Kapitel 31

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Caro und ich standen heute gleichzeitig vor der Haustüre. Als ich schweigend eintrat, sah ich das Mama hektisch in der Küche hantierte. Sonst war sie auch immer fleißig, aber nie gestresst.
"Mama, was ist los?", fragte Caro, was ich auch fragen wollte.
"Die Karstens kommen heute zu Besuch."
"Die Karstens?", fragte Caro aufgebracht. "Also Jonas?! Wie kannst du ihn einladen wenn er mein Ex ist?!"
"Ich habe die Eltern eingeladen. Da kann ich doch nicht sagen, lasst Jonas bitte da."
Nein auf keinen Fall! "Ich bin weg.", sagte Caro nach einer kurzen Zeit.
"Willst du mir nicht helfen? Ich könnte jede Hilfe gebrauchen."
"Ne, sorry. Dann kommen die noch früher oder so und dann muss ich ihn sehen. Ich gehe, tschö."
Gerade ist sie erst reingekommen, da ist sie auch schon wieder raus.

"Kannst du mir bitte helfen?", fragte Mama mich flehend. Dem ganzen Essen hier zu widerstehen und helfen? Hart, aber ja. Nur für Jonas.
"Wie kam's dazu, dass sie jetzt kommen?", fragte ich.
"Wir hatten nett geplaudert, Sandra und ich. Und dann ergab es sich irgendwie. Das ist doch für dich kein Problem, dass Jonas kommt, oder?"
Nein, auf keinen Fall! Es war mir eher eine Ehre!
"Ne, wieso sollte es?"

"Ich weiß nicht. Ich blicke nicht in dein und Caros Beziehungskreis ein."

"Mama, dir ist aber schon klar, dass Caro die Schuldige war." Sie schwieg, als müsste sie ihre Antwort abwägen.
"Seit dem du abgenommen hast, hat sich vieles verändert." Ich hörte auf den Salat zuzubereiten.
"Also ist es jetzt meine Schuld? Dass Caro mit meinem Freund etwas hatte."
"Nein.", sagte Mama als wäre es die verständlichste Sache der Welt. "Ich meine nur, dass sich vieles verändert hat, seitdem du abgenommen hast." Ich war kurz davor den Messer in meiner Hand auf den Tisch zu knallen und ihr nicht mehr zu helfen. Caro geht mit meinem Freund fremd und dass bin ich schuld, weil ich viel abgenommen habe. Sehr logisch. Ich half ihr aber weiter, weil ich Jonas Familie natürlich gutes Essen anbieten wollte. Also blieb ich in der Küche und half Mama schweigend.

Nach langem Arbeiten und Tischdecken klingelte es und ich sah Jonas Eltern Sandra und Jako und natürlich auch Jonas. Er sah so gut aus in dem Hemd und den verwuschelten Haaren, die darauf hinwiesen, dass er gerade geduscht hat.

Die Familie Karstens war dafür bekannt immer höflich, freundlich, offen und tolerant zu sein. Sie waren wirklich nette Leute und natürlich wurden diese wichtigen Werte an ihren einzigen Sohn weiter vermittelt. Daher war er so begehrt bei vielen Mädchen. Er kombinierte sein überzeugendes Aussehen, mit seiner sportlichen Leistung und mit diesem wundervollen, liebevollen Charakter den er hatte. Er war beliebt bei so vielen Mädchen, und war trotzdem kein bisschen abgehoben.
Jetzt gerade lächelte er mich gerade warm an, als sich unsere Blicke trafen. Damm kam er immer näher und umarmte mich. Ich war wie versteinert, versuchte aber so cool wie möglich zu wirken.
"Hey Ginger."
"Hey." Wir setzten uns dann an den Esstisch.
"Ach Sarah, das war doch nicht nötig gewesen.", sagte Sandra zu meiner Mutter.
"Es war nicht viel Arbeit. Ich hab ja schließlich eine fleißige Tochter." Sie lächelte mich an.
"Elena, ich wollte dich schon seit längerem darauf ansprechen.", sagte Sandra als sich die Aufmerksamkeit auf mich richtete. "Wie hast du das geschafft? So viel abzunehmen?"
So viel abzunehmen, ja. Von 80 zu 65 Kilo. Aber jetzt fiel mir das Abnehmen sehr schwer.
"Selbstdisziplin."
"Das ist sehr beeindruckend. Und du siehst auch wirklich fabelhaft aus, Schätzchen."
Ich konnte nicht anders als rot anzulaufen. Erst recht, da Jonas zustimmend nickte.
"Danke.", sagte ich.
"Gut, dann lasst euch das Essen schmecken.", sagte Mama. Das war nicht die Frage. Das Essen war lecker. Es waren die Kalorien. Bevor die Karstens kamen, habe ich Abführmittel eingenommen.
Ich musste sehr sparsam mit diesen Dingen umgehen, da ich nicht zu oft zur Apotheke antanzen konnte und zu leugnen, dass ich dauernd Durchfall hatte. Aber heute wollte ich vor Jonas normal sein. Ein ganz normales Teenage Girl, das aß, nicht ständig kotzte, oder Mittel einnahm. Ein normales Mädchen, das Essen konnte, ohne an die Konsequenzen und die Zahl auf der Waage zu denken. Ein Mensch, der keine Minderwertigkeitskomplexe hatte. Ich will es nicht leugnen, das Essen tat gut. Auch wenn ich ständig an mein Gewicht dachte, an die Kilos die ich morgen drauf haben werde, war ich froh, einmal wieder richtig gegessen zu haben. Richtig zu essen, nach vielen Tagen nur mit  Tee, Salzstangen, Gemüse, Obst. Ich wurde mal satt, durfte wieder Mamas leckere Essen essen und schaute Jonas an. Ich war gefüllt, und erfüllt. Während Mama sich mit seinen Eltern unterhielt, lächelte er in meine Richtung.
"Was macht die Sache mit deiner Freundin?", fragte er freundlich und ich war erstaunt darüber, dass er sich noch erinnerte und mich danach fragte.
"Hat sich nichts ergeben.", sagte ich.
"Schade. Vielleicht musst du nur etwas warten."
"Vielleicht.", sagte ich.
"Du hast ja gestern mein Zimmer gesehen. Kann ich auch deins sehen?"
Ich lächelte ihn an und stand auf. Mein Herz klopfte wie wild als er mir folgte. Kurz bevor ich die Tür meines Zimmer öffnete, bemerkte ich, dass er unauffällig zu Caros schielte. Es versetzte mir ein Stich Eifersucht, denn ich hatte wieder das Gefühl, dass er nur nett zu mir war um Caro näher zu kommen, genau wie es bei Paul der Fall war.

"Jonas... du bist nicht hier wegen Caro, oder?", fragte ich vorsichtig.
"Meinst du das ernst? Ich hab erstens herausgefunden, dass Caro mich benutzt hat und zweitens hat sie mich betrogen..." er redete weiter, aber ich konnte ihm nicht mehr folgen.
Er hat herausgefunden, dass sie ihn benutzt hat.
Mein Herz blieb stehen. Wusste er es? Wusste er wieso Caro ihn benutzt hat?

Weil ich ihn liebe und sie sich vor mir beweisen wollte

"Tut mir leid, ich musste fragen. Ich hab das ja mit Paul durchgemacht... du weißt schon."
"Ja klar, natürlich verstehe ich. Ich bin hier also keineswegs wegen deiner Schwester. Um ehrlich zu sein, tut mir leid, aber ich kann sie überhaupt nicht leiden." Es war kurz still.

"Sie hat dich benutzt?", fragte ich etwas unsicher, und wirklich ängstlich, dass er von allem wusste.
"Ja. 'Ne Freundin von ihr hat mir gesagt, dass Caro irgendjemanden eifersüchtig machen wollte."
Gut. Er wusste nicht wen sie eifersüchtig machen wollte und er wirkte sehr glaubwürdig.
"Okay.", sagte ich dann nur.
"Caro ist ja deine Schwester. Wenn du herausfindest wer es ist, sagst du es mir?"
"Ja kann ich machen.", sagte ich wohlwissend, dass ich es niemals sagen würde.
"Danke, Ginger."
"Warum willst du das denn wissen?"
Er lächelte mich an. "Es tut mir leid. Wie musste sie sich gefühlt haben über die ganze Zeit?"
Er wusste es. Er lächelte mich herausfordern an. Aber anderseits kam es mir so vor, als wäre es sich nicht sicher, als versuche er herauszufinden ob er recht hatte.
"Stimmt.", antwortete ich schnell. "Ich sag dir sofort Bescheid, wenn ich es weiß."
"Versprochen?"
"Versprochen."
"Du hast aber ein großes Zimmer.", sagte er und ging einen Schritt zurück. "Und du kannst direkt zu mir reingucken!", bemerkte er, als er durch das Fenster schaute. Sofort errötete ich, denn ich fühlte mich irgendwie erwischt.
"Du etwa nicht?", fragte ich dann.
"Doch ich gebe zu, ja. Mama hat mir Gardinen gekauft, aber ich hab sie nie aufgehängt."
"Das hört sich irgendwie komisch an.", sagte ich und lachte unsicher. Er stimmte mit ein. Sein Blick wanderte dann zu meinem Schreibtisch.
"Wie war dein Test? In spanisch.", fragte er und ich war wieder erstaunt und gerührt darüber, dass er sich das merkte.
"Nicht gut."
"Oh. Das tut mir leid.", sagte er und lächelte. "Aber meine Mutter hat mir mal gesagt, dass du super gute Noten hast." Hatte. Betonung lag leider auf hatte.
"Ja, geht so."
"Du weißt was das bedeutet. Du könntest dann alles studieren, was du möchtest."
"Ja, ich hoffe. Also nur wenn meine Noten so bleiben." Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche und ich sah, dass ich eine Nachricht von Julia bekommen habe.

»Was machst du so?«

»Hab Besuch«, antwortete ich, damit sie mich in Ruhe ließ.

Aber gleich daraufhin, wirklich nur ein paar Sekunden später, vibrierte mein Handy wieder.

»Ist es dieser Nachbarsjunge von heute Morgen?«

Ich hatte ein mulmiges Gefühl. Wieso war ihr das so wichtig? Beziehungsweise wieso war Jonas ihr so wichtig? Sollte ich sie anlügen? Oder doch die Wahrheit sagen. Wenn ich ihr die Wahrheit sagte, würde sie vielleicht registrieren, dass Jonas 'zu mir gehörte'. Also schrieb ich ihr die Wahrheit.
Jonas und ich unterhielten uns noch etwas, er saß auf dem Sofa und ich neben ihm. Doch die Vibrationen störten mich. Sogar Jonas fragte irgendwann warum ich nicht antwortete.

»Kann ich vorbei kommen?«

»Mir ist langweilig«

»Magst du ihn?«

»ELENA WAS MACHST DU??«

»Du wirst es bereuen, wenn du mir nicht antwortest!«

»Morgen will ich nicht, dass du mit mir und meinen Girls an einem Tisch sitzt«

Ich war geschockt als ich alle gelesen habe. Sie war doch wirklich krank...?! Ich entschied mich dennoch zu antworten.

»Sorry mein Handy war am Laden. Hab die Nachrichten gar nicht mitbekommen. Ein ander mal, er ist schon wieder gegangen.«

Sie las die Antwort, schrieb aber nichts mehr. Aber ich konnte mich darauf einstellen, morgen ignoriert zu werden. Jedenfalls hörte ich Jonas Mutter rufen, sie müssten jetzt gehen. Jonas umarmte mich erneut und ich hoffte, dass er mein Herzrasen nicht bemerkte.
"War schön, Ginger."
Ja. Das war es echt.

Sobald sie dann weg waren, ich Mama beim Aufräumen half, rannte ich sofort aufs Klo und kotzte alles aus. Und die Abführmittel zeigten auch ihre Wirkung, also musste ich jede Stunde aufs Klo. Spät am Abend stellte ich mich auf die Waage und war erleichtert, nicht zugenommen zu haben. Obwohl es schon zehn Uhr war, macht ich noch ein ganz Körper Workout.

Federleicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt