9.Kapitel Überfall

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Langsam erwachte ich aus meinem tiefen Schlaf. Meine Glieder schmerzten auf dem harten Boden, ich lag neben der Decke, nah an die Plane gedrückt in der Dunkelheit. Meine Zudecke war um mich gewickelt, als hatte mich jemand verpacken wollen. Ich blinzelte mir den Schlaf aus den Augen, die Vögel zwitscherten bereits, draußen im Lager. Verschlafen setzte ich mich auf und zog die Decke von mir herunter. Neben mir lag die ursprüngliche Wolldecke, sie war aufgewühlt. Ich dachte mir zunächst nichts dabei, weshalb ich am anderen Ende des Zeltes aufgewacht war, als ich rote Tropfen neben mir auf der Decke bemerkte. Mein Herz schlug schneller und ich näherte mich den auffälligen, roten Punkten um sie näher zu betrachten. Blut, schloss ich schließlich daraus, als ich weitere rote Flecken auf dem Boden fande. Mein Puls verschnellerte sich, war das Clintchs Blut? Doch als ich meinen Kopf hob entdeckte ich eine Leiche. Ich schrak zurück. Es war ein Mann, aus seiner Brust ragte ein Messer heraus. Sein Blut war bereits getrocknet, er musste schon länger hier liegen. Was war hier geschehen, fragte ich mich und bemerkte plötzlich das das Lager ungewöhnlich still war. Ich sprang aus dem Zelt, doch das Lager war verlassen. Einige Zelte waren zerrupft, an manchen Grashalmen hingen Tropfen roten Blutes. Es hatte einen Überfall gegeben, dachte ich bestürzt, wer war es gewesen? War das Jack Garrett? ,,Hallo?", fragte ich sacht in den Wind, doch keiner antwortete mir. Plötzlich bekam ich Angst. Ich war ganz allein in diesem Lager. Hier war keine Amanda, keine Sindy und kein Clintch. Was soll ich nun tun? Mit einer leichten Panik blickte ich in jedes Zelt, voller Hoffnung jemanden zu finden. Und ich fande jemanden. Doch es war nicht das, was ich mir erhoffte. Ich fand eine weitere Leiche. Mein Herz pumpte und ich hielt mir die Hand vor den Mund um nicht zu schreien. Albert starrte mich mit leeren, bleichen Augen an, aus seinem halb geöffneten Mund schlängelte sich ein Rinnsal Blut hinab und in seiner Brust klaffte ein Loch. Mein Herz verkrampfte sich, wenn ich an Amanda dachte. Es tut mir Leid. Ich schluchzte entsetzt und fiel auf die Knie. Es tut mir so Leid, Amanda! Ich fasste mir an die Stirn, meine Nasenflügel zitterten. Ich musste ihnen helfen! Ich entnahm Albert seinen Revolver und steckte ihn mir an den Gürtel, ehe ich mich auf die Suche nach meinem Pferd machte. Durch Jim wusste ich wo sich ihr Lager befand, ich konnte mir jedoch nicht sicher sein ob er die Wahrheit gesagt hatte, oder ob sich Clintch und die anderen dort befanden, aber einen anderen Anhaltspunkt hatte ich nicht. Ich fand meinen Appaloosa außerhalb des Lagers, leicht verstört und nervös, trabte er unbeholfen über die Steine. Ich brauchte eine Weile um ihn zu beruhigen, dann sprang ich auf seinen Rücken und schlug die Richtung ein die Jim mir gesagt hatte. Ihr Lager hatten sie in einem großen Fichtenwald, mit einem Aussichtsturm an jeder Ecke. Sie befanden sich süd-westlich von uns und ich schlug diese Richtung ein. Mich juckte es unter der Haut und irgendwann trieb ich meinen Hengst zum Gallopp an, wer wusste schon wie sehr die Gesetzlosen momentan in der Klemme steckten. Als ich den Fichtenwald erreichte suchte ich wachsam nach den Türmen die Jim mir beschrieben hatte. Die Stämme knarzten weit oben, unheimlich im Wind. Ich umrundete einen Brombeerbusch und entdeckte zwischen den Bäumen den Turm. Ich stieg von meinem Pferd ab und näherte mich ihm vorsichtig. Kleine Hütten standen neben den Türmen um einen Platz herum, mit einer Feuerstelle. Ich befand mich bereits an den Stützen des Turmes und spähte auf den Platz. Um einen Pfosten herum, hockten die Gesetzlosen, die Hände hinter dem Rücken gebunden. Ein anderer Mann, den ich nicht kannte, lief bedächtige Kreise um sie herum. Die beobachtenden Männer richteten alle ihre Waffen auf sie. Ich schluckte meine Angst herunter. Und bestieg die Leiter zum Turm. Wie erwartet stand dort oben ein Wächter. Doch er blickte auf den Hof und sah mich nicht kommen. Flink packte ich seinen Kopf, drückte meine Hand auf seinen Mund, zog ihn nach hinten und zerschnitt ihm lautlos mit einem Messer die Kehle. Behutsam legte ich ihn auf den Boden des Turms und entnahm ihm sein Gewehr. Ich späte über das Geländer hinab, dort war der Fremde bei einem Mann stehen geblieben. Er hockte dort, finster wie ein Riese, ich konnte ihn bis hier oben knurren hören. ,,Es nützt dir nichts mehr, Clintch.", sagte der Mann gerade spottend, ,, Du stehst an der Schwelle des Todes. Wie hättest du es lieber? Soll ich dir in den Kopf schießen oder ins Herz?" Die Männer lachten. Ich sah Gustav, wie er ihnen böse Blicke zuwarf, doch er konnte sich nicht rühren. Der Fremde richtete die Waffe auf Clintchs Kopf. Ich legte ebenfalls das Gewehr an und zielte. Ich erinnerte mich an alle Lektionen und Lehren die mir Clintch zuvor beigebracht hatte. War das Jack Garrett? Doch ich dachte nicht lange darüber nach, wer das sein möge, als sich seine Hand am Abzug verkrampfte, drückte ich zuerst ab. Der Schuss hallte laut wieder, wie ein Echo. Schnell zog ich das Gewehr wieder ein. Durch den Stoß schlug der leblose Körper des Fremden, hart auf dem Boden auf. Blut sammelte sich um seinen Kopf herum. Ein jeder blickte in meine Richtung, doch ich versteckte mich hinter dem Geländer und drückte mich dagegen. Als jemand vom Nachbarturm die Leiter hinaufkrackselte um nachzusehen wer da geschossen hatte. Doch als er gerade vor mir auftauchte, schoss ich auch ihm blitzschnell in die Brust, rücklinks fiel er die Leiter wieder hinab. Erschrecktes Gemurmel machte sich unter den fremden Männern breit und meine Gesetzlosen blickten sich verwundert an. Ich musste runter von dem Turm ohne das man mich sah. Ich hangelte mich bis zur Hälfte der Leiter und huschte auf eine nahegelegene Fichte. Die Hälfte der Fremden umrundeten nun den Turm und stiegen hinauf, die Waffe ausgestreckt, bereit auf alles zu schießen was sich bewegte. Doch ich war nicht mehr dort. Ich war in den tieferen Wald geflüchtet und schoss von einiger Entfernung, zwei Fremde vom Turm. Nun waren alle anderen in Alarmbereitschaft. Ich huschte flink von Baum zu Baum und drückte mich an die Wand der Hütte. Doch als ich um die Ecke schlüpfte, lief ich geradewegs in die Arme eines Fremden. Er packte mich und zog meine Hände auf den Rücken. ,,Hab ich dich, Göre!", zischte er und zog mich auf den Hof. ,,Ich habe die Unruhestiefterin, Bill!", rief er zu seinem Kameraden und schubste mich barsch zu den anderen. Gustav, John, Karl, Frank, Herbert, Michah und Clintch sahen mich verwundert an. Amanda, Sindy, Becky und Grace waren nicht bei ihnen. Ich versuchte mich aus dem griff des Mannes zu befreien, doch es war zwecklos. Plötzlich hielt er mir den Lauf der Pistole an den Kopf. Der soeben genannte Bill, kam auf uns zu und hielt auch seine Pistole auf die Gesetzlosen. ,,Nun sind die Spielchen vorbei.", grummelte er und bedachte die Leiche neben sich, mit einem kurzen Seitenblick, ,,Jack erwartet das ihr alle heute Abend tot seit und wir wollen ihn ja nicht länger warten lassen." Ein kurzes Grinsen huschte über Bill's Gedicht, doch Clintch blieb ruhig. So ruhig das es mich zum Nachdenken brachte. Ich runzelte die Stirn und bemerkte, mit einem unauffälligen Blick, das die Gesetzlosen gegenseitig etwas herum gaben. Wenn du auf Clintch's Seite stehst, wirst du leben, vielleicht ist ja doch etwas an Amanda's Rat dran. Denn Clintch hatte noch ein Ass im Ärmel und schüttelte ihn sich wortwörtlich heraus. Seine Hände waren gebunden, doch das kleine Messer in seinem Ärmel bekam er trotzdem zu fassen. Er hobelte damit solange an seinen Fesseln herum, bis sie rissen. Durch meine Aktion hatte ich ihnen noch weitere Zeit verschafft und Clintch gab das Messer an Gustav weiter. So ging es die Reihe herum. Johns Blick fiel plötzlich auf die Tür einer Hütte, als Schreie daraus ertönten. Amanda stürzte sich heraus und schoss dem Mann der mich festhielt, in den Rücken. Er ging zu Boden. Clintch war aufgesprungen, schnappte sich den Revolver der Leiche und erschoss Bill, schneller als der Blitz. Auch die anderen hatten sich urplötzlich erhoben und schossen auf ihre Rivalen, solange bis keiner mehr von ihnen auf ihren Beinen standen.
Mein Herz machte einen Satz. Clintch nickte mir nur kurz zu, ein Nicken voller Akzeptanz. ,,Durchsucht die Hütten und die Leichen.", rief er den anderen zu. Doch diese machten sich bereits daran die Leichen umzudrehen und in ihren Taschen zu wühlen. ,,Gut geschossen.", lobte John mich und beugte sich zu dem Typen herunter, den ich zuerst erschossen hatte. ,,Danke.", antwortete ich und lächelte leicht, aber konnte man darauf wirklich stolz sein?
Während die Männer suchten, nahm ich Amanda in den Arm. Sie hatte begonnen zu weinen, sie wusste bereits das ihr Mann tot war, ich hatte es ihr nicht sagen müssen. Als wir zurück zum Lager ritten bedauerten sie alle Albert's tot, indem sie schwiegen. Doch dann brach Karl das Schweigen, als er fragte:,, Woher wussten die überhaupt wo wir unser Lager hatten?" Er klang frustriert. Ich presste meine Lippen zu einer Linie zusammen. Es hätte ihnen nur einer verraten können, nämlich Jim Cartwright. Und dieser wusste es einzig und allein von mir. Ich macht mich auf meinem Pferd unmerklich klein. Schuld nagte an mir wie Ratten. Clintch warf mir einen scharfen Blick zu. Ich wusste das er es wusste. Doch er sagte nur:,, Ich weiß es nicht." Ich biss mir auf die Unterlippe und sah weg. Lügner, dachte ich und konnte ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen dann doch nicht verhindern.

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