33.Kapitel Katz und Maus

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,,Wie ist der Plan?", fragte Sindy mit ernster Stimme, als die Gesetzlosen hinter Clintchs Hengst hertrabten. Sindy holte schnell auf und sah Clintch fragend an. ,,Wir bringen es zu Ende.", brummte dieser, ohne sie anzusehen. Sein Blick war starr und fest geradeaus gerichtet, als wir über die Steppe trabten. Meine Schultern sackten, bei seinen Worten, tiefer ein und ich begann zu bereuen. Bring es zu Ende, hatte ich gesagt. Was für eine hirnspinnstige Idee! Diese Worte liefen darauf hinaus das mein Vater und Clintch sich nun gegenseitig versuchten zu töten. Ich presste meine Lippen aneinander, warum hatte ich das gesagt? Frank, der hinter Sindy auf dem Pferd hockte, erlaubte sich die Frage dessen Antwort ich lieber nicht hören wollte:,, Wie sollen wir das anstellen?" Michah holte zu unserer anderen Seite auf und pflichtete Frank bei:,,Wir müssen doch irgendwelche Pläne haben. Wir können ja nicht einfach blindlinks auf sie losstürmen." Becky nickte ernst. ,,Das würde unseren Tod bedeuten.", fügte sie hinzu. Doch Clintch schien die Sorgen seiner Bandenmitglieder einfach zu überhören. ,,Wir bringen es heute zu Ende, egal wie wir es anstellen.", antwortete er mit gnadenloser Stimme. Die Gesetzlosen warfen sich einige unsichere Blicke zu, ob ihr Anführer den Verstand verloren haben könnte. Da erhob Gustav das Wort:,, Macht euch nicht gleich in die Hosen. Wenn unser Anführer sagt wir stürmen ohne jeglichen Vorkehrungen vor, dann wird das so gemacht.", er hielt kurz inne und warf Clintch einen strengen Blick zu, ,,Sollte dabei einer von uns drauf gehen, dann war es seine Entscheidung und er muss mit dem Vorwurf rechnen, seine Leute in den Tod geschickt zu haben." John ließ den Kopf hängen. ,,Ich möchte nicht noch jemanden verlieren.", murmelte er und seine Stimme war von Trauer erfüllt. Ich auch nicht, stimmte ich ihm, in Gedanken, zu. Doch John sah zu Karl herüber der sich hinter Gustav, halb an seinen Vordermann lehnte und halb im Sattel saß. Karl hing nur noch am seidenen Faden, an seinem Bewusstsein. Vor Unbehagen drehte sich mir der Magen. Würde das Clintch wirklich in Kauf nehmen? Das Leben seiner Bandenmitglieder? Ich versucht sein Gesicht zu erhaschen, doch ich konnte ihn nicht erreichen. Seine Wut macht ihn blind. Dunkle Vorahnungen gribbelten unter meiner Haut, an die ich lieber nicht denken wollte.
,,Wenn heute einer von uns stirbt.", begann Frank erneut, ,,Dann stürze ich mich von der Klippe, ohne zu zögern." ,,Ich auch!", stimmte Becky zu und die Gesetzlosen nickten zustimmend mit den Köpfen, hoben ihre Hände gen Himmel und stimmten mit ein. Auch ich hob meine Hand und rief:,, Ich mache mit." Der einzige der nicht reagierte war Clintch. Doch als ich mich ebenfalls zu dem Vorhaben bereiterklärte, regte er sich und brummte finster:,, Wenn dieser Tag um ist und ihr euch alle von der Klippe schmeißt, dann macht ihr genau das was Tailor will." ,,Das soll mir recht so sein.", erwiderte Michah fest, ,,Ich mache es nur für meine Kameraden." Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Herzen aus, alle für einen. Clintch widersprach nicht weiter, doch ich wusste das es ihm nicht gefiel. Er trieb die Bande zu einem schnelleren Gallopp an und der ruhige Schimmel prescht über die Prärie. Der staubige Boden flog unter seinen Hufen hinweg und ich klammerte mich fest an Clintch. Der Wind pfiff über uns hinweg, ich packte meinen Hut, damit er mir nicht vom Kopf flog. Clintch aber jagte unbeirrt weiter, mit festem Blick suchte er die Landschaft vor uns ab.
Schließlich, als wir ein kleines Wäldchen passierten, hob er die Hand und bedeutete uns stehen zu bleiben. Dann zeigte er schweigend mit dem Finger auf eine Gruppe Reiter und mir gefror das Blut zu Eis. Es war mein Vater und seine Kopfgeldjäger, selbst meine Brüder sah ich bei ihnen. Ich versuchte vergeblich meine Angst hinunter zu schlucken, doch meine Kehle war ausgetrocknet. Meine Familie und ich war dabei ihr in den Rücken zu fallen. Mein Herz setzte für einen Schlag lang aus, als Clintch die Waffe hob, zielte und schoss. Die Patrone sprang heraus und hielt auf meinen Vater zu. Ich wollte schreien, aber meine Kehle schnürte sich zu. Doch bevor die Patrone meinen Vater durchbohrte, hatte er sie bereits bemerkt und im letzten Augenblick sprang er von seinem Pferd. Das Tier wieherte erschrocken, als die Patrone über ihm hinweg flog. Ich konnte mir einen erleichterten Seufzer nicht unterdrücken. Mein Vater starrte mit weit aufgerissenen Augen, Clintch an. Hatte er das von dem Bandenanführer nicht erwartet? Clintch aber, ließ keine Zeit verstreichen und spornte seinen Hengst erneut zum Gallopp an. Der Weiße wieherte empört, bäumte sich auf und setzte mit einem weiten Sprung vor. ,, In den Canyon!", brüllte mein Vater zu seinen Leuten und rappelte sich auf die Füße. Die Kopfgeldjäger sprangen von ihren Pferden herab und stolperten an die Schlucht, um sich an dem schmalen Sims entlangzuhangeln. Wir waren noch einige Meter von ihnen entfernt und ich hatte den Canyon gar nicht bemerkt. Doch nun, als Clintch seine Bande antrieb und wir uns der Schlucht in Windeseile näherten, eröffnete er sich mir in seiner ganzen Größe. Wie ein gezackter Blitz schlängelte sich der Canyon durch das gelbe Gestein. Weit unten an seinem Grund, wuchs grünes Gras und ein kleiner, klarer Fluss schlängelte hindurch. Ich erhaschte die Kopfgeldjäger mit den Augen. Wie ein Ameisenvolk, hangelten sie sich nacheinander den engen Pass hinab, meinen Vater fand ich nirgends. Doch an der Wand gab es viele Abstufungen über die man klettern und Lücken indenen man sich verstecken konnte. Mein Herz sackte herab, es war ein Spielplatz für meinen kleinen Vater. Doch Gustav streckte plötzlich die Pistole aus und schoss von oben zwei Kopfgeldjäger von den Pässen. Rufe wurden laut und bald hatten sie sich vergrümelt, versteckten sich unter Vorsprüngen oder schossen auch zurück. Clintch stieg von seinem Schimmel herab. ,,Wir folgen ihnen.", brummte er und betrat den Pass. Die Gesetzlosen taten es ihm gleich und plötzlich befand ich mich mit Grace und Karl hier oben allein. Die Mutter betudelte ihre kleine Tochter und nickte mir auffordernd zu, ich solle den Gesetzlosen folgen. Langsam stieg auch ich von dem Schimmel herab und spähte nach unten. Was ist mit Clintch los? Warum schenkt er mir keine Beachtung mehr und lässt mich allein? Mein Herz pochte schwer in meiner Brust und bei jedem Schlag stieß sich eine Nadel in den Muskel. Angst sprudelte in mir hoch, wie der Kochtopf voll Wasser, denn ich fühlte mich schrecklich allein. Schnell eielte ich den Pass entlang. Er war breiter als ich angenommen hatte, doch einige lose Steine fielen herab und hätten mich beinahe zum Stolpern gebracht. Ich hörte die ersten Schüsse in dem Canyon hallen und hoffte Clintch bald zu finden. Da endlich, hinter dem nächsten Vorsprung entdeckte ich seinen breiten Rücken. ,,Clintch..!", rief ich ihm nach, doch er hörte nicht und lief einfach weiter. Er hatte einen schnellen Schritt, sein dunkler Blick war starr geradeaus gerichtet, er war auf etwas ganz anderes fokussiert, für mich interessierte er sich nicht mehr. Ich streckte den Hals und erhaschte einen Blick auf meinen Vater der vor Clintch daher tänzelte. Er hatte sichtliches Vergnügen dabei mit dem großen, bösen Bandenanführer Katz und Maus zu spielen. Er lachte und sein Lachen hallte von den Wänden zurück. ,,Wer hätte gedacht das Georges Sohn ein genauso Bekloppter ist wie er selbst?", mein Vater konnte sich ein verschmitztes Lächeln nicht unterdrücken, während er Clintchs Köder an den Haken seiner Angelschnurr klemmte, ,,Gut das ich ihn ermordete so habe ich der Welt einiges erspart. Fehlt nur noch sein Sohn. Dank mir später." Clintch ballte die Hand zur Faust und ein tiefes Grollen, wie ein Gewitter, donnerte in seiner Kehle. Zielstrebig stapfte er voran. Er sieht nur seine Wut. Mein Herz begann leise zu weinen. Oh Clintch.
Schließlich blieb mein Vater abrupt stehen und drehte sich zu Clintch um. Dieser war ebenfalls stehen geblieben. Zwischen sich ließen sie mindestens zweieinhalb Pferdelängen platz und funkelten sich gegenseitig herausfordernd an. Endlich konnte ich sie einholen. Doch gerade als ich Clintch erreichte, zogen beide die Revolver aus der Tasche und streckten sie sich entgegen. Für einige Sekunden blieb mein Herz stehen. Ich sah das Schauspiel vor mir, vor das ich mich immer fürchtete. Sie erschießen sich gegenseitig! Ich streckte die Hand aus und wollte Clintch an seinem braunen, staubigen Mantel fassen, aber da machte er bereits einen weiten Schritt nach vorn. Mein Herz tat einen Satz. Ich hörte die Steine unter seinen schweren Stiefeln knirschen. Der Boden unter ihm würde sein Gewicht nicht tragen können, wenn er einen weiteren Schritt machte. Dieser Pass war Einsturzgefährdet! Ich sah meinen Vater verräterisch grinsen. Das ist sein Plan! Clintch soll hier herunterstürzen! Verzweiflung ließ meinen Körper beben und ich bemerkte wie sowohl mein Vater als auch Clintch die Finger am Abzug anspannten. Ich muss etwas tun! Ich sammelte meinen Mut, den ich in mir finden konnte, jede Erinnerung an Clintch, jede an meinen Vater und stürzte mich vor, gerade in dem Moment als beide den Druck auf dem Abzug verstärkten. ,,Halt!", kreischte ich, obwohl ich nicht hatte kreischen wollen und stellte mich breitbeinig und mit ausgestreckten Händen in ihre Mitte. Der Boden unter meinen Stiefeln lockerte sich. Verblüffung zeichnete sich in die Augen der beiden Männer und sie ließen die Waffen wieder sinken. ,,Mary, aber..", brachte mein Vater zwischen seinen herabhängenden Lippen hervor, als der Stein unter mir nachgab. Ich verlor den Halt. Der Boden bröckelte, die Steine krachten zu Boden und mein Vater und Clintch mussten einige Schritte zurückweichen um nicht selbst hinunterzustürzen. Ein erschrockener Ton rutschte aus meiner Kehle. Ich ruderte mit den Armen in der Luft und konnte mich gerade noch an der gelben Wand festkrallen um meinen Fall zu stoppen. Nun hing ich dort an der Gesteinswand, wie ein schwerer Sack. Schwer atmend, zitternd vor Angst und mit den Tränen kämpfend baumelte ich über der Tiefe. Von meiner rechten Seite starrte mich mein Vater mit großen Augen an. Er war in die Knie gegangen und seine Augenbrauen zuckten kaum merklich mehrmals, er konnte nicht glauben was ich getan hatte. Ich habe seinen Plan durchkreuzt, dachte ich stolz, aber für welchen Preis? War es nicht eher Leichtsinn als Mut? Bei diesem Gedanken drehte ich meinen Kopf nach links und sah mich Clintch gegenüber. Nun beachtete er mich. Seine schönen, dunklen Augen hafteten an mir wie eine Klette. Sein verstaubtes Gesicht war zu einer ernsten Miene verzogen. Ich tauchte in seinen finsteren Blick hinein und fand dort nicht nur Ernsthaftigkeit. Ich entdeckte dort Angst, Schuld und einen Hauch Reue. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen, obwohl mir heiße Tränen die Wangen herabrollten. ,,Hast du denn jetzt vollkommen die Besinnung verloren?", hörte ich meinen Vater rufen und ich drehte mich ihm wieder zu, ,,Willst du dich jetzt etwa auch noch umbringen?!" Seine Stimme war wütend und er streckte sich über den Rand zu mir hinaus. Clintch machte es ihm gleich und plötzlich streckten beiden Männer ihre Arme nach mir aus, soweit sie konnten, und riefen gleichzeitig:,, Nimm meine Hand!" Ich biss die Zähne aufeinander. Unschlüssig sah ich von einem zum anderen. Beide sahen mich eindringlich an. Beide hatten die Lippen zu einer schmalen Linie gedrückt. Beide forderten mich auf nach ihrer Hand zu greifen und ich liebte beide. Nun siehst du, Clintch, ich muss mich doch entscheiden. Meine Nasenflügel zitterten und ich spürte wie der Stein, an den ich mich klammerte, rutschte. Ich zuckte erschrocken zusammen, als er ein kleines Stück nachgab. ,,Mary, nun nimm schon meine Hand!", brüllte mich Clintch von der linken Seite an, als er sah das ihm die Zeit davon lief. Er lehnte sich weiter hinaus. Ich hatte die Verzweiflung in seiner Stimme gehört und es brach mir das Herz. Zudem wusste ich, das wenn ich mich weit genug streckte könnte ich sowohl meinen Vater als auch Clintch erreichen. Aber ich konnte mich nicht entscheiden. Ich konnte nicht beide erreichen, sonst müsste man mich teilen. Ich wusste das ich ein Schlüssel zwischen den beiden darstellte, der in das linke oder das rechte Schlüsselloch gesteckt werden konnte. Wenn ich mich entscheiden würde, dann währe die Bahn für den jeweils anderen frei und ich hätte ihm das Herz gebrochen und mir selber auch. Egal wen ich wählte, bei beiden würde es auf das selbe hinauslaufen. Vor einigen Nächten sagte Clintch zu mir ich müsse mich nicht entscheiden, wir könnten auch eine andere Möglichkeit finden. Clintch, vielleicht hast du damit doch recht. Ich hörte seine Stimme in meinem Kopf, die mir zuschrie ich sollte diesen Gedanken vergessen und mich einfach entscheiden, egal für wen, Hauptsache ich sei in Sicherheit. Doch ich konnte nicht, egal wie sehr ich es für ihn gewollt hätte. Mein Herz pumpte laut in meinen Ohren, als ich Clintchs verzweifelten Blick lange begegnete. Ich konnte ihn kaum, zwischen dem Schleier meiner Tränen erkennen. Doch ich spürte deutlich sein Verlangen mich festhalten zu wollen, für immer und ewig. Ich wusste nicht wie er mich sah, ob er mich lächeln sah, als ich die Finger von dem Stein ließ. Die Schwerkraft packte mich und ich stürzte stumm hinunter. Der Wind pfiff an mir vorbei, kleine Steinchen folgten mir. Ich sah wie sich mein Vater und Clintch nach unten beugten, in dem Versuch mich noch zu packen, doch sie verfehlten meine Hand. Clintchs Stimme brüllte mir meinen Namen hinterher, doch auch seine schöne, raue Stimme konnte mich nicht auffangen.
Ich fiel, in die Endlosigkeit.

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