Kapitel 10

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Der Tag des großen Festes, der Tag meiner Flucht war gekommen. Ich atmete tief durch und überprüfte erneut mein Aussehen. Mein dunkelblaues Kleid fiel glatt bis auf den Boden. Am oberen Rand über meiner Brust war es mit weißen Blüten bestickt. Meine Arme steckten in fast unsichtbaren dünnen enganliegenden Ärmeln, die mit weißen Ranken bestickt waren. Es wirkte als würden sich die Ranken meine Arme hochwinden und dort dann zu Blumen aufblühen. Der dünne Stoff war kaum zu spüren, dafür merkte ich umso stärker die Last des schweren dunkelblauen Stoffes. Meine Haare fielen mir in sanften Locken über den Rücken und wirkten auf dem dunklen Stoff, als würden sie leuchten. In meinen hohen kunstvollen Schuhen, die unter dem langen Kleid nicht zu sehen waren, schmerzten meine Füße schon jetzt. Doch ich hatte schon früh gelernt, wie ich die Schmerzen unterdrücken und mit diesen Schuhen sogar tanzen könnte. Ich war jedes Mal überrascht, wie groß ich in den Schuhen war. Während ich in meinem Zimmer zur Probe ein paar Mal auf und ab ging, sammelte Gilde ein Paar Sachen auf dem Bett. Sie hielt in ihrer Arbeit kurz inne und schaute auf die Sachen, ich trat neben sie. In meinen Schuhen war ich jetzt noch größer als sie. Auf dem Bett lag das Kleid einer Magd und das Kleid einer Zofe. Das Kleid der Zofe war von Gilde, die es mir etwas ausgelassen hatte, damit es nicht zu kurz war. Außerdem hatte Gilde noch eine Haube für mich rausgelegt. Es gehörte nicht unbedingt zur normalen Uniform einer Zofe, aber Gilde und ich waren zu dem Schluss gekommen, dass meine blonden Haare im Zusammenhang mit meinen hellblauen Augen mich zu schnell verraten könnten. Ich würde also meine Haare unter der weißen Haube verstecken.

Gilde hatte alles zusammengesucht. Auch ein paar Schuhe mit fester Sohle entdeckte ich unter den Sachen. Sie würden uns auf den steinigen Straßen gute Dienste leisten. Gerade machte Gilde nochmal die Beutel auf und überprüfte ihren Inhalt. Dort war hauptsächlich Verpflegung drin, aber ich hatte in jeden Beutel einen kleinen Beutel mit Münzen getan. Ich wollte, dass Gilde gut versorgt war, falls wir getrennt werden sollten. In meinen Beutel hatte ich noch eine Kette mit dem Abbild meiner geliebten Mutter getan. Es beruhigte mich immer, wenn ich ihr Bild bei mir trug. So hatte ich meine Mutter immer bei mir.

„Es ist alles fertig, wir sind gut vorbereitet. Geht auf das Fest und kommt so schnell ihr könnt ohne Verdacht zu erregen wieder zurück. Ich bringe die Sachen schon ins Ankleidezimmer und räume hier auf. Wir wollen ja keinem einen Hinweis darauf geben, dass ihr geflohen seid." Ich umarmte Gilde vorsichtig um mein Kleid nicht zu zerknittern. „Nun geht schon!" Sie hielt mir die Tür auf und ich musste über diesen Rauswurf lächeln.

Unter der Haube goldenes HaarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt