"Und wieder einmal landen wir hier.",meinte Legolas und seufzte.
Ich stimmte ihm vollkommen zu.
Schon wieder hockten wir am Eingang der großen Halle und überlegten, wie immer, wie wir ungesehen da durch laufen sollten. Ich hatten mittlerweile das Gefühl, dass wir nichts anderes mehr taten.
Zum Glück konnte ich mich noch erinnern, wo es zu den Gemächern des Großorcs ging. Nur leider war der Gang sehr weit entfernt von uns.
Legolas starrte auf einen Stein am Boden und rührte sich nicht. Selbst seinen Atem konnte ich nicht mehr hören. Es sah so aus, als würde er gleich in Ohnmacht fallen.
"Alles...alles in Ordnung?",flüsterte ich.
Stille.
"Ssssccchh! Ich denke nach!",zischte er genervt.
Wusste gar nicht, dass man so nachdenken konnte. Sah sehr anstrengend aus.
Ich konnten im Moment leider nur an den Traum denken, den ich einfach nicht vergessen konnte. Nur gut, dass Legolas da war, der noch Platz für andere Dinge in seinem Kopf hatte.
Natürlich könnte man jetzt fragen, warum ich ihm nichts von dem Albtraum erzählt hatte. Ganz ehrlich, ich wusste es selber nicht.
Vielleicht wollte ich erst selbst herausfinden, was es damit auf sich hatte, vielleicht war ich auch schlicht zu feige.
Ich weiß, eigentlich konnte ich Legolas alles erzählen und ihm vertrauen.
Aber meine dummen Träume waren jetzt wirklich nebensächlich....hoffentlich...
"Ich weiß, was wir machen!",meinte der Elb plötzlich.
Er deutete auf eine Stapel Holzkisten, die aufeinander getürmt waren und mit ein paar Seilen zusammen gehalten wurden. Dann zog er seinen Bogen hervor.
Ich verstand. Er setzte wieder auf Ablenkung.
"Meinst du, du schaffst es, die Seile zu treffen?"
So ein kleines Ziel hatte ich noch nie getroffen, trotzdem nickte ich. Ich wollte ihn nicht enttäuschen.
"Auf drei!"
Ich spannte den Bogen und zielte.
"Eins."
Bitte, lass mich treffen!
"Zwei."
Ich atmete tief ein.
"Drei!"
Beide Pfeile sausten gleichzeitig von der Sehne.
Der von Legolas durchtrennte das Seil genau. Meiner schrammte es und blieb dann in einer Kiste stecken. Doch der Stapel blieb stehen.
Betreten biss ich mir auf die Unterlippe und traute mich nicht, Legolas anzuschauen.
Ich hatte es vermasselt.
"Ach Ismene, das ist doch überhaupt nicht schlimm. Komm versuch es gleich noch mal!",meinte der Elb, aber ich schüttelte den Kopf.
"So gut bin ich nicht.",gab ich kleinlaut zu.
"Man kann auch alles schlecht reden! Komm, bitte, versuch es wenigstens noch einmal."
Widerwillig spannte ich den Bogen erneut, als mir eine noch bessere Idee in den Sinn kam.
Ich legte einen zweiten Pfeil in den Bogen, wobei ich die verwirrten Blicke von Legolas ignorierte.
Die Sehen surrte und die Pfeile schossen auf ihr Ziel zu.
Die Fackel, die über dem Kistenstapel hing, fiel scheppernd herunter. Die Pfeile hatten die Halterung zerschmettert.
In wenigen Sekunden standen alle Kisten in Flammen.
Es war ein wildes Durcheinander.
Orcs rannten hin und her, einige schrieen nach Wasser und andere suchten verzweifelt den Ausgang, den der Qualm verteilte sich in der ganzen Halle und erschwerte ihnen die Sicht.
Legolas packte meinen Arm und zusammen rannten wir zum Tunnel des Großorcs. Ein Glück, dass Elbenaugen keine Probleme mit dichtem Qualm haben, so konnten wir alles klar und deutlich erkennen.
Unerkannt flüchteten wir in den Gang bis wir weit genug weg waren, um anzuhalten.
Legolas' Augen leuchteten vor Begeisterung.
"Das war das Beste, was ich je gesehen habe! Warum bin ich da nicht drauf gekommen?"
Es tat so gut, gelobt zu werden. Vor allen Dingen wenn er es tat.
"Wenn dir immer alle guten Ideen einfallen würden, wozu wäre ich dann hier?",fügte ich belustigt hinzu.
Legolas lachte und lief ein paar Schritt vor, dann drehte er sich um.
"Komm, wir müssen weiter, Kleine..."
Drohend hob ich den Finger.
"Wirst du es denn eigentlich nie lernen? Aber du hast Glück: Ich werde dich nicht abstechen, wenn du mich 'Kleine' nennst...."
Eine breites Lächeln bildete sich auf dem Gesicht des Elben.
"Weil du mich magst, hab ich recht?"
Ich schnaubte.
Natürlich mochte ich ihn. Doch wie sehr, das wusste ich noch nicht...
"Rede dir das nur ein, meine lieber Herr Prinz! Nein, ich steche dich nicht ab, weil sich das für eine heldenhafte Elbe nicht gehört!",sagte ich, wobei ich mir das Lachen kaum verkneifen konnte.
Auffordernd hielt Legolas mir seine Hand hin:"Komm, kleine 'heldenhafte' Prinzessin! Sonst ist der Großorc über alle Berge."
Ich legte meine Hand in seine, als mir ein wohliger Schauer über den Rücken lief.
Reiß dich zusammen, Ismene!
So ging wir den Gang hinunter und unterhielten uns leise.
"Unsere ersten Begegnungen waren ja nicht gerade die besten, oder?",fragte ich flüsternd.
Keine Ahnung wie ich jetzt darauf kam.
Offensichtlich war es Legolas ziemlich peinlich, darüber zu sprechen.
"Ja...das war allein meine Schuld..."
Aufmunternd drückte ich seine Hand. Er tat mir so leid.
"Du musst dich nicht entschuldigen. Ich weiß doch jetzt, warum du mich so behandelt hast."
"Ich war so dumm...du weißt ja nicht, wie sehr mein Vater seit dem Tod meiner Mutter leidet.... wie sehr wir beide leiden..."
Ich nickte. Was sollte man darauf auch erwidern?
"Ist es noch weit?",fragte Legolas plötzlich, seine Stimme und sein Gesichtsausdruck völlig verändert.
"Nein...wir sind gleich da...",sagte ich stockend und lies seine Hand los.
Vermutlich sollte ich dieses Thema erst einmal nicht mehr ansprechen. Ist für alle Beteiligten besser...
Es war alles genau wie in meinem Traum. Dasselbe Feuer, derselbe Thron und dieselben Knochen an der Wand. Nichts schien verändert.
Auch Legolas zog angewidert die Nase hoch. Der Gestank war wirklich widerwärtig.
Die dunkle Gestalt des Großorcs neben seinem Thron war so bedrohlich, dass ich am liebsten wieder zurück geschlichen wäre.
Doch ich konnte nicht.
Blinde Wut überkam mich, als ich daran dachte, was dieses Scheusal gesagt hatte.
Der Elbenprinz neben mir sagte irgendwas, doch ich hörte nicht zu. Der Zorn machte mich stärker und mit einem Ruck zog ich mein Messer hervor.
"Was hast du vor?!",fragte Legolas verwirrt.
Ich ignorierte ihn, denn meine ganze Aufmerksamkeit galt dem Großorc.
Wie ein Schatten huschte ich aus unserem Versteck und stürzte mich auf ihn.
Legolas' Schrei konnte man wahrscheinlich bis in die große Halle hören.
Der Großorc wirrbelte herum und seine schwarzen Augen starrten erschrocken auf mein Messer. Aber dummerweise konnte er immer noch reagieren.
Seine Faust traf mich hart an der Stirn und ich wurde zu Boden geschleudert.
Für ein paar Sekunde war alles schwarz, bis ich mich, sehr benommen, aufrichtete.
Legolas hatte sich nun ebenfalls auf den Großorc gestürzt und rang mit ihm.
Natürlich konnte ich nicht nur tatenlos zusehen. Mit erhobenem Messer griff erneut an.
Heftig verpasste ich unserem Feind einen Tritt in den Bauch, sodass dieser sich krümmte. Legolas nutzte die Gelegenheit und schlug dem Orc mit einem Holzbalken auf den Kopf.
Er kippte um wie ein gefällter Baum.
Keuchend blickte ich auf.
Der Elb sah mich entgeistert an.
"Bist du jetzt größenwahnsinnig geworden? Ich dachte, wir wollten zusammen angreifen und du stürmst wie eine Verrückt einfach drauf zu!"
Beschämt trat ich von einem Fuß auf den anderen.
"Tut mit leid....es ist doch nichts passiert...."
"Es hätte aber etwas passieren können!",meinte Legolas kopfschüttelnd.
"Naja, wenigstens habe wir erreicht, was wir wollten.",fügte er lächelnd hinzu.
Ich seufzte erleichtert.
Legolas war nicht all zu sauer, das war doch schon mal etwas.
Wir fesselten den Großorc gründlich und kippten ihm dann einen Eimer Wasser über sein Gesicht, damit er wieder zu sich kam.
Blinzelten öffnete er seine Augen und verzog seinen Mund zu einem höhnischen Grinsen, als er uns erkannte.
"Es gibt für dich überhaupt keinen Grund zum Lachen, Widerling!",rief Legolas.
Herausfordernd verschränkte ich meine Arme und stellte mich neben ihn.
"Legolas, der dreckige Prinz, und das kleine Mädchen aus Gondor, wie schön euch wieder zu sehen! ",grölte der Großorc.
Legolas verengte die Augen und zischte:"Du brauchst gar nicht so überheblich tun! Wir haben dich in unserer Gewalt, hast du das noch nicht bemerkt?"
"Dann tötete mich doch! Oder warum seid ihr gekommen?"
Rasch zog ich mein Messer wieder hervor und drückte es an seine Kehle.
Werden wir doch mal sehen, wer hier zuletzt lacht.
"Wir benötigen nur ein paar Auskünfte, mehr nicht.",betonte ich gespielt freundlich.
Der Großorc brach in schallendes Gelächter aus. Verwirrt sah ich zu Legolas, der ungeduldig mit dem Fuß aufstampfte."Und was, wenn ich euch keine Auskünfte gebe? Dann tötet ihr mich, nicht wahr?"
"Das werden wir so oder so tun! Denn wenn du tot bist, werdet ihr euren Plan nicht mehr ausführen können, da du niemandem davon erzählt hast!",rief ich triumphierend.
Ich war mir meiner Sache so sicher.
"Du magst zwar recht schlau sein, aber da hast du einen Denkfehler gemacht, kleines Hexenmädchen!",meinte der Orc grinsend.
Wie ein Blitz schoss Legolas und drückte sein Messer gegen die Schläfe des Widerlings, sein Gesicht wutverzerrt.
"Nenn sie nie wieder so, Scheusal!",brüllte der Elb.
Der Großorc sah ihn unbeeindruckt an.
Ich dagegen war überwältigt von der Tatsache, dass sich Legolas so über diese Beleidigung aufregte. Schließlich war das hier nur ein Orc...
"Aber es stimmt doch. Sie ist eine Nachfahrin von Galadriel, dieser erbärmlichen Elbenhexe. Tu nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich hier rede, Elbling! Ihr habt ihre Macht ausgenutzt, um mich auszuspionieren! Doch von mir erfahrt ihr nichts!"
Kochend vor Zorn wich Legolas zurück.
"Sie ist keine Hexe...",flüsterte er."Legolas, was....",fragte ich verständnislos.
Ich verstand gar nichts mehr. Aber vielleicht war das auch besser so.
"Ihr werdet alle sterben! Elben, Menschen, Zwerge! Im Waldlandreich wird es beginnen und der Sturm wird nicht ehr enden, bis alle freien Völker Mittelerdes vernichtet sind!",rief der Großorc.
Meine Klinge bohrte sich noch etwas weiter in seinen Hals, doch meine Hand zitterte vor Angst.
Doch dieses Scheusal vor uns war noch lange nicht fertig mit seiner Reden. Er schien es zu genießen, trotz Messer an seinem Hals.
"Grolmor verkündet meine Plan gerade in der großen Halle. Bald wird jeder Orc davon wissen und ihr könnt nichts mehr tun. Macht euch auf den Tod gefasst! Und du:",er deutete auf Legolas.
"Grüß mir deine Mutter im Reich der Toten, wenn du dort bist. Die wunderschöne Ithilwen! Falls du es noch nicht wusstest: Ich habe sie getötet, habe sie zerdrück wie Ungeziefer, dieses vorlaute Elbenweib!",höhnte er.Ich wünschte, ich hätte ihm die Kehle durchgeschnitten, bevor er diese Worte ausgesprochen hätte.
Doch er hatte sie ausgesprochen und man konnte sich nicht mehr zurück nehmen.Verängstigt sah ich zu Legolas.
Seine Augen waren aufgerissen, Tränen liefen seine Wange hinunter, seine Hände ballten sich zu Fäusten.
"Legolas! Nicht....!",schrie ich.
Doch es war schon zu spät.
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Ismene
FanfictionWohlhabend, umsorgt und geliebt. Das ist die junge Ismene aus Gondor, Tochter des berühmten König Aragorn. Um die Verwandlung zur Elbin zu überstehen, schicken ihre Eltern Ismene zu einem alten Freund. Legolas. Doch während das Mädchen anfängt den D...