2.Kapitel Die Gesetzlosen

182 12 0
                                    

Das Holz knarrte unter meinen Schuhen, als ich in die Küche kam, um mich von meiner Mutter zu verabschieden. Mein Vater stand draußen auf der Veranda und unterhielt sich mit meinem Verlobten. Ich wusste immer noch nicht wie er hieß, doch das Gespräch das die beiden sich lieferten schien nicht sehr erfolgreich zu sein. Meine Mutter seufzte bedrückt, als sie mich hereinkommen sah und schloss die Arme um mich. Ihre Wärme tröstete mich und hemmte meine Angst vor dem Fremden. ,,Vielleicht ist er ja ein netter, junger Mann.", versuchte sie mich aufzubauen. ,, Hast du ihn schon gesehen?", fragte ich sie, ,, Er sieht in keinster Weise aus wie ein netter, junger Mann. Er sieht aus wie ein Vogelfreier, ein Dieb und ein Grobian." Meine Mutter blickte mich besorgt an und strich mir die Strähnen aus meinem Gesicht, um sie mir hinter mein Ohr zu klemmen. Dann wandte sie sich plötzlich von mir ab und wühlte in ihrem Schrank herum. Als sie endlich fand wonach sie gesucht hatte, hielt sie es mir feierlich vor die Nase. Es war ein kleines Fläschchen in dem sich einige weiße Tabletten befanden. Sie drückte es mir in die Hand. ,, Gieb ihm eine von denen unauffällig, wenn er dir zu aufdringlich wird. In wenigen Minuten wird er in einen tiefen Schlaf versunken sein." Sie lächelte sanft und fügte leise hinzu:,, Bei deinem Vater klappt es jedes Mal." Sie zwinkerte mir zu. ,, Danke dir.", entgegnete ich und ließ das Fläschchen in meinem Stoffbeutel verschwinden, ,, Ich werde dich vermissen." Ein weiteres Mal umarmte ich meine Mutter fest, wohl zum letzten Mal, gab ihr einen Kuss auf die Wange und entfernte mich von ihr. Mein Herz wurde mir schwer. Ich holte tief Luft und trat hinaus auf die Veranda, neben meinen Vater. ,, Ich bin dann soweit.", murmelte ich, blickte ihn jedoch nicht an. Mein Vater suchte meinen Blick. ,, Ich bin stolz auf dich, Mary. Endlich konnten wir jemanden für dich finden.", gestand er stolz und wollte mich umarmen, wie meine Mutter zuvor, doch ich wich ihm aus und lief stattdessen zu dem Fremden, der nun mein Verlobter sein sollte. ,, Melde dich ab und zu mal bei uns!", rief er mir noch nach, doch ich brummte nur und verschnelllerte meinen Schritt. Der Mann führte mich zu seinem Pferd. Ein weißer Schimmel, mit sanften ruhigen Augen, anders als sein Reiter. Er half mir auf den Sattel und stieg nach mir auf, ehe er sein Pferd aus der Stadt lenkte. Wenigstens verhielt er sich höflich, dachte ich und hielt mich vorsichtig an ihm fest. Er hielt sich an einen Pfad der von der Steppe hinaus und in einen nahegelegenen Wald führte. ,, Mein Name ist Clintch McKay.", stellte er sich endlich vor. Seine Stimme war rau und kratzig, aber leise. ,, Ich führe eine Bande Vogelfreier. Wir haben unser Lager hier in dem Wald aufgeschlagen und reisen von Städtschen zu Städtschen, immer auf der Suche nach reicher Beute und auf der Flucht vor Kopfgeldjägern." Mir rutschte das Herz in die Hose, ich war mit einem Verbrecher verlobt. War ich jetzt auch eine Vogelfreie? Wie konnte mir das nur passieren. ,, Dein Vater hat mir bereits alles über dich erzählt, Mary Tailor." Ich schluckte. Bald verließ er den Pfad und ritt durch dichtes Unterholz. Er stieß einen hohen Pfiff aus, der offenbar einen Vogel imitieren sollte, überlegte ich. Irgendwo aus den Bäumen antwortete ihm der gleiche Ton und bald darauf trabte sein Pferd ins Freie. Eine Lichtung bot sich uns da, auf denen Zelte und Wägen standen. Einige Pferde grasten in unmittelbarer Nähe auf einer Wiese. Eine Feuerstelle befand sich auf der einen Seite, darum herum lagen Holzstämme, auf denen sich älter aussehende Männer niedergelassen hatten und plauderten. Sie beachteten uns gar nicht. Einige jüngere Männer, die