Kapitel 10

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Oben ist ein Lied für euch, was ihr beim Lesen hören könnt
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Mich nervte das zu lange Kleid schon jetzt, denn ich stolperte einige Male darüber.
"Wo feiern wir das Fest?",fragte ich Tiranda, die mich mal wieder durch das halbe Waldlandreich führte.
"Im Speisesaal des Königs. Alle sind eingeladen."
Tiranda schien sich wirklich zu freuen. Wenn ich sie so sah, war es auch sehr schwer traurig zu sein.
Als wir durch den Tunnel zum Saal gingen, begegneten wir schon viele andere Elben. Sie gratulierten mir freudig und klopften mir freundschaftlich auf die Schulter.
Thranduil saß auf einem riesigen Stuhl, der mit prächtigem Gold verziert war. Viele Gäste hatten sich schon auf ihren Plätzen niedergelassen. Mir wurde der Platz neben dem König zugewiesen. Mir gegenüber saß niemand. Aber ich wusste nur zu gut, wer da eigentlich sitzen sollte. Thranduil störte es wohl nicht, dass sein Sohn nicht gekommen war.
Nachdem Ruhe eingekehrt war, erhob sich der Elbenkönig und blickte in die Runde.
"Wir haben uns heute Abend hier versammelt, um die Verwandlung von Ismene, unserem Gast aus Gondor, zu feiern. Da sie die Tochter von dem Menschen Aragorn und der Elbe Arwen ist, wird sie bei ihrem 20. Geburtstag zur Elbe. Ich freue mich, dass Ismene dieses Fest mit uns feiern möchte!"
Thranduil nickte mir zu und ich fragte mich, ob er diese Worte ernst meinte. Denn seine Augen funkelten immer noch gefährlich und kalt.
"Ich möchte dich jetzt bitten, Ismene, diese Treppe hinauf zusteigen. Dort oben findest du die Sterne."
Er deutete auf eine kleine Wendeltreppe, die bis jetzt gar nicht bemerkt hatte. Alle schauten mich erwartungsvoll an. Ich blickte etwas verwirrt umher, erhob mich dann aber, trottete zur Treppe und stieg sie hinauf. Das letzte was ich von dem Speisesaal sah, war die große Holztür, die sich in diesem Moment öffnete. Doch ich konnte nicht mehr sehen, wer gerade den Raum betrat.
Ich gelanget auf eine kreisrunde Plattform über den Wipfeln der Bäume. Ich hörte das leise Rauschen der Blätter unter mir. Über mir zogen die Sterne dahin. Mit offenem Mund starrte ich zu ihnen hinauf. Einer der Sterne strahlte plötzlich besonders hell und warf sein Licht auf die Terasse. Der weiße Lichtkegel fiel mir direkt vor die Füße.
Niemand hatte mir gesagt, was ich tun musste und trotzdem wusste ich es. Das Licht zog mich an. Also hob ich entschlossen den Kopf und trat mit beiden Füßen in den Lichtkreis.
Sobald ich darin stand, konnte ich nichts mehr sehen. Alles um mich herum war reines Leuchten dieses einen Sternes. Ich hätte eigentlich in Panik ausbrechen müssen, doch es gab keinen Grund dazu. Obwohl meine Umgebung völlig aus weißem Licht bestand, fühlte ich mich wohl. Irgendwie geborgen.
Doch plötzlich wurde mein Körper nach oben gerissen und ich wirbelte in einem bunten Strudel aus Farben immer höher. All meine Gliedmaßen zitterten und ich konnte nichts dagegen tun. Langsam konnte ich zwischen den verschwommen Farben klare Bilder erkennen. Ich sah, wie Arwen einen kleines Kind in den Armen wiegte, während ein kleiner Junge mit einem Holzschwert spielte. Auf den nächsten Bildern konnte ich meinem jüngeren Ich dabei zusehen, wie es spielte, mit seinen Eltern lachte und einfach glücklich war.
Doch das darauf folgende Bild zeigte den leblosen Körper meines Bruders. Er lag auf seinem Bett und es sah so aus, als würde er schlafen. Arwen und Aragorn knieten daneben und weinten. Mein damals dreizehnjähriges Ich stand etwas abseits, das Gesicht in den Händen vergraben. Am liebsten hätte ich geschrien. Aber ich brachte keinen Ton heraus.
Das grausame Bild verschwand und die nächsten Ausschnitte nahm ich gar nicht mehr richtig war. Doch dann kam der Zeitpunkt vor ein paar Tagen. Meine Reise. Der Angriff der Orcs. Meine erste Begegnung mit Tiranda. Meine Ausbildung.
Das letzte Bild war vermutlich das schlimmste. Legolas hielt mir noch einmal die Klinge an den Hals.
Dann wurden meine Augen dunkel und ich spürte nichts mehr.

IsmeneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt