Zwei Monate waren vergangen. Ich hatte mich in eine höher gelegene Stadt zurück gezogen. Ein Wald stand um sie herum und ein reißender Fluss strömte durch sie hindurch. Die schneebedeckten Berge ragten hinter ihr hervor, doch an diesem Morgen waren sie in Nebel gehüllt. Ich trat von der Rezeption des Hotels auf die Veranda und beobachtete die müde Stadt. Zwei alte Männer unterhielten sich neben mir, lautstark über den neuesten Tratsch. ,, Hast du schon gehört? In den Schmuckladen der Marston's wurde gestern eingebrochen.", sprach der eine zum anderen. ,,Ist nicht wahr! Diese verdammten Halunken! Ich habe Mr. Marston gewarnt er solle sich ein besseres Schloss anlegen, aber er hat ja nicht gehört.", der Alte zuckte mit den Schulter und ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Bei jedem Vorfall den ich zu hören bekam, überlegte ich ob es Clintch und seine Bande gewesen sein könnten, die diese Tat vollbracht hatten.
Ich verließ die Veranda und spazierte die Stadt entlang, sie war nicht gerade groß. Sie war ruhig, friedlich und freundlich.
Ich war so sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, das ich nicht auf meinen Weg achtete. Prompt stieß ich mit jemandem zusammen. Ich schreckte zurück und blickte auf. ,,Verzeihen Sie, junge Dame.", entschuldigte sich der Mann höflich und beugte sich hinab um seinen Hut aufzuheben, der ihm vom Kopf gesegelt war. So konnte ich sein Gesicht nicht sehen, doch ich erkannte ihn dennoch. ,,William!", rief ich verblüfft aus und erst als er meine Stimme erkannte, sah er mich an. ,,Mary..?", fragte er mich mit verwundert blinzelnden Augen, als könnte er nicht glauben das ich vor ihm stand. Ich lächelte breit und fiel ihm in die Arme. William Tailor. Er war einer meiner Brüder, Sheriff der Stadt und ein wohlhabender Mann. Ich hatte ihn ewig nicht gesehen. Nachdem er sich mit Isabel Ryder verlobte, verließ er uns und seine Heimatstadt.
Ich ließ von ihm ab und schaute ihm strahlend an.
,,Ich hörte, das Vater dich endlich verloben konnte.", erzählte William neugierig, ,,Und? Wie ist es mit deine ersten Ehe?" Mein Grinsen versagte mir. ,,Nun...", murmelte ich und schaute zu Boden, ,, Das erzähle ich dir ein anderes Mal. Erzähl mir von dir und Isabel. Wie läuft es bei euch?" William hatte mich ernst angeschaut, doch als ich den Namen seiner Frau erwähnte hellte sich sein Gesicht auf. ,,Es könnte gar nicht besser sein, mein liebes Schwesterchen!", verkündete er lauthals, ,, Wir versuchen, seit einer Weile, schwanger zu werden." Er zwinkerte mir zu. ,,Das ist fantastisch!", entfloh es mir aus der Kehle und ich fragte mich kurze Zeit, ob ich mich tatsächlich für sie freute, oder ob es Neid war das mich in meinem Herzen stach. ,,Komm doch zu uns. Ich lade dich ein. Dann kannst du uns alles erzählen.", schlug William vor und ich willigte ein. Alles erzählen, ob es wirklich so gut war, wenn ich einem Sheriff alles erzählte, was ich erlebt hatte? Doch er war mein Bruder, er konnte mich verstehen.Das Haus in dem die beiden wohnten war schlicht und stand mitten in der Stadt. Isabel war erfreut mich zu sehen, nahm mich in den Arm und erzählte mir, mit Erstaunen, wie groß ich doch geworden war. Doch wenn ich daran dachte wie groß Clintch war, ähnelte meine Größe dagegen einem Wiesel. Bei einer heißen Tasse Tee erzählte ich dem Ehepaar meine ganze Geschichte. Hin und wieder schüttelte William nur mit dem Kopf und Isabel schaute mich ganz entsetzt an. Als ich endete schlug William wütend mit der Faust auf den Tisch, sodass die Tassen hüpften. Das hat er von Vater, dachte ich. ,,Dieser verdammte Teufel!", rief er mit geballter Faust, ,, Ich habe schon viel von diesem Schurken, Clintch F. McKay, gehört. Das ausgerechnet du ihm begegnen musst, ist ein Jammer. Ich kann nicht glauben das Vater das zugelassen hat!" Trübselig blickte ich auf meine Tasse, ich sagte nichts. ,,Ich sage dir, Mary, wenn ich den in die Finger kriege, puliere ich ihm die Fresse.", sprach er mit erhobenem Finger und sah mich ernst an, während ich im Geiste hoffte, es würde nie so weit kommen.
Diese Nacht schlief ich bei meinem Bruder, im Haus. Sie hatten noch ein Gästezimmer frei. Doch der Schlaf wollte mich nicht überfallen und so blieb ich wach, eine halbe Ewigkeit lang. Der Wind säuselte ruhig vor dem Fenster, als plötzlich die Tür im Flur knarrte. Ich setzte mich auf und starrte auf meine Tür. Da ist jemand im Haus. War das William, oder Isabel? Doch ich konnte die Bretter unter seinen Füßen knartzen hören, langsam und vorsichtig. So bewegte sich keiner, dem das Haus gehörte. Ich schluckt, wer war dort draußen? Leise erhob ich mich von meinem Bett und schlich zu meiner Tür. Vorsichtig linste ich hinaus. Doch plötzlich schwang sie auf und jemand packte mich an den Armen, um mich sehnsüchtig anzusehen. ,,Jim!", rief ich erstickt heraus, ,,Was machst du hier?" Mit glitzernden Augen sah Jim mich an. ,,Ich habe dich vermisst, Mary..", sagte er trübselig, ,, Du warst einfach plötzlich fort. Ich habe überall nach dir gesucht und nun habe ich dich endlich gefunden!" ,,Jim!", rief ich empört und befreite mich aus seinem Griff, ,,Du hast uns verraten! Wegen dir wurde unser Lager überfallen! Wegen dir ist Albert tot!" Jim schüttelte den Kopf. ,,Ich habe euch nicht verraten!", widersprach er, ,, Jack hat andere Spione. Er vertraut mir nicht mehr, seitdem ich mich mit dir treffe." Kurzzeitig sah Jim traurig aus, doch dann lächelte er mich an. ,,Komm mit mir, Mary. Ich liebe dich, ich möchte mein Leben mit dir verbringen. Wir können weit weg von hier ziehen, so weit weg bis uns keiner mehr finden kann." Er hob die Hand und fuhr damit durch die Luft, als präsentierte er mir unsere Zukunft. Weit, weit weg. Fort vom Wilden Westen. Dieser Wunsch erinnerte mich an Grace und Will. Sie hatten dasselbe gewollt, sie wollten fort von hier, doch sie endeten in einer Tragödie. Und Grace zog nun ihre Tochter in einer Bande auf, dessen Anführer der Mörder ihres Mannes ist. Ich sah Jim unentschlossen an. Das wäre meine Möglichkeit von allem abzuschließen und etwas neues anzufangen. Ich umfasste Jims Hand und sprach:,, Ja, ich will mit dir fort." Da beugte er sich zu mir vor und küsste mich, ich erwiderte seinen Kuss.
Schnell packte ich meine Sachen zusammen und verließ mit Jim, an der Hand, noch in der selben Minute das Haus. Wir eielten die Veranda hinab und sprintete über die steinige Straße. Doch wir kamen nicht weit. Ein Mann trat aus den Schatten vor uns und trat uns entgegen. Er streckte den Finger aus und zeigt anklagend auf Jim. ,,Jim Cartwright, jetzt haben wir dich endlich gefunden!", rief er laut und ich erkannte seine Stimme. Auch sein Gesicht beschien das fahle Mondlicht sacht. ,,John?", brach es aus mir heraus. Er ließ den Finger sinken und starrte mich an. ,,Mary?" Plötzlich landete eine weitere Gestalt neben uns auf dem Boden. Es war Frank, er musste auf dem Dach des Hauses gesessen haben. Ein dritter der Bande, gesellte sich zu uns und kroch aus seinem Versteck. Gustav starrte uns finster entgegen. ,,Verschwinde, Mary, du hast damit nichts mehr zu tun. Wir wollen nur den Cartwright.", murmelte Frank und zückte seine Pistole. ,,Wir wollen Rache!", rief Gustav aus und richtete auch seinen Revolver auf uns. Das Blut pochte mir in den Ohren. Ich sah wie Jim nach seinem Revolver griff, bereit es herauszuziehen, wenn jemand auf die Idee kam zu schießen. Ich runzelte die Stirn, ich hatte Angst und doch hüpfte mein Herz vor Freude, ich hatte meine früheren Kameraden lange nicht mehr gesehen. Ihre Gesichter nach so langer Zeit wieder zu sehen, erwärmte mir das Herz. John schien unschlüssig, was er nun tun sollte. Doch Gustav und Frank senkten die Waffen nicht, sie schienen als würden sie selbst mich erschießen, wenn ich nicht zur Seite trat und ihre Begehrte preis gab. Ich streckte die Nase nach oben und die Schultern nach hinten, ich würde nicht von Jims Seite weichen, nicht bei allen Fluchen und Bitten.