ungefähr im gleichen Alter wie Clintch sein mussten, sahen von ihrer Arbeit auf. Der Schimmel hielt an und ich stieg ab. Sogleich kamen mir die Männer entgegen gelaufen. Ein bärtiger, mit einer langen Narbe auf der Stirn, streckte die Hand nach mir aus. ,, Na, wer bist denn du, Hübsches? So frische Neulinge haben wir ja lange nicht mehr gesehen.", begrüßte er mich, breit grinsend und ich wich vor ihm zurück. Clintch war bereits vom Pferd gestiegen und schlug die Hand des Mannes fort. ,,Finger weg, Gustav, sie gehört mir.", sagte Clintch leichthin mit einem energischen Ausdruck. Die Männer wichen einige Schritte zurück, doch ließen mich dennoch nicht aus den Augen. Clintch war bereits weiter gegangen und ich beeilte mich ihn einzuholen. ,,Sie sind wie ein Pack Wölfe, wenn etwas Neues ins Lager kommt, besonders bei einer jungen Frau. Aber nach einigen Wochen hat sich das auch beruhigt und du bist wie jeder andere auch.", erklärte er mir, ohne mich anzusehen. , ,,Dort vorne ist unser Zelt, wenn du müde bist, leg dich schlafen." Clintch deutete auf eines der großen Zelte, an dem die Planen teilweise nach oben geklappt waren. Als nächstes deutete er in eine andere Richtung und ich verstand das er mich in das Lager einwies. ,, Wenn du Hunger hast, oder einfach die Nähe von Frauen suchst, dann geh zu Amanda. Sie ist meistens dort drüben und kümmert sich um das Wild, das wir jagen." ,,Fein.", gestand ich, für einen kurzen Moment hatte ich bereits Angst gehabt, in diesem Lager gäbe es keine Frauen. In einem Lager voller Vogelfreier und Männer, zog es mich instinktiv zu Frauen. Also ließ ich Clintch stehen und machte mich zu dem Planenzelt auf, den er mir gezeigt hatte. Ein alter, gut genährter Mann saß dort auf einem Stuhl und zog an einer Pfeife. Er bedachte mich mit einem kurzen Blick und setzte dann sein Gespräch mit einer kleinen Frau weiter. ,,Ich sage dir. Diese Gegenden sind nicht mehr die die sie einmal waren. Damals hüteten wir noch alle die Kühe und verdienten so unser Geld. Heutzutage müssen wir uns unser Geld stehlen.", der Mann brummte missmutig und stieß eine Wolke aus seinem Mund. ,, Die Zeit verrint, Herbert. Alles wird sich einmal ändern.", antwortete ihm die Frau, doch sie sah nicht von ihrer Arbeit auf. Im hinteren Teil des Zeltes, bewegten sich die Planen und eine weitere Frau, mit einem Korb in den Händen trat heraus. Sie trug ein langes, schmutziges, rosanes Kleid, ihre dunkelblonden Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden und über die Schulter gelegt. ,,Wir können nur das beste, aus dieser Zeit heraus holen. Wir sind schließlich freie Leute.", ihre Stimme war kräftig und rau, als sie mich endlich sah blieb sie stehen. ,, Ah du musst Mary Tailor sein, richtig?", begrüßte sie mich freundlich. Ich blinzelte sie verwundert an und antwortete:,, J-ja, die bin ich. Aber woher weißt du wie ich heiße? Ich bin doch erst seit ein paar Minuten hier." Sie lächelte mir zu und entgegnete ein wenig belustigt:,, Dieses Lager ist nicht groß, Schätzien. Ich wette mit dir, das mittlerweile schon jeder hier weiß wer du bist." Unbehagen gribbelte unter meiner Haut. ,,Ich bin Amanda.", stellte sie sich vor und stellte ihren Korb ab, ,, Du kannst uns gerne helfen und das Fleisch das ich von den Knochen ziehe in Scheiben schneiden." Ich nickte. Meiner Mutter hatte ich ebenfalls oft in der Küche geholfen, solche Arbeiten konnte ich im Schlaf. Fleißig machte ich mich an die Arbeit, während Amanda ihren Korb wieder in die Hände nahm und auf den Tisch der kleinen Frau stellte. Dann ging sie wieder ihrer Arbeit nach und befreite das Fleisch von ihren Knochen. ,,Die kleine Frau, an dem Tisch dort, ist Becky. Gewinne ihr vertrauen und sie wird eine gute Freundin. Zu Fremden ist sie manchmal etwas barsch.", erzählte mir Amanda. ,, Ich kann dir nach und nach jeden hier vorstellen, wenn du magst. Dann weist du genauso viel über sie, wie sie über dich, ohne das ihr jemals ein Wort gewechselt habt. Wir Frauen müssen schließlich zusammen halten, unter diesen Idioten." Sie zwinkerte mir zu und ich lächelte. ,,Wir sind hier drei Frauen, mit dir sind wir schon vier. Die dritte ist mit John oben am See und angelt uns fette Fische. Sie heißt Sindy, mit ihr wirst du dich gut verstehen können." Es fühlte sich gut an eine Arbeit zu haben, so konnte ich mich besser einbringen. ,,Also erzähl mal, wie kamst du an Clintch heran? Ich kann mir nicht vorstellen das du schon immer einmal die Frau eines Gesetzlosen werden wolltest.", Amanda schaute mich freundlich an. Doch mir blieb das Lächeln im Halse stecken. ,, Ich wollte nie seine Verlobte werden. Mein Vater wollte mich nur los werden und hat mich an den erst besten gegeben.", antwortete ich ihr. Sie nickte und legte mir den nächsten Klumpen Fleisch an den Tisch. ,,Das kann ich gut verstehen. Ich kam auch so hier her. Ich wurde Albert's Frau. Aber er war ein netter, junger Mann gewesen und er war immer freundlich zu mir, so hat er schnell mein Herz erobert und ich fühlte mich Daheim." Mit Amanda spürte ich eine Verbundenheit, durch unsere Gemeinsamkeit. Doch genauso wurde mir das Herz schwer. Clintch schien nicht einer dieser Männer zu sein, die das Herz einer Frau erobern wollten, er schien sich gar nicht dafür zu interessieren. Während der Arbeit führten wir unser Gespräch weiter. Auch Becky und Herbert stimmten mit ein. Nach einiger Zeit stieß auch Sindy dazu und wir Frauen tratschten bis zum Abend.

Als der Mond bereits am Himmel stand und auf unser bescheidenes Lager hinab schien, machte ich mich zu dem Zelt auf, in dem ich schlafen könnte. Mein Magen drehte sich voller Unbehagen um. Den ganzen Tag über hatte ich mich vor diesem Moment gefürchtet, mit diesem riesigen, brummenden Fels namens Clintch in ein Bett zu steigen. Die anderen Männner saßen am Feuer, erzählten sich von damaligen Geschichten oder sangen Lieder. Ich hoffte einfach das Clintch bei ihnen war, doch als ich mich dem Zelt näherte sah ich seinen mächtigen Umriss bereits draußen stehen. Er schenkte mir keine große Beachtung, als ich an ihm vorbei ging und meinen Hut an eine Stuhllehne hängte. Meinen Stoffbeutel mit dem teuren Geheimnis darin, behielt ich bei mir, ich konnte es mir nicht leisten, wenn jemand bemerkte das ich starke Schlaftabletten mit mir herum trug. Ich blieb in einer Ecke stehen, ich traute mich noch nicht, mich auf die weiche Decke zu meinen Füßen zu legen. Auch Clintch trat schließlich ein, zog die Plane herunter und setzte sich ohne großes federlesen auf die Decke. Eine Baumwolldecke zog er sich über die Beine, dann blickte er mich im Halbdunkel fragend an. ,,Willst du dort die ganze Nacht stehen bleiben?", fragte er, während er seinen Hut neben sich legte. ,,I-ich warte bis du eingeschlafen bist.", gestand ich leise. Seine dunklen, glitzernden Augen hafteten noch ein paar Sekunden an mir, ehe er sie genervt herum rollte. ,,Frauen..", murrte er, legte sich auf die Seite und wandte mir den breiten Rücken zu. Mein Herz hämmerte in meiner Brust. Einige Minuten mussten verstreichen, ehe ich mich neben ihn legte und ihm ebenfalls den Rücken zu wandte. Den Stoffbeutel drückte ich fest an mich. Clintch wirkte in der Dunkelheit wie ein riesiger, brummender Bär und sobald ich auch nur einen Mucks machte oder mich zu sehr bewegte, würde er mich zerfleischen, mit Haut und Haaren. Ich konnte nicht hören ob er bereits schlief oder nicht, jedoch blieb ich lange Zeit wach, starrte in die Finsternis und rührte mich kaum. Schließlich aber, überkam mich letztlich der Schlaf.

In The WestWo Geschichten leben. Entdecke jetzt