„Fang!" Der Ball flog auf mich zu und meine Hände fuhren automatisch nach rechts und fingen den Ball. Sanft warf ich den Ball wieder zurück zu Prinzessin Berenike. Kurz darauf flog der Ball erneut auf mich zu und Berenikes Lachen schallte über die Wiese, als ich den Ball um Haaresbreite verfehlte.
Ich lief dem Ball hinterher, der gerade unter einen Busch rollte. Seufzend beugte ich mich nach unten und tastete nach dem Ball. Der Busch war feucht von dem Regen der letzten Tage. Man spürte nun immer deutlicher, dass der Herbst kam.
Der heutige Tag war der erste Trockene mit Sonnenschein seit Wochen und fast das ganze Schloss hielt sich heute draußen auf. Womöglich war es die letzte Gelegenheit, die Sonne zu genießen, bevor der Winter kam.
Gefunden! Ich packte den weichen Stoffball und klopfte so gut es ging den Schmutz ab. Als ich merkte, dass ich den Dreck damit nur noch mehr verschmierte, hörte ich auf. Ich würde ihn waschen müssen, doch das hatte auch bis heute Abend Zeit.
Mit dem Ball in meinen nun dreckigen, nassen und kalten Händen, drehte ich mich wieder zu der Wiese um, auf der Berenike und ich seit dem Ende des Unterrichts spielten.
Doch Berenike wartete nicht wie ich gedacht hatte, ungeduldig, bis ich wieder Zeit für sie hatte, sondern unterhielt sich angeregt mit dem Prinzen. Ich zuckte zusammen, als ich seine Gestalt, die mit dem Rücken zu mir stand, erblickte.
Seit dem Geburtstagsball hatte ich ihn nur von weitem beim Vorbeigehen gesehen. Obwohl unser Kuss nun schon drei Wochen zurücklag und ich immer noch der Meinung war, dass er nichts bedeutete, konnte ich nicht verhindern, dass ich wieder seine Hand um meine Taille und seine Lippen auf meinen spürte.
'Der Kuss hatte nichts zu bedeuten' wiederholte ich innerlich, abwechselnd mit 'Er ist der Prinz', bis ich bei den Beiden angekommen war. Ich stellte mich etwas abseits, um sie nicht in der Unterhaltung zu stören.
„Und wenn Vivien den Prinzen jetzt nicht mag?" fragte Berenike gerade ihren Bruder. „Unsere Allianz mit Olividon ist stark genug, sodass wir sie nicht mit einer Heirat festigen müssen. Auch brauchen wir keine Allianz mit den anderen Königreichen." Berenike legte den Kopf schief, während sie versuchte, die kryptischen Worte ihres Bruders zu entschlüsseln.
Dieser lachte: „Wenn Vivien der zweite Prinz von Olividon nicht gefällt, dann haben wir genug Zeit, um einen zu finden, der ihr gefällt. Sie kann sich also auf gewisse Weise ihren Bräutigam aussuchen."
Diesen Luxus hatten in der Geschichte nicht viele Prinzessinnen, doch auch mir hatte der Vorteil der Friedenszeit geholfen. Hätte mein Bruder eine Allianz mit einem Königreich gebraucht, so wäre ich sicher schon in Berenikes Alter mit jemandem verlobt worden. So jedoch hatte sich mein Bruder nie ernsthaft darum gekümmert, mir einen Bräutigam zu suchen.
„Was ist mir dir?" Berenikes Frage lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch zwischen den beiden. „Musst du auch nicht so dringend heiraten? Und darfst dir eine Braut aussuchen?"
Der Prinz wurde leicht rot und schien zu überlegen, was er antworten sollte. Da Berenike nicht so lange auf die Antwort warten wollte, kam sie zu mir, nahm mir den Ball ab und stellte sich wieder gegenüber ihrem Bruders, während sie den Ball von einer Hand zur anderen warf. Der Prinz streckte die Hände aus und Berenike warf ihm den Ball zu. Versonnen betrachtete er ihn und strich über einen der Schmutzflecken.
„Viele Königreiche würden sich gerne mit dem unseren durch eine vorteilhafte Hochzeit verbünden, doch die wenigsten haben Kinder im richtigen Alter." sagte er dann, immer noch auf den Ball starrend. Berenike ging zu ihm hinüber und nahm ihm den Ball ab, was ihn wieder wach zu rütteln schien.
„Hast du denn schon eine Prinzessin kennengelernt?" Berenike warf ihrem Bruder wieder den Ball zu und der warf ihn diesmal sofort wieder zurück. Nachdem sie ein-, zweimal hin und her geworfen hatten, antwortete Prinz Johannes endlich: „Vater war in Verhandlungen mit dem Königreich Alabae, die Prinzessin...."
Er warf mir einen kurzen Blick zu, bei dem ich das Gefühl hatte, dass er durch mich hindurch guckte, bevor ihm der Name wieder einfiel: „Prinzessin Katharina von Alabae ist im besten Alter und man sagt, sie wäre auch hübsch anzusehen. Ich weiß gar nicht, was aus den Verhandlungen geworden ist. Vater hat nichts weiter gesagt..."
Grübelnd legte der Prinz den Kopf schief, während mir heiß und kalt wurde. So plötzlich meinen Namen zu hören, kam unerwartet und die Angst vor der Entdeckung war mit einem Mal so übermächtig, dass ich mit der Ohnmacht kämpfte.
„Auja, du findet eine wunderschöne Prinzessin und ihr werdet ein wunderschönes Königspaar mit einer großen Hochzeit, auf der ich tanze, bis ich umfalle." Berenike trällerte ein Kinderlied über eine königliche Hochzeit.
Mein Herz hämmerte immer noch viel zu schnell in meiner Brust und schwarze Ränder traten in mein Sichtfeld. Ich versuchte sie wegzublinzeln und merkte plötzlich, dass die Wiese vor mir schwankte.
„Alles in Ordnung?" hörte ich plötzlich die Stimme des Prinzen ganz nah bei mir, während ich seine Hände um meine Taille spürte. 'Er stützte mich', begriff ich mit einiger Verspätung.
Durch meinen umnebelten Geist huschten Bilder von unserm Tanz, dem Kuss und meinem Bruder, der auf mich zu kam und mich packen wollte. Die Berührung ließ mein Herz noch schneller schlagen, falls das möglich war und ich schauderte.
Ich konnte nicht mehr unterscheiden, was er bei mir auslöste und was davon die Angst mit sich brachte.
„Die Torte, die Torte und obendrauf das Paar. Der Tanz, der Tanz und mittendrin das Paar. Die Lichter, die Lichter ..." hörte ich im Hintergrund immer noch Berenike das Lied trällern.
Die Melodie und die Worte vermischten sich, bis sie nur noch ein einheitliches Summen waren. Ich fühlte mich, als hätte mich jemand mit einer schweren Decke aus Watte umhüllt. Ich spürte meinen Körper nicht mehr und sah nur, wie ich mich über die Wiese bewegte.
Die Welt um mich herum wurde schwarz.
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Unter der Haube goldenes Haar
Ficción histórica„Ich muss weg" Gilde hielt in ihrer Bewegung inne: „Entschuldige Hoheit, wie war das?" „Ich kann nicht mehr im Schloss meines Bruders bleiben. Ich kann mit dieser Angst nicht leben. Ich werde fliehen." Gilde sah mich unendlich traurig an. „Wie könnt...