Die Regentropfen fielen auf meinen Hut und sammelten sich in seiner Auswölbung. Sie benetzten meine Schultern und tropften auf meine Nase, als ich in den Garten hinaus trat. Er war schön angelegt. Die grüne Wiese saftig. Tulpen und Margeriten wechselten sich in ihrer Schönheit ab. Ich entdeckte einen großen Busch Lavendel. Einige Pfirsichbäume hatten hier ihre Wurzeln geschlagen und eine Weinrebe kletterte die Hauswand hinauf. Aber die schönen Blumen ließen ihre bunten Blätter hängen, sie konnten die schwere der Regentropfen nicht halten, jedoch waren sie nicht die einzigen in diesem Garten die ihre Blätter hängen ließen. Auf einer Bank, inmitten des Gartens, sah ich den breiten Rücken eines Riesen. Die Regentropfen hatten ihre Spuren auf seinem dunkelbraunen Mantel hinterlassen, dann wird er jetzt vielleicht endlich mal sauber, dachte ich und ein mulmiges Gefühl beschlich mich. Seit zwei Wochen blieb Clintch mir fern, erst nach dem Tod eines treuen Kameraden, zeigte er sich. Das letzte Mal als ich ihn gesehen hatte, schoss er meinem Vater ein Loch in die Brust. Damals war er beängstigend und grausam und selbst jetzt fürchtete ich mich noch vor ihm, obwohl er nur auf einer Bank saß, obwohl er mich nicht einmal ansah. Doch ich fürchtete mich vor dem was passieren wird, wie es mit uns weitergehen wird. Der Regen ließ langsam nach, als ich mich mit vorsichtigen Schritten der Bank näherte. Der Riese rührte sich nicht, als würde er schlafen. Es schien als wüsste er nicht das ich hier war, als wüsste er nicht einmal das er auf dieser Bank im Garten saß. Aber ich wusste das er mich bemerkte. Schüchtern setzte ich mich schweigend neben ihn, ich wusste nicht was ich sagen sollte. Nach allem was passiert war, blieben mir die Worte im Hals stecken, darum herrschte eine angenehme Stille über uns für lange Zeit und ich entspannte mich ein wenig. Ich lauschte den leisen Regentropfen die auf der Bank, den Blättern der Bäume und Blumen und auf dem Gras ihren eigenen Rhythmus trommelten und so ein eigenes Orchester erschufen. Inmitten dieses Orchesters saßen Clintch und ich und lauschten den Klängen der Natur.
Bis er plötzlich die Stimme erhob und mich aus meinen Gedanken scheuchte. Ich war so überrascht, das ich kurz zusammenzuckte, ich hatte nicht erwartet das er als erster sprechen würde, ich hatte geglaubt ich müsse den Anfang machen.
,,Er hatte nur einen einzigen Wunsch.", murmelte Clintch, die Stirn in seine Hände gestützt, ohne mich anzusehen, ,,Es war nicht nur ein Wunsch, sondern auch ein Geheimniss. Ein Geheimniss das er nur mir anvertraute und bei dem ich mir nicht sicher bin, ob es überhaupt wahr ist." Er redet von Gustav, stellte ich schließlich fest und hörte Clintch aufmerksam zu, ohne ein Geräusch zu machen.
