Kapitel 37

1.1K 71 28
                                    

Ich fühlte das weiche Bettlacken unter mir. Kein kalter Boden oder Baumstamm, sondern ein warmes Bett. Ich glaube, erst wenn man einen Monat so wie ich in einem Orc-Stollen verbracht hat, weiß man so was erst zu schätzen.

Endlich konnte ich so richtig lang ausschlafen. Eigentlich wollte mich Thranduil noch gestern Abend befragen, aber Tiranda hat ihn doch noch umstimmen können, weil ich so müde war. Und schließlich kann ich mich auch heute morgen noch an das erinnern, was geschehen war. Wahrscheinlich könnte ich das in hundert Jahren noch.

Nachdenklich sah ich mich in meinem Zimmer um. Nichts hatte sich verändert. Meine Zettel und Papier lagen immer noch unordentlich herum und noch nicht mal Staub hatte sich gebildet. Es fühlte sich so an, als hätte ich die letzt Zeit nur geträumt. Vielleicht würde Legolas gleich herein stürmen und mich zu Training rufen, grob und unfreundlich, so wie ich ihn kennengelernt haben.

Legolas.

Wir hatten uns auf der Reise verliebt. Aber vielleicht war es genau das.
Auf der Reise.

Unsere Reise war jetzt vorbei.
Konnte es sein, dass er jetzt wieder genau so wie vor unserem Aufbruch war?

Ach nein, gewiss nicht...oder?

Ich stand auf und ging ein paar Schritte, um meine Verwirrung los zu werden.
Meine Füße trugen mich auf den kleinen Balkon und ich blickte auf den Wald unter mir.

Mittlerweile war es Herbst geworden. Die Blätter hatten die schönsten Rot-Töne angenommen und ließ den Schrecken, der sich unter dem Blätterdach verbarg, nicht erahnen.
Schillernde Schmetterlinge flogen bei einem leichten Windstoß auf und schwirrten mir um den Kopf.
Die Luft war kühl, als würde sich der Winter schon ankündigen, doch die Sonne stand noch tapfer am Himmel. Als würde sie versuchen mit letzter Kraft die Kälte zu vertreiben.

"Schon ausgeschlafen?", ertönte Tirandas Stimme hinter mir.

Rasch drehte ich mich um und schaute in ihr fröhliches Gesicht. Irgendwie hörte ich sie nie kommen.

"Hm.", brummte ich nur.

Tiranda nahm meinen Arm und zog mich wieder ins Zimmer. Dann zuckte sie zusammen, als sie auf die Uhr an der Wand blickte.
"Ach herrje! Es ist schon so spät! Du musst in 10 Minuten bei Thranduil sein. Komm jetzt musst du dich aber beeilen!"

Na toll.
Müde und genervt stöhnte ich auf.
"Was soll ich denn überhaupt anziehen?"

"Völlig egal! Nimm irgendwas, Hauptsache du bist schnell, ich muss jetzt auch los!"
Mit diesen Worten ließ sie mich mitten im Raum stehen und verschwand durch die Tür.

Erst rührte ich mich nicht, doch dann sah ich ein, dass es unklug war, Thranduil warten zu lassen.
Während ich mich umzog und wusch, überlegte ich mir, wie ich auf die Fragen des Königs antworten sollte.
Schließlich entschied ich mich, das Reden komplett Legolas zu überlassen. Vorausgesetzt er war da.

Hastig kämmte ich meine Haare und band sie zusammen. Einige Locken rutschten aus dem Dutt und umrahmten mein schmales Gesicht. Meine Augen blickte mich im Spiegel vorwurfsvoll an.

Du brauchst dir wirklich keine Sorgen machen, Ismene, Legolas wird da sein. Auf jeden Fall!

Das redete ich mir die ganze Zeit ein, während ich die Gänge entlang lief. Aber jedes Mal, als ich ein paar Elben begegnete, schauten diese mich nur merkwürdig an.
Vergeblich versuchte ich nicht auf ihre Blick zu achten.
Eigentlich dachte ich, ich wäre hier unter Freunden...doch es fühlte sich ganz anders an.
Was war geschehen, während ich weg war?

Mit schnellen Schritten eilte ich weiter, bis sich vor mir die Plattform mit dem Königsthron erhob.

Ich erkannte Legolas in glitzernder Rüstung davor stehen. Sofort wurde mir leichter ums Herz.

IsmeneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt