14.Kapitel Wie du mir so ich dir

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Eine rasche Bewegung, neben mir, weckte mich aus dem Schlaf. Ich spürte schwach Clintchs Körper, wie er sich langsam von mir entzog. Ich rührte mich und öffnete leicht die Augen. ,,Clintch.", flüsterte ich und versuchte nach ihm zu greifen, bekam ihn aber nicht zu fassen. Er drehte sich zu mir zurück und schaute mich in der Dunkelheit an. Auch ich richtete meinen Blick auf ihn, ohne den Kopf zu heben und so schauten wir uns einige Sekunden schweigend an. Seine dunklen Augen glitzerten schwach im Finstern und plötzlich bemerkte ich, wie er seinen Mund schmerzhaft verzog. Ich schreckte hoch. Hatte er Schmerzen? Ich griff nach seiner großen Hand, die auf dem kalten Holzboden ruhte und sah ihm ernsthaft in die Augen. ,,Hast du Schmerzen? Wie geht es deiner Schulter?", fragte ich ihn leise und dachte mit Schrecken an die Nacht zurück, in der Jim ihn in die Schulter geschossen hatte. Konnte es nicht richtig verheilen? War es das, das ihm schmerzen bereitete? ,,Soll ich Amanda holen? Clintch, du kannst mit mir reden wenn irgendwas ist." Mit großen Augen schaute ich ihn an. ,,Es ist nichts.", gestand er schließlich leise und beugte sich zu mir vor. Ich spürte seine kalte Wange an meiner, als er mir ins Ohr flüsterte:,, Ich mache mir nur Sorgen." Im Nachbarraum hörte ich Grace und Frank leise miteinander tuscheln, der Wind pfiff durch die Lücken der Hütte. Ich strich Clintch beruhigend mit der Hand über die Wange, wanderte an seinem Hals entlang und blieb an seiner linken Schulter stehen. ,,Ich mache mir auch Sorgen.", verriet ich, ,,Du sagst mir doch wenn du etwas hast?" Ich sah ihn fragend an. Doch meine Frage war besonders auf seine Schusswunde bezogen. Er würde mir doch sagen wenn etwas nicht stimmte, oder er medizinische Fachhilfe benötigte? Er verstand meine Aussage, denn er ließ von mir ab und brummte leise:,, Es wird schon." Er entzog seine Hand aus meiner, streckte den Arm aus und schlug den Kragen seines eigenen Mantels nach oben. ,, Schlaf noch ein bisschen. Ich gehe heute mit John jagen, das Fleisch geht uns zur neige, wie Frank es bereits vorausgesagt hat." Meine Mundwinkel wanderten herab. ,,Viel Erfolg.", murmelte ich leise, mein Herz verengte sich als Clintch sich von mir entfernte. Er stand auf und verließ die Hütte, verließ mich und ließ mich allein, in der Düsternis sitzen. Mit meinen eigenen Gedanken allein, überkam mich eine erneute Traurigkeit. Ich lauschte Franks und Graces leisem Getuschel durch die dünnen Wände, legte mich wieder hin und rollte mich zusammen. Plötzlich fühlte ich mich schrecklich einsam. Ich begann zu zittern und blieb so gefühlte Stunden liegen, doch irgendwann musste ich doch wieder eingeschlafen sein.

Als ich wieder aufwachte, schien die Sonne bereits. Auf Clintchs Mantel lag Frost. Ich erhob mich steif und stakste müde aus der Hütte. Der Schneesturm hatte nachgelassen, doch die Kälte war dennoch hart. Amanda saß am brennenden Feuer unter dem Unterstand, Grace und Becky saßen neben ihr. Gustav stand mit Karl, auf der Veranda von einen der Hütten und unterhielt sich leise mit ihm. Ich überquerte die Siedlung und gesellte mich zu den anderen Frauen. Ansonsten war keiner der Gesetzlosen zu sehen, alle anderen waren offenbar im Wald. Als ich zu Amanda, Becky und Grace trat, waren die Gesichter der Frauen von Sorge durchzogen. Ich setzte mich neben Amanda und sie reichte mir, ohne einer Aufforderung, eine Schüssel heißer Brühe. Ich sah die drei fragend an. ,,Was ist denn los?", fragte ich schließlich. ,,Siehst du das Wetter?", entgegnete Becky fragend, ,,Der Himmel ist aufgeklärt.", sie seufzte schwer, ,,aber wir können trotzdem nicht hier weg." ,,Warum nicht?" Grace drückte ihre Tochter gegen sich und wickelte die warmen Decken enger um sie. ,,Der Herbert hatte diese Nacht schweres Fieber.", murmelte sie und betrachtete die rosarote Nasenspitze ihrer Tochter. ,,Der Alte hat ein schwaches Immunsystem. Wir können nicht reisen, wenn er krank ist, das wird er nicht überleben. Wir müssen warten bis es ihm ein wenig besser geht.", Amanda klang frustriert, doch die Sorge der drei Frauen war nicht zu übersehen. Ich versank im andächtigen Schweigen. Der erste der von uns gegangen war, war Albert gewesen. Wenn Herbert sich nun auch von uns verabschiedete, wurde unsere Bande immer kleiner und wir hätten keinen mehr der uns Geschichten am Lagerfeuer erzählen konnte. Ich stieß die Luft aus und schlürfte an meiner Brühe. Weiße Schneeflocken tänzelten herab und eine halbe Stunde verstrich. Hin und wieder verschwand Amanda in der Hütte, um nach dem kranken Herbert zu sehen und Becky beschwerte sich fortlaufend, das uns das Essen ausging und die Jäger erfolglos blieben. Plötzlich hörte man Karl, wie er einen anerkennenden Pfiff ausstieß und Clintch stapfte auf uns zu. Einen weißen Hasen hielt er an seinen Hinterläufen, der helle Körper baumelte schlaff herab. Er legte seinen Fang Becky auf den Tisch. ,,Davon werden wir nicht satt.", bemerkte Becky frustriert und starrte auf den kläglichen Hasen. ,,Nun, die Rehe laufen einem nun mal nicht in die Arme und hier müssen wir sie uns mit den Wölfen teilen.", entgegnete Clintch etwas barsch, doch Becky beachtete ihn nicht weiter und kümmerte sich stattdessen um das tote Tier. ,,Weist du ob John heute Erfolg hatte?", fragte Amanda ihn und sah ihn hoffnungsvoll an. Jedoch zuckte Clintch nur mit den Schultern. Ich ließ den Blick sinken. Er hat schlechte Laune, dachte ich im Stillen und überlegte woher das kommen könnte. ,,Wir können nicht lange hier bleiben, Clintch. Sobald das Fieber von Herbert ein wenig gesunken ist, müssen wir aufbrechen.", Amandas Stimme war kräftig und laut, trotz der miesen Stimmung die Clintch zeigte. Dieser grummelte nur und starrte in die Ferne. ,,Ich weiß."
Plötzlich hörte man laute, tiefe Stimmen und ich zuckte leicht zusammen. Ich lehnte mich zur Seite, um über die Ecke der Hütte zu lucken und zu schauen was dort los war. Clintch tat es mir gleich. Mein Herz blieb vor Schreck, für ein paar Sekunden stehen. John und Frank, waren zur Siedlung zurückgekehrt, doch die erhoffte Beute brachten sie nicht mit. Sie stießen jemand anders vor sich her. Jemanden, den ich in der Nacht zuvor verraten hatte und der nun in diesem Moment zu seinen Heiligen beten sollte, wenn er gleich, in den nächsten Sekunden, vor einen schlechtgelaunten Clintch treten musste. Ich schluckte. Jim Cartwright. Sein schwarzes Haar war zerzaust. ,,Schaut euch an, wen wir beim herumschleichen erwischt haben!", rief John laut und stieß Jim hart in den Schnee. Ich sah wie Gustav kampfbereit die Waffe auf ihn richtete. Mein Puls schlug höher. Ich wollte nicht das man ihn erschoss. Clintch trat vor und stellte sich vor Jim in den Schnee. Ich stand auf und kam einige Schritte auf ihn zu, doch blieb in sicherer Entfernung stehen. Auch Amanda, Grace und Becky, hatten ihre Aufmerksamkeit nun Jim zugewandt. Dieser hob den Kopf nur leicht, er sah mich nicht an. Da streckte Clintch plötzlich den Arm aus und zielte mit seinem Revolver auf ihn. Panik kam in mir hoch und für einige Sekunden überlegte ich, ob ich dazwischen gehen sollte, doch da drückte er schon ab. Jim stöhnte und ließ den Kopf wieder sinken. Clintch hatte ihm in die linke Schulter geschossen. Blut tropfte auf den weißen Schnee. Mit Schrecken versetzte es mich in die Nacht zurück, als Jim Clintch in die linke Schulter geschossen hatte und sein rotes Blut sich auf dem Schnee verteilte. Doch ich sah Clintch an, das er nicht zufrieden war. Wütend verzog er das grimmige Gesicht und mit einer festen Hand schlug er ihm ins Gesicht. Durch die Wucht fiel Jim zur Seite, keuchte kurz schmerzverzerrt und blieb im Schnee liegen. Schuld brannte in meiner Brust. Versuchte sich Clintch gerade zu rächen? Und wenn ja, war dieser Schlag eben, der dem ich ihm einst gegeben hatte? Mein Herz zog sich ängstlich zusammen. War er mir deswegen etwa noch böse? Ich hörte Jim leise stöhnen, da beugte sich Clintch zu ihm herab und stützte sich an seinem Bein ab, den er mit all seinem Gewicht auf Jims linke Schulter drückte. Jim schrie auf. Ich schloss die Augen. Clintch packte die Haare Jims und zog seinen Kopf so weit nach oben, wie es möglich war. ,,Nein, mein Lieber.", murmelte er bedrohlich leise, ,,So schnell bin ich mit dir nicht fertig. Du hast dir dein eigenes Grab geschaufelt, Cartwright.", er hielt kurz inne, dann brüllte er plötzlich los, ,,Schau mich an wenn ich mit dir rede!" Clintch schüttelte Jim heftig und er zwang seine Augen dazu, sich ein Stück weit zu öffnen. Clintch fuhr fort:,, Was du mir angetan hast, werde ich dir antun und ich kann es auch verdoppeln." Ein gefährliches Glitzern blinkte in Clintchs dunklen Augen. Mein Herz schlug schneller vor Angst. Er war immer noch wütend. ,,Dein schreckliches Ego kann ich bis hier herunter riechen...", keuchte Jim leise, seine Augen blickten schwach, ,,Du bist ein ewiger Teufelskreis. Ich habe mich an dir gerächt und nun willst du dich an mir für meine Rache rächen. Ist das nicht ironisch?" Ein leichtes gehässiges Lächeln umspielte Jims Lippen. Doch Clintch war gar nicht für Späße zumute, er schlug Jim zurück in den Schnee und ließ von ihm ab. Er drehte sich von ihm weg. ,,Bringt ihn in eine der Hütten.", grummelte er finster, ,, und kümmert euch um seine Wunde, er soll uns nicht verbluten." Gustav und Frank gehorchten schweigend, packten sich den armen Jim und trugen ihn in eine der Hütten. ,,Was hast du dir bitte dabei gedacht!", hörte ich Amanda hinter mir schimpfen, ,,Jetzt haben wir noch ein Maul zu stopfen und einen zweiten um den man sich kümmern muss!" Sie stemmte die Hände in die Hüften. ,,Wenn das so weiter geht müssen wir noch einen unserer Pferde essen!" Ich drehte mich erschrocken zu ihr um. Für einen kurzen Moment glaube ich schon, Clintch würde sich ebenfalls auf sie stürzen, doch er wandte nur den Blick von ihr ab und murmelte, halb zu sich selbst:,, Wir bleiben nicht lange." Amanda seufzte langgezogen und wandte sich wieder der Feuerstelle zu. Ein Knoten steckte in meinem Hals. Hatte er sich auch an mir rächen wollen? ,,Clintch..", wisperte ich leise, gerade als er wieder umdrehen wollte. Ich bezweifelte das er mich gehört hatte, doch er verharrte und unsere Blicke begegneten sich. Der Wind fuhr kalt durch den Stoff des Mantels und blähte ihn auf. Die Schneeflocken vermehrten sich und plötzlich wurden sie zu harten Kristallen, die der Wind auf die Erde schleuderte. Clintch sagte nichts, er führte mich stattdessen, in die Enge zweier Hütten, um uns vor dem herannahenden Sturm und neugierigen Ohren zu schützen. ,,Was ist los?", fragte er mich, mit einer solchen plötzlichen Ruhe, das ich mich fragte, ob ich das Geschehnis von gerade eben nur geträumt hatte. Verunsichert schaute ich auf meine Finger herab und dachte angestrengt über die passenden Worte nach. ,,Du... Ich...", stotterte ich anhangslos und verstummte kurz wieder. Clintch hörte mir aufmerksam zu und zog die Augenbrauen fragwürdig zusammen. ,,Du...", ich riss mich zusammen, ,,Du.. hast Jim das gegeben das er dir gab.... Ich hatte dich geschlagen.. Bist du mir deswegen böse?" Clintch hatte mich schon einmal geschlagen, was könnte ihn davon abhalten es ein zweites Mal zu tun? Hier und jetzt, ich senkte meinen Blick, ich traute mich nicht ihm in die dunklen, steinigen Augen zu sehen. In jeder Sekunde die verstrich erwartete ich ängstlich seine große, feste Hand, doch sie kam nicht. Stattdessen betrachtete er mich eine Weile, beugte sich dann aber zu mir vor und plötzlich berührte er mit seinen Lippen meine. Er küsste mich sanft und langsam, wie wenn man die Zeit, an einen Punkt immer wieder zurück spulte. Mein Herz pulsierte und plötzlich spürte ich die Kälte nicht mehr. Er ließ von mir ab, doch er behielt sein Gesicht an  meinem, drückte seine Wange an meine und flüsterte mir leise ins Ohr:,, Ich habe dir bereits verziehen." Ich stieß die angehaltene Luft aus. Ich hätte Ewig so mit ihm dastehen können, in der Enge zwischen den beiden Hütten. Doch er richtete sich wieder auf und seine Augen waren wieder mit einer solchen Weichheit gefüllt, das mich alles Barsche, Grimmige und Finstere an ihm, vergessen ließ. Ich verlor mich in seinem dunklen Blick. Ich hatte den Mund noch halb geöffnet und konnte nicht glauben, das er mich soeben geküsst hatte. Gerne hätte ich ihn ein weiteres Mal geküsst, nur um sicherzustellen das das zuvor wirklich passiert war. Doch dazu kam es nicht. Denn plötzlich Lächelte er. Der brutale, gnadenlose Bandenanführer Clintch McKay lächelte, nur ganz leicht. So leicht, das ich beim zweiten Blick glaubte, er hätte gar nicht gelächelt. Doch er hatte gelächelt, es war ihm wohl einfach herausgerutscht. Doch dieses Lächeln hatte ich zu verdanken, das ich mich auf ewig in ihm verlor.

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