Kapitel 33

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„Warum versteckst du deine Haare?"

Überrascht schaute ich den Prinzen an. Was sollte ich antworten? Unsicher strichen meine Hände über die Haube unter der, wie jeden Tag, meine geflochtenen Haare an meinem Kopf festgesteckt waren.

Sie waren komplett verdeckt. Jeden Morgen kontrollierte ich, ob auch nicht das winzigste Bisschen hervorlugte. „Du siehst wunderhübsch aus. Warum solltest du deine Schönheit verstecken wollen?" Seine Worte versetzten mich wieder zu dem Ball, wie er mir die Haare öffnete. Und dann der Kuss...

Unwillkürlich schaute ich auf seine Lippen. Schnell schaute ich ihm wieder in die Augen, was jedoch auch nicht besser war. Ich mochte seine Augen, sie waren warm und sein Blick klug und aufgeweckt.

Zweimaliges Blinzeln half mir, meine Gedanken zu stoppen und etwas klarer zu sehen. Seinen Kopf hatte er noch immer schief gelegt und er sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. Ich hatte seine Frage nicht beantwortet, aber leider hatte ich immer noch keine Antwort parat.

„Du hast Angst, oder? Warum solltest du sie sonst verstecken? Warum hast du Angst und vor was hast Angst? Oder vor wem?" Alles in mir verkrampfte sich. Er war eindeutig zu schlau.

Panisch blickte ich über die Wiese, in der Hoffnung dort einen Ausweg aus dieser Situation zu finden. „Ich hatte Recht, du versteckst dich!" Seine Stimme klang ungläubig und fassungslos. Ich blickte ihn an und brachte immer noch kein Wort heraus.

Sein Blick wurde sanfter und er schüttelte den Kopf: „Du brauchst es mir nicht zu sagen, wenn du noch nicht bereit dazu bist. Ich möchte nur, dass du weißt, dass du mir vertrauen kannst."

Er rückte näher, schlang seinen Arm um mich und richtete mich an seiner Schulter auf. „Du scheinst etwas Schlimmes erlebt zu haben und lebst jeden Tag in Angst. Ich hoffe, dass du dich mir irgendwann anvertrauen kannst."

„Warum?" Meine Stimme war heiser, ich räusperte mich, aber er schien mich auch so verstanden zu haben. Der Prinz sah mich an, er war so nah, dass ich wieder seine Wärme spüren konnte. Er sah mich sehr eindringlich an, als könne er so die Antwort finden.

„Ich weiß es nicht. Du bist anders und ich ... ich ... ich möchte dir einfach helfen. Ich will nicht, dass es dir schlecht geht." Seine Stimme war leise, aber ich verstand seine Worte glasklar und ich spürte die Wärme der Worte in meinem Herzen.

Ich legte den Kopf etwas in den Nacken um ihm ins Gesicht sehen zu können. Sein Atem strich mir übers Gesicht. Er beugte sich zu mir herunter und unsere Lippen trennten nur noch Millimeter. Dann strich er mit seinen Lippen über meine. Mein Herz stockte und setzte dann umso schneller wieder ein.

Seine Lippen waren weich und warm. Ich öffnete leicht die Lippen und seufzte, als er ebenfalls die Lippen öffnete und mich endlich küsste. Seine Arme, die plötzlich um mich lagen, zogen mich näher an sich. Meine Hände fanden sich auf einmal in seinem Nacken wieder und strichen über den Übergang zwischen den kurzen Haaren und dem längeren Deckhaar hin und her.

Dieser Kuss war intensiver und leidenschaftlicher und hatte nichts mehr mit der Unschuld unseres ersten Kusses zu tun. Meine Lippen prickelten und das Prickeln breitete sich in meinem Körper aus.

Wir lösten uns kurz voneinander und holten Luft. Diese Zeit nutzte der Prinz um mit den Fingern mein Gesicht zu erkunden. Ich schloss die Augen und genoss die federleichten Berührungen. Meine Lippen hob er sich bis zum Schluss auf. Ganz leicht zeichnete er deren Kontur nach.