,,Lasst sie ziehen.", erklang eine vierte brummende Stimme aus den Schatten und eine mächtige Gestalt trat aus der engen Gasse zweier Häuser. ,,Bitte?", fragte Gustav, als hätte er ihn nicht recht verstanden und wagte einen Blick hinter sich. Clintch trat aus den Schatten und ins kalte Mondlicht. ,,Lasst sie ziehen.", wiederholte er tief und leise, ,, Er ist es nicht Wert, wenn wir hinter ihm herjagen. Lasst sie weit von hier fort ziehen, so wie sie es gesagt haben. So haben wir ein Problem weniger, ohne uns die Hände schmutzig zu machen." Seine Worte stachen mir ins Herz. Er begegnete mir mit dem gleichen harten, abweisenden Blick, wie eh und je. Clintch warf Frank und Gustav einen scharfen Blick zu, eh sie ihm gehorchten. Da wollten sie sich gerade Abwenden als ein Schuß durch die Nacht hallte. Die Gesetzlosen duckten sich sofort instinktiv. Männer umkreisten uns, sie hielten alle die Waffen auf die Gesetzlosen. Ich erkannte sie als Kopfgeldjäger. ,,Da sieht man sich also doch einmal, Clintch McKay.", seine bekannte Stimme surrte in meinen Ohren. Voller Schreck drehte ich mich zu ihm um. William streckte den Lauf der Waffe Clintch entgegen. Sein Sheriffstern blinkte ehrenvoll im Mondlicht. Ich bemerkte wie auch Clintch langsam die Waffe zog, mein Blut raste. William machte einen schnellen Schritt auf Clintch zu und schrie:,, Bastard! Hältst meine Schwester in deiner Gewalt! Prügelst auf sie ein! Lässt deine Wut an ihr aus! Solche wie du gehören an den Galgen!" Clintch reagierte nicht. Meine Gedanken rasten, William näherte sich weiter. ,,William! Bitte lass es bleiben!", rief ich dazwischen, eielte an die Seite meines Bruders und redete verzweifelt auf ihn ein. ,, Bitte vergiss es wieder! Es ist alles gut! Du musst das nicht tun." ,,Ich muss das tun, Mary. Das ist mein Job.", entgegnete er ernst zu mir, ohne mich anzusehen und wandte sich dann wieder an Clintch, ,,Waffe fallen lassen und Hände über den Kopf!" ,,Nein!", widersprach ich schrill, doch William hörte nicht auf mich er näherte sich so weit, das er nur noch ein, zwei Schritte von Clintch entfernt war. Dieser hatte nun auch die Waffe erhoben. Mein Herzschläg verschnellterte sich, als William's Wut stieg. Er kam weiter auf ihn zu, brüllte ihm Beleidigungen ins Gesicht, warf ihm vor ein Frauenschändler zu sein und bezeichnete ihn als den Teufel selbst. Das alles ließ Clintch kalt. Immer wieder rief ich dazwischen, zog und zerrte an Clintch, versuchte ihn dazu zu zwingen die Waffe sinken zu lassen, doch er war wie aus Stein, erstarrt. Plötzlich ging William auf ihn los. Er war rasent vor Wut. Er bedrängte Clintch, schlug auf ihn ein, trat nach ihm aus. Und ich stand da und betete an Clintch gewandt das er nicht schoss. Ich schrie ihn verzweifelt an, ich versprach, alles zu tun was er sagte, ich rüttelte und schüttelte an ihm. Doch es war alles umsonst.
Denn letztlich schoss er doch.
Ein Schrei stieg mir aus der Kehle und ich hielt mir die Hand vor den Mund. Ich hörte Isabels Schrei und ihr unerbittliches heulen, als sie mit ansah wie ihr Mann zu Boden ging. Die Gesetzlosen reagierten und schossen auf die Kopfgeldjäger die sie erwischen konnten, die anderen konnten fliehen. Blut quoll aus Williams Brust, doch es versiegte schnell wieder, als seine Augen leer und bleich wurden. Mein Herz verkrampfte sich schmerzhaft. Tränen rollten mir die Wange hinab und ich fiel auf die Knie. Ich merkte wie Clintch neben mir seinen Revolver zurück steckte und dann packte er mich plötzlich fest im Nacken, hob meinen Kopf und zwang mich dazu, die Leiche meines Bruder anzuschauen. ,,Schau ihn dir genau an, Mary.", wisperte er mir gefährlich zu, ,,Sieh genau hin! Das ist das Ergebnis, wenn du eine Gesetzlose bist. Der Tod. Willst du das immer wieder auf deinem Wege vorfinden?" Sein kräftiger Druck tat mir im Nacken weh, ich verkrampfte die Schultern und verzog das Gesicht. ,,Willst du das?", fragte er energischer und verstärkte seinen Druck. ,,Nein, nicht wahr? Dann tu auch was ich dir gesagt hatte und geh. Verschwinde von hier, an einen Ort an dem wir uns nicht mehr treffen." Mit fester Hand schlug er mich nieder und wandte sich ab. Ich wimmerte. Tränen liefen mir die Wangen hinab. ,,Es tut mir Leid, Isabel.", wisperte ich voll Wehmut, doch sie wandte sich abweisend von mir ab. Es brach mir das Herz, ich schluchzte. Williams Körper wirkte auf mich wie ein dunkler Dämon, beängstigend. Ich schluchzte erneut, mein Körper zitterte, doch plötzlich bebte mein Körper vor Wut.
,,Mörder..", brummte ich finster und stand auf. ,,Verdammtes Arschloch!", meine Stimme hallte zitternd wieder. Zornig riss ich mir meinen Hut vom Kopf und schleuderte ihn zu Boden, während ich mich zu Clintch umdrehte. Mein Puls pochte, ich ballte die Hand zur Faust. Meine Augen waren rot unterlaufen. Clintch blieb bei meinem Ausruf stehen. Frank, Gustav und John standen vor ihm und warteten auf ihn, doch er kam nicht. ,,Du bist ein Mörder!", schrie ich ihm hinterher, ,, Ein Tunichtgut! Ein Scheusal! Der letzte Dreck!" Ich atmete tief ein, inmitten der stillen Nacht. ,,Ich weiß warum du mich die ganze Zeit über bei dir gehalten hast! Ich weiß es!", meine Stimmbänder kratzten. Doch nun drehte sich Clintch zu mir um und sah mich durch den Mondschein hindurch an. ,, Es hat dir gefallen. Du fandest es schön eine Frau um dich zu haben! Weil du sonst niemanden hast! Erbärmlich!" Ich spuckte angewidert auf den Boden. Doch mein Zorn war nicht gestillt. Mit jedem Wort das ich sprach, schürte ich es höher in die Luft. ,,Du hast deinen Zug falsch berechnet, Clintch! Denn nun hast du dir mich als Feind gemacht und das wird für dich nicht gut ausgehen. Ich werde dich vernichten!" Ich atmete schwer, doch mein Körper strömte vor Energie. Die Wut schwellte auf und ab, ich hätte ihn zwischen meinen Fingern zerdrücken können und doch tat mir das Herz weh. Ich spürte Hände, die sich sanft auf meine Schulter legten und ich hörte Jims weiche Stimme in meinem Ohr, die versuchte mich zu beruhigen. Und ich gab mich ihm hin. Ich kickte wütend einen Stein von mir fort und blitzte Clintch entgegen. Doch er stand immer noch so da und hatte sich nicht gerührt. In seinem Gesicht konnte ich nicht lesen. Ich hatte weiß vor Augen gesehen, durch meinen Wutanfall, doch nun zwang ich mich dazu ruhig zu atmen. Es fiel mir schwer, verdammt schwer. Doch schließlich ließ ich mich von Jim fort führen und drehte Clintch meinen Rücken zu. Ich knirschte mit den Zähnen. Ich werde ihn lehren zu bereuen.
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In The West
RomanceDer wilde Westen hat Schattenecken und Lichtseiten. Doch die junge Mary Tailor scheint lediglich in die ,,Schattenecken" geraten zu sein. Denn ihr Vater hat genug von ihr und verlobt sie an den nächst besten. Doch Mary selbst geht es schrecklich mit...