Freunden hier war, machte mich sehr panisch. Denn vor seinen Freunden wollte er immer noch cooler sein und noch einen drauf setzen und alle zum Lachen bringen, wenn er mich demütigte. Ich merkte, dass ich zitterte, und bekam daher mein Spind nicht zu. Jetzt wusste ich, wie sich Leute mit Alzheimer fühlten.
Okay Schlüssel in den Schloss, komm schon.
Aber da kam er schon und schubste mich von hinten gegen den Spind. Ich knallte mit dem ganzen Körper gegen ihn.
Es tat nicht weh, aber es war der innere Schmerz, der mir zu schaffen machte. Der innere Schmerz, der sich in mir ausbreitete, und ich wusste, dass er den ganzen Tag erhalten blieb.
"Hey Fatty.", sagte er und grinste höhnisch.
Ich hoffte er ging weiter, aber er und seine Freunde blieben stehen.
"Warum hast du eigentlich eine so große Oberweite?", fragte er. "Oder ist das auch nur Speck?"
In meinen Augen bildeten sich Tränen.
"Guck mich verdammt mich mal an, wenn ich mit dir rede!", schrie er.
Ich gehorchte.

"Meine Oma hat so eine Oberweite.", sagte ein anderer Junge, Henry.
"Hast du ein Problem damit, wenn ich sie berühre?", fragte dann Jason.
Jetzt geriet ich in Panik. Es war nicht sein ernst.
Es konnte nicht sein ernst sein, das wäre ein sexueller Übergriff.
"Hey, Mann.", sagte Richard an Jason gewandt. "Jetzt übertreibst du aber."

"Spaßverderber.", erwiderte Jason nur. "Lass mich das einfach nur mal ausprobieren."

Richard packte ihn an der Tasche und zog ihn rechtzeitig von mir weg.
Ich ergriff die Chance und rannte mit zitternden Beinen davon.

"Wenn du jemanden davon erzählst bist du tot!", rief Jason mir hinterher.
Ich traute mich nicht nach hinten zu schauen.
Vielleicht würde ich mich nie wieder trauen zu meinem Spind zu gehen.
Um mich zu beruhigen, und an einen Ort zu kommen, wo Jason und seine Freunde auf keinen Fall sein können, ging ich aufs Mädchenklo.

Ich ging an den Waschbecken und schaute mich im Spiegel an.
Alle Farbe ist mir vom Gesicht gewichen, ich war blass wie eine Leiche. Ich zitterte immer noch während ich den Wasserhahn aufdrehte und meine Hände und Gesicht wusch.
Es ist nicht passiert, erinnerte ich mich. Er hat mich nicht angefasst.

Doch. Ich erinnere mich an jedes Wort.
Was ist wenn Richard nicht da gewesen wäre? Jason hätte mich berührt. Ich muss froh sein, er hat es nicht getan. Aber trotzdem war mir nach Heulen zu Mute.

Neben mir schminkte sich ein Mädchen, nur als ich genau hinsah, und meine Gedanken ordnete, sah ich, dass es Julia war.

"Alles okay?", fragte sie, schaute aber nicht von ihrem Spiegelbild weg. Ihr Lipgloss musste perfekt sitzen. Aber abgesehen davon- hat sie gerade echt mich angesprochen?
Mich?
Nicht mal in Gruppenarbeiten schenkte sie mir Aufmerksamkeit, und jetzt fragte sie mich, wie es mir geht...?!
Beschissen ehrlich gesagt. Der Typ mit dem du eine Affäre hast, wollte mich anfassen.

"J-Ja.", sagte ich jedoch nur.
Sie zuckte mit den Schultern und setzte einen perfekten Lipgloss auf.
Ich ging in eins der Klos, schloss die Tür und setzte mich auf die Klobrille.

Vieles hatte ich erlebt, Jason hatte mich schon oft genug gedemütigt. Aber das war weitestgehend die schlimmste Erfahrung, die ich je gemacht habe. Und ich dachte, dass es schon schrecklich wäre wenn er mich fetty oder Fat nannte. Nein. Das was heute passierte war das Schlimmste.

Es klingelte zum Unterricht, ich hatte nun Mathe.
Aber sosehr ich mich versuchte mit den Gedanken anzufreunden jetzt zum Unterricht zu gehen- ich konnte nicht. Denn Jason und seine Freunde besuchten den gleichen Kurs.

Ich schloss die Tür auf, merkte dabei, dass meine Hände immer noch zitterten.
Dann ging ich zum Sekretariat und meldetet mich ab -wegen Bauchschmerzen. Zu Hause wunderte Mama sich nicht, dass ich kam, ich hatte schließlich heute morgen Bauchschmerzen und Übelkeit.
Als Strafe für diesen Tag aß ich nichts mehr. Mal abgesehen davon, dass Jason mir das Essen auch verdorben hat. Ich hätte noch nicht mal etwas essen können.

Es war hart, bis ich drei Scheiben Gurken zu mir nahm.
Aber sobald diese in meinem Magen waren, hatte ich das Bedürfnis sie wieder loszuwerden.
Also ging ich aufs Klo, führte meinen Zeigefinger in mein Mund und kotzte sie wieder aus, bevor ich sie verdauen konnte.

Federleicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt