Kapitel 33

867 58 12
                                    

Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich dafür war, dass die beiden Pferde gekommen waren.

Arod lief sehr gleichmäßig, sodass wir nicht so durchgeschüttelte wurden. Vielleicht wusste er, dass Legolas....

Nein, daran war nicht zu denken!

Irgendwann gelangten wir an eine Lichtung mit einem kleinen Fluss. Die Vögel zwitscherten und die Sonne schien zwischen den Baumwipfeln hindurch auf das plätschernde Wasser.
Wie kann es sein, dass an einem solch schönen Tag etwas so schlimmes passieren konnte?

Langsam hielt Arod an und ich stieg ab. Das Pferd bemerkte, dass ich Legolas nicht herunter heben konnte, als ging es in die Knie, sodass der Elb ins weiche Gras glitt.

Ich robbte zu ihm. Angsterfüllt nahm ich seine Hand.

"Legolas?",piepste ich.

Keine Regung.

"Legolas, sieh mal, wie schön es hier ist....wach auf...bitte...wir müssen zurück zu deinem Vater..."

Meine Stimme versagte.

Traurig lies ich meinen Blick auf seine Wunde am Bauch schweifen. Seine Kleidung war zerfetzt und entblößt einen sehr tiefen ausgefransten Schnitt. Doch nicht nur Blut sickerte dort hinaus, sondern noch etwas anders.

Eine schwarze Flüssigkeit.

Gift.

Die Orc-Klinge war mit Gift bestrichen gewesen.

Immer mehr Farbe verschwand aus Legolas' Gesicht, bis er so weiß wie Bettlaken war.

Das konnte ich nicht mit ansehen.

Hastig kramte ich in meiner Tasche. Ich hatte doch dieses Buch mitgenommen.....

"Da!",rief ich und zog es heraus.

Kräuter und ihre Heilwirkungen hieß es.

"Verbrennungen.....Kopfschmerzen.....einfache Schnittwunden...verdammt, wo ist es!....aha....vergiftete Wunde...",murmelte ich.

Dafür brachte man wirklich viele Kräuter.

Ich blickte auf der Lichtung herum. Hier wuchs ziemlich viel. Vielleicht würde ich alles zusammen kriegen.

Wie eine Verrückte rannte ich auf und ab. Viele der Zutaten waren leicht zu finden, doch für andere wiederum musste ich tief ins Unterholz kriechen und sogar ein wenig in der Erde herum graben.

Legolas war derweil wach geworden, aber das beruhigte mich nur wenig, denn er gab röchelnde Geräusche von sich, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließen.

Nach etwa 10 Minuten hatte ich alles zusammen. Bis auf eines..

"Die Abendstern-Blume.......Mist, die habe ich hier noch nicht entdeckt!",fluchte ich.

Glaubt mir, ich habe wirklich alles abgesucht, doch vergebens.

Nach weiteren 10 Minuten gab ich keuchend auf.

Es musst auch so gehen.

Mit schnellen Schritten eilte ich wieder zu Legolas, der mit weit aufgerissenen Augen gen Himmel blickte und japste.

"Sssccchhh! Ganz ruhig....alles wird gut..dir passiert schon nichts...ich bin ja da!",flüsterte ich, während ich die Kräuter in seine Wunde streute.

Es zischte leise, doch sonst passierte nichts. Die Atemzüge des Elben wurden immer langsamer.

Ich wartete.

Vielleicht dauerte es etwas, bis die Wirkung einsetzte.

Aber ich wartete vergebens.

"Nein...bitte nicht....!"

Ich sprang auf und sammelte noch mehr Kräuter. Tränen versperrten meine Sicht, sodass ich mehrmals stolperte und mir die Knie aufschürfte.

Doch ich stand immer wieder auf.

"Mir fehlt diese verdammte Abendstern-Blume!",schrie ich, als ich merkte, dass die Kräuter nicht wirkten.

Es war aussichtslos.

Ich setzte mich ins Gras und legte seinen Kopf in meinen Schoß.
"Es tut mir so leid....so unendlich leid...ich habe versprochen, dich zu retten...und jetzt schaffe ich es nicht!"

Immer wieder verschluckte ich mich und musste husten.
Legolas hingegen war ganz ruhig und öffnete erneut die Augen. Als er mich erkannte, lächelte er leicht.

"Danke...",flüsterte der Elb.

"Wofür?"

Sein Lächeln wurde breiter:"Dass du jetzt hier bist...am Ende von allem."

Mein Schluchzen konnte man wahrscheinlich über die ganze Lichtung hören.

"Warum du, Legolas? Ich wünschte, ich würde sterben!"

Seine Hand zitterte, als er sie hob und meine Wange streichelte.

"Du hättest das nicht verdient. Überleg doch mal, du bist noch so jung..."

"Es geht nicht darum, wie alt man ist, sondern was man alles verlässt, wenn man geht. Wen man verlässt.",murmelte ich.

Legolas' Lächeln verschwand.
"Glaub mir, ich will dich nicht verlassen. Mir sollte es leid tun, nicht dir. Ich war so ein Dummkopf."

Er spukte Blut aus und röchelte wieder.

"I..ich liebe dich! Seit ich dich das erste Mal gesehen habe. Ich dachte, du solltest das wissen...",wisperte Legolas

Normalerweise hätte ich mich über diese Worte gefreute, aber nicht jetzt.

In diesem Moment machten sie alles nur noch schlimmer.

"Das sagst du mir jetzt erst...",meinte ich und bracht sogar ein kleines Lächeln zu Stande.

"Besser jetzt, als nie, oder?"

Verzweifelt schloss ich die Augen. Warum musste uns das passieren?
Gab es nicht schon genug Elend und Trauer auf dieser Welt.

Manche sagen ja, das Schicksal hält für einen auch immer etwas Gutes bereit.

Nur diesmal hatte mich das Schicksal verraten!

"Kann ich mir zwei Dinge von dir wünschen?",fragte der Elb.

Ich nickte.

"Bitte vergiss mich nicht...und die schöne Zeit, die wir gemeinsam hatten.."

"Und das zweite?",schluchzte ich.

"Kannst du das Lied singen? Du kennst den Text! Bitte sing es für mich. Ein letztes Mal!",bat Legolas.

Ich schluckte geräuschvoll.

Ja, ich kannte den Text.

Aber wahrscheinlich würde ich es nicht so schön singen können wie er es immer getan hat.

"Ja, ich werde es versuchen."

Und so begann ich zu singen.

Auf dieser Lichtung.

Unter der warmen Mittagssonne.

Für Legolas...

...den ich liebte.

IsmeneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt