Ich stolperte rückwärts und fiel auf meinen Rücken. Doch ich spürte den Schmerz kaum. Ich hatte nur Augen für Legolas und für das, was da vor mir geschah.
Der Elb hatte sich auf den Großorc gestürzt und stach, blind vor Wut, auf ihn ein. Schwarzes Blut spritzte ihm entgegen.
Der Orc hingegen schrie, trotz der Schmerzen, weitere Beleidigungen durch die Gegend und lachte gemein.
Ich konnte es nicht glauben.
Wie kann man lachen, wenn man so gut wie tot ist?
Erschöpft rappelte ich mich auf, als Legolas dem Widerling gerade den Todesstoß versetzte.
Der Häuptling der Orcs klappte mit leeren Augen zusammen.
Eigentlich hätte ich glücklich sein sollen, doch ich war es nicht. Denn Legolas war nicht mehr er selbst.
Durch seine Wut und Trauer war er seinem Vater ähnlicher als je zuvor und auf einmal verstand ich, was Thranduil jeden Tag durch machte.
Grausame Trauer.
Offensichtlich wurde Legolas gerade bewusst, dass ich auch noch da war, denn seine blauen Augen waren nun auf mich gerichtet. Kaltes Feuer brannte in ihnen.
"Legolas?",piepste ich.
"Ich werde sie alle umbringen!",brüllte er. Seine Stimme war viel tiefer und gar nicht mehr so schön melodisch.
Mit diesen Worten wirbelte er herum und wollte zum Ausgang stürmen.
"NEIN!"
Das konnte ich nicht zulassen. Das wäre glatter Selbstmord.
Ich rannte ihm hinter her und packte ihn am Arm. Natürlich war er viel stärker als ich, aber diesmal würde ich nicht klein beigeben.
Tränen rannen nun auch mir die Wagen hinunter, als ich Legolas mit aller Kraft auf die Knie drückte.
Er schlug um sich und traf mich dabei auch ein paar mal im Gesicht.
"Legolas, ich bin es, Ismene! Erkennst du deine kleine Ismene nicht mehr?",schluchzte ich.
Aber ich konnte ihn nicht beruhigen.
Da kam mir eine Idee.
Ein schrecklich Idee.
"Es tut mir wirklich leid, Legolas, dass ich das jetzt tun muss. Verzeih mir!"
Damit nahm ich eines meiner Messer, schloss die Augen und schlug möglichst fest mit dem Griff auf Legolas' Kopf.
Ein dumpfes Geräusch und der Elb erschlaffte.
Ohnmächtig.
Mit dem Handrücken wischte ich meine Tränen weg und kniete mich neben ihn.
Sanft streichelte ich über seine Wange. Dieser Anblick war so schrecklich, auch wenn ich wusste, dass er nicht tot war.
Ich setzte mich hin und hievte seinen Oberkörper auf meinen Schoß. Traurig blickte ich auf seine wunderschönen Gesichtszüge.
So friedlich sah Legolas jetzt aus.
Ich beugte mich vor.
"Wenn du wieder aufwachst, Legolas, bitte, sei wieder so wie früher. Ich vermisse dich!",flüsterte ich ihm ins Ohr und hätte dabei schwören können, dass seine Mundwinkel nach oben gezuckt waren.
Irgendwann ergriff mich die Müdigkeit und auch mir fielen die Augen zu.
Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe.
Doch zum Glück war es ein traumloser Schlaf.
Ein Geräusch riss mich aus meinem Schlaf. Vor Schreck stieß ich mir den Kopf an der Wand.
"Au, verdammt!",murmelte ich und rieb mit der Hand über die schmerzende Stelle.
Als ich aufblickte, sah ich ihn.
Er saß ein paar Meter von mir entfernt auf einem Holzklotz und stierte auf den Boden. Seinen Gesichtsausdruck konnte ich nicht deuten.
Langsam erhob ich mich.
"Es tut mir so leid...das kann ich nie wieder gut machen..."
Legolas' Stimme war nur ein Flüstern und doch nicht zu überhören.
"W..was meinst du damit?",fragte ich, während ich auf ihn zu ging.
Natürlich wusste ich, was er damit meinte und wünschte mir gleichzeitig, es wäre nie geschehen.
Als ich bei ihm angekommen war, kniete ich mich neben ihn und strich über seine Schulter.
"Ich habe schon alles wieder vergessen, wenn du willst.",versprach ich ihm.
Legolas' trauriger Blick traf mich.
"Aber ich kann nicht vergessen. Siehst du!"
Der Elb berührte mit einem Finger meine Wange und als er ihn wieder wegnahm, klebte Blut daran.
Erschrocken fasste ich mir nun ebenfalls an die Wange. Ich fühlte eine Wunde.
Verzweifelte schloss ich die Augen und schluckte.
Legolas hatte das alles nicht gewollte. Er wollte mich nicht verletzen. Das war das einzig Wichtige, dass ich das wusste.
Ich öffnete die Augenlider und sah, dass Legolas aufgestanden war.
"Ich glaube, es ist das Beste, wenn wir von jetzt an getrennte Wege gehen."
WAS!
Empört sprang ich auf und stellte mich vor ihn, die Hände in die Hüfte gestämmt.
"Bist du verrückt geworden? Wie soll ich den ohne dich hier unten überleben? Wie soll ich je wieder das Tageslicht finden? Ohne dich?"
Legolas' Augen füllten sich mit Tränen.
"Es ist sicherer für dich. Was, wenn ich dich das nächste Mal umbringe?"
Rasch nahm ich seine Hände und umklammerte sie.
"Es wird kein nächstes Mal geben!",versprach ich.
Legolas riss sich los und ging ein paar Schritte rückwärts.
Etwas in mir schrie verzweifelt.
"Willst du mich los werden?",schluchzte ich.
Mit schweren Schritten kehrte mir Legolas den Rücken zu. Kurz bevor er im Tunnel verschwand, drehte er sich um.
"Folge mir nicht! Du hast die Karten, sieh zu, dass du hier raus kommst. Dann reite nach Minas Tirith und hoffe, dass du mich nie wieder siehst! Ich habe dich in mein Herz geschlossen, aber es ist zu gefährlich für dich, noch länger bei mir zu bleiben. Leb wohl!"
Verschwunden.
Ich starrte entgeistert auf die Stelle, wo er verschwunden war und bewegte mich nicht.
Das konnte unmöglich sein Ernst sein.
Es brauchte ziemlich lange, bis ich mich wieder rühren konnte.
"LEGOLAS!",brüllte ich, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass mich jemand hören könnte.
Ich hastete los. Glaubt mir, so schnell bin ich noch nie gerannt. Doch Legolas musste sich auch gehörig beeilt haben, den der Tunnel vor mir war leer.
Immer wieder schrie ich seinen Namen. Keine Antwort.
Auch wenn ich eine Elbe war, nach einer gewissen Zeit schmerzten meine Lungen vom schnellen Rennen und auch meine Beine wurden müde.
Doch wie konnte ich stehen bleiben?
Also lief ich weiter, obwohl mein ganzer Körper protestierte.
Weiter...weiter.....weiter...weiter...
Vor mir erschien ein Licht.
Ich hatte die große Halle erreicht. Doch von Legolas keine Spur. Keuchend lehnte ich mich mit der Schulter gegen die Wand.
Vielleicht war alles nur ein Traum.
Vielleicht würde ich gleich in meinem Zimmer in Minas Tirith aufwachen.
Aber kann man einen so langen Traum haben?
Leider nicht.
Plötzlich vernahmen meine Elbenohren klirrende Geräusche. Wie Schwerte, die auf einander schlugen.
Rasch rappelte ich mich auf, lief zum Eingang der großen Halle und blickte hinein.
Die Orcs tummelten sich am anderen Ende der Halle und irgendetwas schien sie mächtig aufzuregen. Doch ich konnte nichts erkennen, da sich die Orcs dicht an dicht drängelten.
Ohne lange zu überlegen eilte ich zu ihnen. Möglicherweise etwas riskant, aber die Widerlinge bemerkten mich gar nicht.
Vergeblich versuchte ich irgendwas zu sehen, doch leider war ich viel kleiner als die Orcs und konnte nicht über sie drüber gucken. Doch auf ein Mal tat sich eine Lücke zwischen ihnen auf.
In der Mitte stand er.
Hätte ich mir auch eigentlich denken können.
Einerseits war ich froh ihn gefunden zu haben, aber andererseits war ich sehr genervt, dass er tatsächlich vor hatte, alle Orcs abzuschlachte.
War Legolas' Gehirn jetzt völlig durchgebrannt?
Seufzend zog ich meine Messer. Eigentlich war ich viel zu erschöpft, aber ich musste ihm helfen.
Wie eine Raubkatze kämpfte ich mich durch die Reihen. Jeder der mir zu nahe kam, bekam meine Klinge zu spüren. Immer mehr Orcs stürmten auf mich, doch ich schaffte es bis zu Legolas.
"Was machst du denn hier?",fragte er verdutzt.
Entnervt rollte ich mit den Augen, während ich nebenbei einem Orc die Kehle durchschnitt.
"Ich helfe dir natürlich. Hast du wirklich geglaubt, dass du mich so leicht los wirst?"
Ein winziges Lächeln huschte über sein Gesicht.
"Dann komm!",rief er mir zu und verpasste dem Orc, der uns im Weg stand einen Faustschlag.
Er war wieder der Alte.
Gemeinsam rannten wir in den Tunnel, aus dem wir gekommen waren, als wir die Blauen Berge betreten hatten. Am Ende diese Weges war unser Eingang gewesen.
Aber sobald wir weite genug weg waren, warf ich mich Legolas in die Arme und vergrub mein Gesicht in seiner Schulter.
Ich hatte Angst, er würde mich wegstoßen, doch das tat er nicht. Er umarmte mich ebenfalls, was mich unendlich glücklich machte.
Nie mehr wollte ich ihn loslassen.
"Und du bist mir nicht böse, weil ich dich verletzt habe?",flüsterte er.
"Du bist der dümmste, der größenwahnsinnigste und erbärmlichste Elb, den ich kenne!",sagte ich halb lachend, halb weinend in seine Schulter.
"Aber auch der bestaussehenste Elb, den du kennst, oder?",fragte er lächelnd.
Ja. Selbstverständlich war er das. Und erst jetzt konnte ich mir eingestehen, was ich für Legolas empfand.
"Und der arroganteste, nicht zu vergessen!",lachte ich und sah ihm fest in die Augen.
Zwei strahlende Saphire.
"Lass mich nie mehr allein! Egal was geschieht, egal was du tust! Bitte, versprich mir das!",bat ich.
Und das war wirklich alles, was ich wollte.
Vorsichtig strich er mir eine Haarlocke hinters Ohr und ein warmes Lächeln zierte sein schönes Gesicht.
"Ich war wirklich dumm und habe vergessen, wie sehr ich dich brauche. Ja, ich verspreche es..."
Seine Stimme war nur noch ein Windhauch.
Doch auf einmal meldete sich mein Verstand wieder.
Ismene, verdammt, was tust du hier eigentlich? Er ist ein FREUND und mehr nicht!
Ein wenig unglücklich entfernte ich mich von ihm, aber zum Glück schien Legolas zu verstehen.
"Komm, wir müssen weiter!"
Erleichtert nickte ich.
Wir stiefelten los. Nach langem Schweigen sagte der Elb:"Ich will das nicht mehr. So auzurasten, wenn...wenn.."
Er musste den Satz nicht vollenden. Ich wusste, was er meinte.
"Das wirst du auch nicht mehr."
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Ismene
FanfictionWohlhabend, umsorgt und geliebt. Das ist die junge Ismene aus Gondor, Tochter des berühmten König Aragorn. Um die Verwandlung zur Elbin zu überstehen, schicken ihre Eltern Ismene zu einem alten Freund. Legolas. Doch während das Mädchen anfängt den D...