,,Er erzählte mir das er in Wahrheit nicht nur die Bande als Familie auf dieser Welt hatte. Während unserer Reise durch den Westen, hinterließ er viele Söhne und Töchter, jedes von einer anderen Frau. Aber als die Frauen erfuhren das sie Schwanger waren, schickten sie ihn fort. Sie sagten, er währe ein schlechter Einfluss für das Kind und sie ließen ihn nicht mehr in ihre Nähe.", Clintch verstummte kurz und hielt für ein paar Sekunden inne, ehe er fortfuhr:,, Gustav verriet mir, vor seinem Tod, da wolle er wenigstens eines seiner Kinder sehen und wenn es nur von weiter Ferne sei. Wenn er es zumindest einmal sehen konnte, das würde ihm genügen." Clintch stieß schwer die Luft aus. ,,Nun ist sein Wunsch mit ihm gestorben, ohne das er sich jemals erfüllt hat. Und wer trägt die Schuld?" Clintchs Stimme wurde vorwurfsvoll, einen zornigen Unterton hörte ich heraus. Er beantwortete seine Frage selbst:,, Dieser egoistische Vollidiot, der wie ein blinder, tollwütiger Köter vorgestürmt ist, ohne auch nur einmal nachzudenken. Der seiner Wut und seinem Rachedurst mehr vertraute als seiner inneren Stimme." Clintch spuckte seine Worte förmlich aus dem Mund. Seine Stimme wurde von Wort zu Wort zorniger, beängstigender. In ihm brodelte es, ich konnte seine Wut und seinen Hass spüren, auf sich selbst und auf alles um sich herum. Eine Hitze stieg von ihm auf, das meine Haare aufstellen ließ. Er bekam diese Wut nicht erst vor kurzem, er trug sie schon sein Leben lang mit sich herum, ich konnte seine Intensität spüren, allein weil ich neben ihm saß. Ich streckte die Hand aus und ergriff die seine, legte sie in meine Hände und suchte seinen Blick, doch er wich mir aus. ,,Clintch, was geschehen ist, ist geschehen, du kannst es nicht rückgängig machen. Vielleicht war es Falsch, vielleicht war es ein Fehler, aber jetzt ist es vorbei, jetzt können wir neu anfangen, etwas neues erbauen.", ich redete mit eindringlichem Ton auf ihn ein, beugte mich zu ihm vor und wollte das er mir in die Augen sah. Doch er wich meinem Blick aus, drehte sich von mir weg und widersprach:,, Es ist gar nichts vorbei! Wir können nichts aufbauen, wenn es nichts zum aufbauen gibt! Es war alles umsonst, alles hinüber!" Ich drückte seine Hand fester und stand auf, nur um mich anschließend vor ihm wieder niederzuknien. ,,Was redest du denn da, Clintch?", fragte ich ihn währenddessen und packte seine zweite Hand. Nun hielt ich beide seiner großen Hände in den Händen und sah ihn streng an. Auch wenn ich mich nun mindestens einen ganzen Kopf unter seinem befand, schaffte er es immer noch irgendwie sein Gesicht vor mir zu verstecken. Ich krallte meine Finger in seine Handflächen und befahl ihm:,, Sieh mich an." Er hob nur langsam den Kopf und seine dunklen Augen trafen endlich die meinen. In ihrer finsteren Tiefe erkannte ich Trauer und Schmerz, die sich zusammenwickelten wie ein Ball Wolle. Doch vor diesen beiden positionierte sich eine unerschütterliche Gestalt. Sie hatte ihre Wurzeln tief verankert und schien unüberwindlich, die Gestalt der Wut. Trotzdem hatten es Trauer und Schmerz geschafft eine Nachricht an die Außenwelt zu senden, vorbei an der Wut, und eine einzelne Träne rollte ihm die Wange hinab. Mein Herz setzte für einige Sekunden aus und ich starrte der Träne hinterher, die sich langsam über sein Gesicht zog. Ein Tropfen voll Gefühl. Clintch weint...? Ich musste Schlucken um aus meiner Starre zu erwachen und ich lockerte meinen Griff an seinen Händen. ,,Hör zu.", murmelte ich, mit einer sanfteren Stimme als zuvor, ,,Du kannst nicht mehr ändern was geschehen ist, ganz gleich wie sehr du dich selbst verfluchst. Man kann dich und dein Verhalten verstehen, Clintch. Schließlich hast du schon frühzeitig deinen Vater verloren und das du auf diese schreckliche Weise erfahren musstest wer sein Mörder war, tut mir Leid. Du hast einfach aus Gefühl gehandelt und das ist okay." ,,Das entschuldigt nichts.", brummte der Bär. ,,Doch.", widersprach ich, ,,Es beweist das du nicht kopflos gehandelt hast. Du hast dich von Gefühlen überrennen lassen, die selbstverständlich sind.", ich atmete tief ein und aus und zwang mich zu meinen nächsten Worten, ,,Du hast getan, was du tun musstest, Clintch. Für dich und für niemand anderen. Um einen Abschluss zu finden." Da stand Clintch plötzlich ruckartig auf, ich musste zurückweichen um von ihm nicht umgestoßen zu werden. ,,Das sind alles Ausreden!", rief er aus und fuchtelte mit den Armen, ,,Die kannst du gerne dem Staat oder sonstwem erzählen, aber nicht mir!" Er stapfte um die Bank herum, erneut loderte die Wut in ihm und spieh ihre Flammen in jede kleinste Ader. Ich stand auf, er ließ mich aber nicht zu Wort kommen:,,Ich habe keinen Abschluss gefunden! Ich habe mich vom Rachedurst leiten lassen und sah die Falle des Teufels nicht! Es war alles sinnlos, Mary! Versteh doch endlich! Ich wollte einen Abschluss finden, ich wollte dem ganzen ein Ende bereiten, aber es hat nicht geklappt! Ich konnte meine Wut nicht stillen! Ich hab sie immer noch, auf jeden kleinsten Käfer in diesem Drecksloch!" Mein Herz hämmerte gegen meine Brust, ich hörte meinen Puls laut in meinen Schläfen pochen, doch ich machte einen Schritt auf ihn zu. ,,Clintch, hör mich an, es war nichts umsonst, wir können immer noch...!", rief ich, aber er unterbrach mich und schrie mich stattdessen an:,,Wir können gar nichts! Dein Vater ist umsonst gestorben! Es war sinnlos! Ich hatte geglaubt nur durch seinen Tod könnte ich meine Eltern rächen, aber ich lag falsch. Wer rächt denn auch ein Mord, mit einem Mord?! Doch nur jemand, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hat!", er wandte sich von mir ab, ,,Ich bin vermutlich genauso wahnsinnig wie meine Mutter." Ich eielte hinter ihm her und wollte nach ihm greifen, bekam ihn aber nicht zu fassen. ,,Er ist nicht umsonst gestorben, Clintch. Er war besessen, alles zu einem Ende zu bringen. Du hast ihm das Ende gegeben nach dem er sich gesehnt hat, es war gar nichts sinnlos!", rief ich ihm nach. ,,Ausreden!", rief er zurück, ,,Du redest alles gut, als ob ich eine Heldentat vollbracht hätte!" Meine Finger begannen leicht zu zittern und ich musste mich beherrschen, um nicht vor lauter Verzweiflung in Tränen auszubrechen. ,,Du hast recht, ich rede alles gut.", entgegnete ich und bemühte mich meine Stimme möglichst fest zu halten, ,,Weil ich in die Zukunft blicke und nicht in die Vergangenheit. Ich möchte nicht das die Vergangenheit meine Zukunft beherrscht." ,,Die Zukunft wird aus der Vergangenheit geboren, Mary.", murmelte Clintch, er hatte sich zu mir umgedreht, seine Augen schimmerten traurig. Ich lief auf ihn zu und erwiderte eindringlich:,, Dann lass uns in der Gegenwart neu anfangen, um unsere Zukunft zu ändern." Clintch hielt meinem Blick eine Weile stand, doch dann wandte er den Kopf zur Seite und murmelte leise:,, Willst du überhaupt eine Zukunft mit mir?" ,,Natürlich, sonst würde ich doch nicht hier stehen.", versicherte ich ihm und trat noch einen Schritt näher. Clintch machte einen Schritt rückwärts und sah mir wieder in die Augen, als er fragte:,, Hast du schon vergessen was ich dir angetan habe?"
,,Ja, das habe ich alles vergessen.", antwortete ich ihm und verkleinerte erneut unseren Abstand. Aber Clintch gab sich damit nicht zufrieden.
,,Ich habe dich geschlagen, nur um meinen Frust an dir auszulassen."
,,Das habe ich vergessen."
,,Ich habe deinen Bruder ermordet, damit du aus diesem Land fließt und ich dich nie wieder sehen muss."
,,Das habe ich vergessen."
,,Und das ich deinen Vater aus egoistischen Gründen ermordete, hast du wohl auch vergessen?", fuhr er mich an.
,,Ja.", antwortete ich, ,,Vergeben und vergessen. Ich kann dir alles verzeihen. Egal was es ist, ich vergesse es für dich. Ich liebe dich, Clintch, deshalb sehe ich meine Zukunft nur mit dir." Ich war nun wieder so nah, das ich seinen sandigen Geruch riechen konnte. Aber seine geballte Faust zitterte und als er es nicht mehr aushalten konnte schlug er sie, mit aller Kraft, gegen den Stamm des Baumes neben ihm. ,,Lüg mich nicht an!", brüllte er dazu und die Äste des Baumes zitterten. ,, Ich lüge nicht, Clintch, und du weißt das.", ich versuchte meine Stimme ruhig zu halten, nahm seine geballte Faust in meine Hände und löste sie zaghaft, ,,Diese Welt ist nicht nur von Wut und Leid geplagt. Dein ganzes Leben hast du um dein Überleben gekämpft. Hast Menschen getötet um dein Leid zu verringern, um deine Wut zu stillen. Nun gönn dir mal einen Moment der Ruhe und lass uns an den Anfang zurückkehren. Dorthin an dem all das noch nicht passiert ist.", ich redete sanft auf ihn ein und es schien als hätte er sich beruhigt. ,,An den Anfang..?", murmelte er nachdenklich und verlor sich plötzlich in meinem Blick. Ich umfasste seine große Hand, während seine andere mir die Strähnen aus dem Gesicht wischte, sie hatten sich während der Diskussion gelöst. Ich streckte mich nach oben, wollte seine Lippen an meinen spüren, doch da zerschnitt ein Schrei die Luft und wir lösten uns voneinander. Clintch wandte sich um.
Über die Wiese hinweg stolperte eine kleine Karavane. Ich erkannte die Gesetzlosen, sie näherten sich den Klippen, hinter dem Herrenhaus Monroes. Aber ich hörte Amanda schreien:,, Mach es nicht, Frank! Das bringt ihn nicht wieder zurück!" ,,Ich habe ein Versprechen gegeben und das werde ich auch halten.", entgegnete Frank und setzte entschlossenen Schrittes einen Fuß vor den anderen, während Amanda an seiner Kleidung zog.
Clintch trottete den Abhang hinunter und kam auf sie zu, ich folgte ihm. Als die Gesetzlosen ihren Anführer erblickten blieben sie stehen. Becky verschrenkte anklagend die Arme vor der Brust und sah Clintch herausfordernd an. ,,Na sieh mal einer an, wer sich da mal wieder blicken lässt.", sprach sie mit vorwurfsvoller Stimme, ,,Unser Herr Schmollmund." ,,Der arme Gustav, er durfte dieses Phänomen nicht mehr miterleben.", bemerkte Michah und legte seine Hand aufs Herz. ,,Nun, vermutlich war Gustav überhaupt erst der Anlass, dafür das er aus seinem Loch gekrochen ist.", gab Grace zu Bedenken und warf Clintch einen kurzen, bösen Blick zu. Dieser nickte erduldend und sagte:,, Ich weiß das ich daran die Schuld trage, an allem was passiert ist und das ich es nicht wieder gut machen kann." ,,Du trägst nicht allein die Schuld.", widersprach Karl da, ,,Wir waren unvorsichtig, wir hätten alle wachsamer sein müssen, wir hätten wissen müssen das das passiert." Frank grummelte finster und setzte seinen Marsch fort. ,,Es ist nun vollkommen egal wer hier die Schuld trägt und wer nicht. Er ist tot! Sich darüber den Kopf zu zerbrechen wer der Schuldige ist, bringt ihn nicht wieder zurück.", grollte er. ,,Deine Tat bringt ihn aber auch nicht wieder zurück!", erklärte Amanda und begann erneut an Franks Jacke zu ziehen. Er drehte sich wieder zu uns um. ,,Aber ich habe mein Wort gegeben, das habt ihr alle! Sollte ein weiterer aus unseren Reihen sterben, dann schmeißen wir uns von der Klippe! So haben wir es gelobt und so werde ich es auch tun!" Frank wandte sich wieder zum gehen um, da packte Clintch ihn an der Schulter und sagte ihm eindringlich:,, Das hätte Gustav so nicht gewollt. Er ist für uns gestorben, denn kein anderer ist ihm gefolgt. Erweisen wir ihm seine Ehre und bleiben wir am Leben, für ihn. Damit sein Tod nicht sinnlos war." Die Gesetzlosen sahen sich an, lange Zeit hielt Frank Clintchs Blick stand und sah aus, als wolle er widersprechen, doch dann ließ er die Schultern sinken und seufzte:,, Na schön." Clintch stellte sich neben Frank, verschrenkte die Arme vor der Brust und sah seine Kameraden mit steinigem Blick an. Er wirkte wie ein riesiger Berg, bedrohlich und angsteinflößend. Aber diese Haltung nahm er immer ein, wenn er etwas anzukündigen hatte, das wussten wir alle bereits. ,,Ich glaube das wir alle einen Neuanfang brauchen.", begann er mit ernster Miene, ,,Und um den Abschluss einzuläuten...", er verstummte kurz, zögerte offenbar, fasste sich dann aber wieder und holte tief Luft, ,,trete ich aus der Bande aus."
Den Gesetzlosen klappte der Unterkiefer nach unten und auch ich hatte mit ihm zu kämpfen. Alle starrten Clintch fassungslos an, außerstande etwas zu sagen, bis Sindy schließlich das Schweigen brach:,, D-du trittst aus..? Aber was wird aus uns?" ,,Ihr beginnt einen Neuanfang.", entschied Clintch, ,,John und Michah sind perfekt dafür euch in ein neues Leben zu führen." Da erwachte John plötzlich aus seiner Totenstarre und entgegnete:,, Wir sollen die Bande demnächst anführen? Aber Clintch, wir sind dafür nicht gemacht, du bist der einzige für uns, es gibt niemand anderen." Michah nickte und pflichtete ihm bei:,, Du hast uns von der Straße geholt. Du hast uns in ein neues, besseres Leben geholt. Wir haben so viel miteinander durchgestanden und nun willst du einfach gehen?" Clintch nickte und sein Blick verfinsterte sich. ,,Glaubt mir das es mir auch nicht leicht fällt.", gestand er, ,,Aber es ist Zeit für einen neuen Anfang, für ein neues Kapitel." Ich sah Clintch mit großen Augen an. Auch die Gesetzlosen verhielten sich verunsichert. Ich verengte die Augen misstrauisch zu Schlitzen, was hatte er in dieser kurzen Zeit geplant? ,,Mary.", als er plötzlich meinen Namen nannte, fuhr ich beinahe aus meinem Pelz und sah ihn mit kugelrunden Augen an. Er hatte immer noch die Arme vor der Brust verschenkt und stand breitbeinig neben Fank, aber er sah mich mit einem Ausdruck im Gesicht an, den ich nicht deuten konnte. ,,Du hast selbst gesagt wir brauchen einen Neuanfang, warum siehst du mich jetzt so entsetzt an?" ,,N-nun..", stammelte ich unbeholfen und suchte nach den richtigen Wörtern, ,,A-also, ich hatte nicht erwartet das du so weit gehen würdest." ,,Nun siehst du mal...", murmelte Clintch und sah mich dann wieder von der Seite an, ,,Was du kannst, kann ich auch." Seine Worte trafen mich wie einen Blitz. Ich hatte meine Familie verlassen um bei Clintch zu sein, das gleiche tat er für mich nun auch. Ein Lächeln zuckte kurz über seinen Mundwinkel, dann kam er auf mich zu. ,,Wir bewegen uns nun langsam zurück an den Anfang.", sprach er und blieb vor mir stehen, ,,Erinnerst du dich noch, als du Monroe das erste mal begegnet bist?" Ich nickte, daran konnte ich mich erinnern. Es war kurz nachdem ich mich als Kopfgeldjägerin geoutet hatte. Damals war mir der feine Herr noch ein Rätsel gewesen. ,,Und erinnerst du dich daran, als mich Monroe nach einem Schatz fragte?" Einen Schatz? Ich musste länger in meinen Erinnerungen suchen, bis es mir wieder einfiel. ,,Ich brauchte eine Weile, um ihm klar zu machen, das es sich dabei nicht um einen solchen Schatz handelt, wie man ihn sich vorstellt.", sprach Clintch weiter, als er bemerkte das ich wusste wovon er sprach, ,,Es ist der Schatz der McKays. Es brauchte seine Zeit bis ich ihn aus den Tiefen meiner Taschen ausgegraben hatte." Mein Herz hobste hoch und runter als verrichtete es Hock-Streck-Sprünge. Was hat Clintch denn vor? Seine Stimme ist so feierlich. ,,Du musst Wissen, Mary, das dieser Schatz bereits von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Zuletzt trug ihn meine Mutter. Und nun würde er perfekt zu deinem Finger passen." Mein Herz gab den Geist auf und hüpfte mir davon. Es vollführte einen Salto hinüber zu Clintch, hobste seinen Arm hinauf und sprang in seine Brust, um mit seinem Herz zu verschmelzen. Mir standen die Tränen in den Augen und ich wagte kaum daran zu denken, machte er mir gerade einen Heiratsantrag? ,,Nun befinden wir uns wieder am Anfang.", murmelte Clintch leise und holte etwas aus seiner Tasche. Als er die Hand öffnete, sprang mir erneut mein Herz aus dem Leib. Es war ein silberner Ring. Eiserne Rosen erblühten auf dem Metall und lachten mich an. Man sah dem Schmuckstück an, das es schon viele Besitzer hatte, aber es hatte nicht ihren Glanz und schon gar nicht, ihre Wirkung verloren. Ich hatte Clintchs andere Hand packen müssen, damit ich nicht umfiel, wenn mein Herz mir das dritte Mal aus der Brust springen würde. ,,Denn am Anfang, waren wir ja verlobt, nicht wahr?" Ich umfasste seine Hand mit beiden Händen und drang tief in seinen schönen, dunklen Blick ein. Trauer, Schmerz und Wut sah ich nirgends mehr, sie hatten nur stille Pfützen hinterlassen, wie der Regen. Ein weicher Schleier zog umher und wirkte wie ein sanfter Wind, der nur schwach die Oberfläche eines stillen Sees kräuselte. Die Sanftheit zieht ihre Bahnen. Sie war genauso schön wie die erste Sanftheit die ich in Clintch sah. Damals bei Schnee und Wind, auf der Spitze des Berges, als er mir zum ersten Mal einen Kuss auf die Lippen drückte.
,,Ich liebe dich.", flüsterte ich so leise wie die Sanftheit in Clintchs Augen, ,,An unserer Verlobung hatte sich nie etwas geändert." Mein Herz konnte den Moment nicht aushalten. Das arme hatte so viel erlebt. Clintch und ich hatten soviel gemeinsam erlebt. Der Bär und das Häschen, wer hätte gedacht das all die Geschehnisse ihre Liebe nicht zerreißen konnte?
Immer noch hielt ich Clintchs Hand fest umklammert, doch letztendlich konnte ich meinem Herzen nicht mehr widerstehen. Mir huschten die Tränen aus den Augen, als ich in die Arme des Riesen sprang. Nein, uns konnte nichts erschüttern solange wir einander hatten. Die Gesetzlosen ließen ihren angehaltenen Atem los, begannen zu jubeln und umringten uns. Doch ich sah nur Clintch und Clintch sah nur mich. Der Riese drückte mich fest an sich und ich strich ihm die Haare aus dem Gesicht, so wie er es zuvor bei mir getan hatte. Ich legte meine Hand auf seine Brust, fühlte den Herzschlag der gemeinsam mit meinem klopfte. Dann beugte ich mich vor und endlich konnten meine Lippen die seine berühren. Die Zeit blieb stehen, die Geräusche verstummten. Nur ein sanfter Wind strich über uns und brachte die letzten Überreste des Regens mit sich. Aber der kühle Regen hatte unsere Gemüter erweicht und nun stand er da, ich in seinen Armen, und hängten Sekunde an Sekunde, Minute an Minute und vergaßen.
Weshalb wir wütend waren.
Weshalb wir traurig waren.
Weshalb wir diskutiert hatten.
Und wir wanderten zurück an den Anfang, dort wo alles begann.
Dort wo alles neu Beginnen sollte.~Ende..?
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In The West
RomanceDer wilde Westen hat Schattenecken und Lichtseiten. Doch die junge Mary Tailor scheint lediglich in die ,,Schattenecken" geraten zu sein. Denn ihr Vater hat genug von ihr und verlobt sie an den nächst besten. Doch Mary selbst geht es schrecklich mit...