Ich öffnete wieder die Augen und begegnete dem intensiven Blick des Prinzen. Einer seiner Finger lag nun auf meinen Lippen und strich hin und her. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, während seine Augen zwischen meinen Augen und meinen Lippen hin und her sprangen. Dann schloss er seinen Mund wieder. Ich lächelte, nahm seinen Finger von meinen Lippen, verknotete meine Hand mit der seinen und küsste ihn.


„Ihhhh!" Wir fuhren auseinander. Alles um mich herum drehte sich und ich brauchte etwas, bis ich Berenike vor uns erkannte. Berenike schaute von Einem zum Anderen. Zwischen mir und dem Prinzen lag nun wieder ein halber Meter.

„Warum macht ihr das?" Ich stand trotz des leichten Schwindelgefühls auf und ging zu ihr. Der Prinz fuhr sich durch das leicht zerzauste Haar.

„Habt ihr schön mit Prinzessin Henriette gespielt?" Berenike sah mich böse an. Sie hatte meinen Versuch sie abzulenken entlarvt. „Vivien hat erzählt, dass sich Leute küssen, wenn sie sich lieben. Liebt ihr euch?"

Ich liebte Kinder, da sie immer so direkt waren und das aussprachen, was sich sonst niemand traute, aber jetzt schoss mir bei Berenikes Worten die Röte so heiß ins Gesicht, dass ich fürchtete, nun knallrot zu sein. Der Prinz blieb von der Röte auch nicht verschont.

Ich räusperte mich: „Manche Leute küssen sich auch, weil sie sich mögen." Berenike runzelte die Stirn: „Also ist mögen, nicht lieben?" Nun war ich wirklich knallrot, jedenfalls glaubte ich nicht, dass ich anders aussah als der Prinz.

„Leute mögen sich und daraus kann dann Liebe entstehen." antwortete der Prinz mit heiserer Stimme. Nachdenklich legte Berenike den Kopf schief: „Also wenn ihr euch noch weiter küsst, dann seid ihr irgendwann verliebt?"

Ich lachte auf, schlug mir dann die Hand auf den Mund, konnte damit das Lachen jedoch nicht wirklich stoppen. Der Prinz war nicht so dezent. Er lachte offen. Verwirrt sah Berenike uns an.

„Kommt her, Prinzessin" Ich breitete die Arme aus und umarmte sie. „Zum Lieben gehört noch mehr. Wenn man jemanden liebt, vergibt man ihm fast alles und möchte ihm immer nah sein. Liebe ist bedingungslos. Liebe ist das Schönste auf der Welt, man kann sich glücklich schätzen, wenn man Liebe verspüren darf."

Berenike riss angesichts meiner leisen Worte an ihrem Ohr überrascht die Augen auf. „Hast du schon einmal jemanden geliebt?" „Oh ja, ich habe meine Eltern geliebt, ich liebe meine beste Freundin Gilde und ich liebe Euch, Prinzessin."

„Wirklich?" fragte sie ungläubig. „Ja, Prinzessin, lieben heißt nicht gleich, jemanden zu heiraten, man kann viele Leute lieben und irgendwann kommt jemand, den man noch mehr liebt. Wenn es geht, möchte man diese Person dann heiraten." Berenike nickte ernst.

Ich umarmte sie nochmal und blickte dann zum Prinzen, der uns mit weichem Blick musterte. Die Prinzessin machte sich von mir los und lief zu ihm rüber. Er stand auf, hockte sich hin und umarmte sie ebenfalls.

Mit ernstem Blick flüsterte sie ihm etwas ins Ohr. Sein lächelndes Gesicht wurde nachdenklich und er blickte zu mir. Unsicher lächelte ich zurück.

Unter der Haube goldenes HaarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt