Betreten verboten

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Meine Mutter schien in der Küche schon auf mich zu warten, denn als ich die Tür aufschloss und eintrat, sprang sie mir schon regelrecht entgegen. „Wo warst du so lange? Ich hab mir Sorgen gemacht. Du kannst doch nicht einfach so abhauen, ohne eine Nachricht zu hinterlassen!" Sie sah mich wütend an. Gerade sie war wütend. „Ich bin 17 Mum! Ich war bei Alessandro und außerdem hast du mich gestern Abend auch nicht vorgewarnt, dass du mit deinem neuen Typen hier bei uns im Zimmer nebenan vögelst. Ich konnte nicht schlafen und bin dann gegangen. Erklärung genug?" Ich funkelte sie an und ihr Wangen färbten sich rot. Es war ihr peinlich, dass konnte man ihr ansehen, aber was hatte sie erwartet? Dass die Wände hier aus dickem Stahl gebaut waren? Ihr hätte doch klar sein müssen, dass ihre Tochter das nicht so toll finden würde, wenn sie den Typen mit nach Hause nimmt und ihn dann vögelt und nicht gerade leise dabei war. „Schatz, es tut mir so leid. Wir waren angetrunken und ich habe vergessen, dass du zu Hause warst..." Ah, wie schön! Sie hatte vergessen, dass ich zu Hause war. Warum hatte sie sich dann Sorgen gemacht? Für sie war ich ja schon von Anfang an nicht da, da machte es doch keinen Unterschied, wenn ich den Tag über auch nicht da war. Ich war so wütend auf sie, ich hätte gerade irgendwas zerschlagen können. „Schön, dass du mich vergessen hast!" Sagte ich mit kühler Stimme. „Was hast du denn an den Knien gemacht?" Sie starrte auf die Pflaster auf meinen Knien. Ja, schön wieder vom Thema ablenken, großartig Mum! „Bin hingefallen, nicht der Redewert." Sie sah mich besorgt an. Den Blick hätte sie sich auch sparen können, ich war so oder so wütend auf sie. „Ich geh ins Bett, bin ziemlich müde." Mit diesen Worten verschwand ich in meinem Zimmer und wäre am liebsten nie wieder herausgekommen, außer, um Alessandro zu sehen.

Am nächsten Morgen verschwand ich so früh wie möglich. Alessandro hatte mich zu einem Frühstück mit ihm und den Jungs aus seiner Gruppe eingeladen, damit wir uns alle besser kennenlernten. Klar, ich hatte ja nicht den besten ersten Eindruck hinterlassen. Ich hatte mir nicht sonderlich viel Mühe beim Schminken oder bei meiner Kleiderwahl gegeben, da ich viel zu müde dafür war. Ich hatte ein blaues Top an, zu einer schwarzen kurzen Hose, mein Haar band ich schnell zu einem Pferdeschwanz, der-fand ich- doch ziemlich gut geworden war. Fast die ganze Nacht hatte ich durchgeheult und wachte heute Morgen mit Riesen großen schwarzen Augenringen auf. Die versuchte ich mit meinem besten Abdeckstift zu überdecken, wie nur möglich. Es war mir zwar ein bisschen peinlich, so vor seinen Freunden und ihm aufzukreuzen, aber wie gesagt, ich war heute Früh viel zu fertig, um mir bei irgendetwas Mühe zu geben.

Alessandro nahm mich an die Hand und wir gingen gemeinsam ins Café, wo die Jungs schon auf uns warteten. Ich muss zugeben, dass ich ziemlich aufgeregt war. Doch als wir an den Tisch kamen, war das vorbei. Alle 3 Jungs standen auf und begrüßten mich mit einem Küsschen rechts und links, was in Italien so üblich ist. Ich war ziemlich verwundert darüber. Mussten sie mich nicht eigentlich hassen, nach dem, was vor 2 Tagen geschehen war? Aber nein, es schien alles vergessen und wir setzten uns an den Tisch und gaben unsere Bestellung auf. Wir lachten und erzählten uns Geschichten aus der Vergangenheit und es war so, als ob wir uns schon ewig kannten. Einer von ihnen hieß Dario, hatte schwarzes Haar und hellgrüne Augen, was sich perfekt ergänzte. Seine Gesichtszüge waren etwas härter und sein Körper schien aus Stahl zu bestehen. Er hatte ein weißes, enges Shirt an, durch das man seine wohlgeformten Muskeln deutlich erkennen konnte. Der andere hieß Luca, hatte blonde Haare und blaue Augen. Seine Gesichtszüge waren etwas weicher. Der dritte war Carlos. Er hatte braunes gelocktes Haar und hellbraune Augen und war bestimmt zwei Köpfe größer als ich. Ich erfuhr immer mehr von ihrem Leben und erzählte ihnen auch von meinem, bis Dario auf einmal nach meinen Eltern fragte. Alles in mir zog sich zusammen. „Mit meiner Mutter habe ich momentan kein sehr gutes Verhältnis und mein Vater ist vor knapp einem Jahr gestorben.", antwortete ich knapp. Alle vier starrten mich entsetzt an. Alessandro am meisten. Jetzt musste ich ihnen wohl oder übel die Geschichte erzählen und tat dies auch. Als ich fertig war, stiegen mir Tränen in die Augen. Alessandro bemerkte es und schloss mich in seine starken Arme, was sich verdammt gut anfühlte. Dann ließ er mich wieder los und wischte mir eine Träne aus dem Gesicht. „Das tut mir so leid Liebling..." Flüsterte er mit rauer Stimme an mein Ohr und ich bekam eine Gänsehaut. Warum löste er nur solche Gefühle in mir aus? Ich wusste es nicht, ich wusste nur, dass es mir gut tat.

Um 15:00 h gingen alle wieder, außer Alessandro und ich. „Soll ich dir meinen Lieblingsplatz zeigen?" Er sah mich aufmunternd an. Ich nickte als Antwort. Wir fuhren aus der Stadt raus und ich wurde immer aufgeregter. „Nun sag schon, wo du mich hinbringst!", drängelte ich hibbelig. „Das ist eine Überraschung..." Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Warum machte er es so spannend? Ich würde noch wahnsinnig werden. Irgendwann fuhr er in eine kleine Seitenstraße, die nicht asphaltiert war. Der Wagen sprang auf und ab und ich suchte krampfhaft nach etwas, wo ich mich festhalten konnte. Er grinste in sich hinein und versuchte es so gut es ging zu verstecken, doch mir fiel es trotzdem auf. „Grins nicht so!" Ich versuchte ein möglichst beleidigtes Gesicht zu machen, woraufhin er losprustete. Ich fiel in sein Lachen mit ein.

Wir stiegen aus dem Wagen und er ging zu einem Zaun. Ich folgte ihm schnellen Schrittes. Am Zaun war ein Schild angebracht, auf dem stand:
Betreten strengstens verboten! Privatgrundstück!⛔️
Na großartig. Ich blieb stehen, während er durch ein Loch im Zaun kletterte. Er drehte sich um, als er bemerkte, dass ich ihm nicht mehr folgte. „Was ist?" Ich sah ihn entsetzt an und zeigte mit dem Finger auf das Schild. „Ach. Ich war hier schon 1000 Mal, wir werden nicht erwischt." Entgeistert sah ich ihn an. Das hatte er jetzt nicht wirklich vor? Doch bevor ich widersprechen konnte, er zog mich schon an der Hand durch den Zaun. Ich folgte ihm widerwillig, bis wir zu einem Steg kamen, der ins Meer führte. Ich blieb sprachlos stehen. Das Wasser war türkis und die Schaumkronen glitzerten unter den Sonnenstrahlen. Er lächelte mich an und gab mir ein Zeichen, dass ich ihm zum Steg folgen sollte. Ich tat es ohne Widerwort.

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