Kapitel 14

1.1K 64 5
                                    

Ich erzählte Tiranda alles. Vom Kampf, der Versöhnung mit Legolas bis hin zum Gespräch mit Thranduil. Sie stützte ihr Kinn auf ihre Hand und hörte mir aufmerksam zu, unterbrach mich kein einziges Mal. Als ich geendet hatte, erhob sich Tiranda seufzten.

"Hört sich nach viel Arbeit für mich. Du bleibst am besten hier. Ich lass dir Essen hochbringen und dann ruhst du dich erstmal richtig aus. Versprich mir, dass du heute nichts mehr waghalsiges unternimmst!"

"Aber ich gehör doch zu den Wachen!",protestierte ich.

"Und ich bin die Anführerin der Wachen, also tust du, was ich sage!"

"Verdammte Waldelben!",murmelte ich halb verärgert, halb belustigt.

Tiranda lachte und winkte zum Abschied. Dann war sie fort. Wie so oft ließ sie mich mit vielen Fragen zurück.

Müde legte ich mich auf mein Bett und schloss die Augen.

Auf einmal schwebte ich neben Tiranda her. Erschrocken sah ich an mir herunter. Nichts. Ich hatte keinen Körper und doch fühlte ich mich lebendig. Mir blieb nichts anderes übrig als Tiranda zu folgen. Sie lief schnell, ihr Gesicht schaute ernst umher. Ich wusste nicht genau, wohin sie ging und doch hatte ich eine leise Ahnung. Gerade blickte ich nach hinten, sodass ich die Säule nicht bemerkte. Wie ein kleiner Windhauch schwebte ich durch sie hindurch. Verdattert blieb ich auf der Stelle stehen. War ich ein Geist? War ich tot? Aber so etwas hatte ich schon mal erlebt. Ich hatte Legolas im Wald beobachtet. War das, was ich gesehen hatte, wirklich passiert? Ich dachte es wäre ein Traum gewesen.

Schnell beeilte ich mich, zu Tiranda aufzuschließen. Wir erreichten den hinteren Teil des Palastes. Die Gemächer des Königs. Die Elb klopfte gegen ein Tür. In diesem Gang war ich noch nie gewesen.

"Mach auf, ich weiß, dass du da bist!", rief sie in einem gebieterischen Ton.

Erst rührte sich nichts. Dann hörte ich ein Klacken und die Tür schwang auf. Tiranda trat ein, dicht gefolgt von mir. Besser gesagt von meinem Geist.

Das Zimmer war groß und hell. Es glich ein wenig meinem Zimmer, obwohl es nicht so hoch oben lag. In der Mitte des Raumes stand Legolas, die Augen erstaunt aufgerissen.

"Tiranda!",rief er erfreut. Die beiden umarmten sich. Ich wusste zwar, dass die beiden sich gut verstanden, trotzdem fühlte ich mich auf einmal sehr einsam.

Legolas schaute die Elbe fragend an:"Was führt dich hierher? Es ist ewig her, als du mich das letzte Mal besuchen kamst."

"Ich muss dich etwas fragen. Es ist sehr wichtig. Schwöre, dass du jede meiner Fragen wahrheitsgetreu beantworten wirst!"

Legolas trat einen Schritt zurück:"Was ist los? Ist irgendwas passiert?"

Tiranda hob drohend den Finger."Du weißt ganz genau, was los ist. Wahrscheinlich sogar am besten von uns allen. Erzähl mir auf der Stelle, was du und Thranduil gerade eben zu besprechen hattet!"

"Das ist streng vertraulich! Und woher weißt du davon?"

Tiranda zuckte mit den Schultern:" Ismene hat mir alles erzählt. Ich mache mir wirklich Sorgen. Diese Angriff...

Bitte, sag mir, was der König vorhat!"

"Er meinte, dass es vielleicht eine Überlegung wäre, einen Trupp Wachen nach Dol Guldur zu schicken. Du müsstest dieses Trupp anführen. Gleichzeitig soll ich mit ein paar Soldaten vor der Festung warten, falls ihr Verstärkung benötigt. Was hältst du davon?"

Tiranda schwieg eine lange Zeit und schaute aus dem Fenster.

Dann sah sie Legolas fest in die Augen.

"Was ist mit Ismene? Sie wird mitkommen wollen."

Legolas schüttelte den Kopf:"Wir können sie nicht mitnehmen. Heute hat sie gut gekämpft, aber diese Aufgabe ist gewiss zu groß für sie."

"Aber hier lassen können wir sie auch nicht. Sie tut alles, was ihr in Sinn kommt, ohne zu überlegen. Ich hab Ismene wirklich gern, Legolas. Aber ich lasse sie hier nicht allein bei deinem Vater. Du weißt, er misstraut ihr."

Ich sah die beiden wütend an. Sie waren nicht meine Eltern. Nichts trauten sie mir zu. Rein gar nichts. Verteidigen konnte ich mich nicht, ich schwebte nur nutzlos in der Luft herum.

Legolas schritt wie sein Vater hin und her.

"Ich kann den König nicht umstimmen. Gleich morgen früh geht es los. Du musst es akzeptieren."

Er lächelte. "Außerdem glaube ich, dass Ismene auch ohne uns bestens auskommt. Du weißt, sie mag mich nicht besonders."

"Das liegt allein daran, dass du so herzlos sein kannst. Wie dein Vater. Es ist eh ein Wunder, dass ich dich gut leiden kann. Versteh doch endlich: Es würde dir gut tun, wenn du nicht auf deinen Vater hören und netter zu anderen sein würdest. Der König hat dir wirklich nach deiner Wiederkehr das Gehirn gewaschen!"

"Du verstehst das nicht...!"

Tiranda funkelte Legolas an: "Nein, du verstehst das nicht! Du ziehst dich immer weiter zurück. Eigentlich dachte ich, Ismene würde dir die Augen öffenen, aber dass interessiert dich ja nicht!"

Legolas schnaubte:" Ich hab mich bei ihr entschuldigt. Damit sie mir nicht länger böse ist. Ich hab sie wirklich gern. Aber das ist meine Schwäche. Mein Vater...!"

"Jetzt vergiss doch mal deinen Vater. Tu, was du für richtig hältst! Jemanden gern zu haben ist keine Schwäche! Es macht dich stärker."

Legolas rührte sich nicht. Tiranda wirbelte herum und eilte zur Tür. Bevor sie den Raum verließ, schaute sie Legolas noch einmal an.

"Und ich dachte wirklich, Ismene könnte dir helfen. Noch nie habe ich mich so sehr getäuscht."

Mit einem lauten Knall schlug sie die Tür zu. Von diesem Geräusch schreckte ich hoch. Verwirrt sah ich mich um. Ich lag wieder in meinem Zimmer, neben mir ein Tablett mit Suppe. Jemand musst es gebracht haben.

Ich ging hinaus auf die Terrasse und ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Die Tatsache, dass ich Träume hatte, die der Wirklichkeit entsprachen, war nützlich und erschreckend zu gleich. Lange dachte ich über den Traum nach.

Legolas und Tiranda wollten fort. Ohne mich. Und Tiranda hatte sich fürchterlich über Legolas aufgeregt. Ich verstand auch wieso. All das seltsame Verhalten mir gegenüber war geplant gewesen. Ein Plan Thranduils. Er wollte nicht, dass sein Sohn und ich uns anfreundeten, weil er meinte Freundschaft sei eine Schwäche. Und Legolas kaufte ihm alles ab.

Trotzig starrte ich auf das grüne Meer vor mir. Von jetzt an würde ich alles geben, um Legolas auf meine Seite zu holen. Nichts würde mich aufhalten. Ich würde ihm zeigen, wie sehr sich sein Vater täuschte. Ich beschloss, dem Trupp nach Dol Guldur zu folgen.

Ich würde Legolas zeigen, dass er mich braucht.

IsmeneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt