15.Kapitel Jack Garrett

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Ich erwachte aus dem Schlaf. Langsam und mühsam öffnete ich die Augen. Mein Körper fühlte sich steif und kalt an, der Frost lag schwer auf meinen Knochen. Knapp eine Woche saßen wir hier oben schon fest. Auch wenn Amanda und Becky, Clintch jeden Tag bedrängten, das wir endlich von hier fort mussten und auch wenn er jedes Mal sagte, das wir bald gehen würden, waren wir immer noch hier. Ich seufzte, offenbar hatte ich diesmal länger geschlafen als üblich, denn Clintchs Platz, neben mir, war leer. Ich setzte mich auf, auch Frank und Grace konnte ich im benachbarten Raum nicht hören. Ich stand auf und stakste unbeholfen aus der Hüttentür. Wie angewurzelt blieb ich auf der Veranda stehen. Der Schreck fuhr mir in die Glieder. Clintch stand dort, mitten auf der Bahn. Doch sein Blick war ernst und finster. Mittlerweile kannte ich diesen Ausdruck, er verhieß Gefahr. Ich sah die anderen Gesetzlosen ebenfalls auf den Verandas stehen, sie blickten alle in die selbe Richtung in die auch Clintch sah. Kurzzeitig begegnete Gustav meinen verwunderten Blick und er nickte knapp in diese Richtung. Ich folgte seinem Blick und runzelte die Stirn. Dort näherte sich eine Gruppe aus Männern und Frauen. Allesamt blickten sie finster, doch die Waffen steckten in ihren Gürteln. An ihrer Spitze stolzierte ein mittelgroßer, schlanker Mann. Er hatte die Ärmel seines Mantels nach oben gekrämpelt, so konnte man gut seine narbenübersähten Arme bewundern. Seine Augen waren starr auf Clintch gerichtet, doch auch er hatte keine Waffe gezogen. In einiger Entfernung blieben sie schließlich stehen. Ich spürte wie die eisige Luft, um uns herum, vibrierte vor Spannung. ,,Wir sind gekommen um unseren Kameraden abzuholen. Ich hörte bereits davon, das ihr ihn hier haben sollt.", sprach der Fremde und sah sich gelassen um. Mein Herz pochte, wer war dieser Mann? Eine lange Zeit erwiderte Clintch nichts. Es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, wie er den Fremden warten ließ. ,,Jack Garrett. Was verschafft uns die Ehre?", fragte Clintch schließlich, mit einem leicht ironischen Ton. Mir stockte der Atem, der Mann ist Jack Garrett? Der Anführer der kurze Zeit auch mal meiner gewesen war? Jack stieß die Luft aus und wiederholte:,, Das sagte ich bereits, Clintch McKay. Ich möchte Jim Cartwright abholen." Clintch kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. ,,Ich bitte dich.", murmelte er leise, ,,Du scherst dich doch ein Dreck um diesen Burschen." Jack tat es ihm gleich. ,,Woher willst du das wissen? Ich will meinen Kamerade wiederholen, ob nun mit oder ohne Blutvergießen." Jack schaute sich suchend um. ,,Also, wo habt ihr ihn versteckt?" Eine beängstigende Stille kehrte wieder ein und die zwei rivalisierenden Banden starrten sich an. Schließlich wagte es Jack, einige weitere Schritte auf Clintch zuzugehen, dabei sprach er ruhig:,, Clintch, ich habe viele Jahre damit verbracht mich an dir zu rächen,  doch immer warst du mir einen Schritt voraus. Ich hatte deinen verletzlichen Punkt vergeblich gesucht und nie gefunden. Weil es keinen gab. Doch nun..", er blieb stehen, ,,...dreht sich das Blatt. Denn nun bin ich dir einen Schritt voraus, denn ich weiß nun deine Schwäche. Ich hatte genug Zeit euch zu beobachten." Jack hielt kurz inne und betrachtete die Gesetzlosen Clintchs mit  abschätzigem Blick. Dann wandte er sich wieder an den Bandenanführer. ,,Ich erlaube mir, dir einen kleinen Rat  zu geben, Clintch. Achte darauf was du tust,  denn du stehst ständig unter Beobachtung. " Jacks Blick war eindringlich. Mein Körper erstarrte, wie zu einer leblosen Statur, als Jack seinen Blick zu mir wandte. Mein Mund war trocken, doch ich musste dennoch schlucken. Bin ich Clintchs Schwäche? Doch bevor ich noch genauer darüber nachdenken konnte, packten mich starke Hände von hinten. Der Mann der sich an mich heran geschlichen hatte, verengte mir die Arme schmerzhaft auf den Rücken und drückte mir eine Pistole gegen die Schläfe. Ich zog scharf die Luft ein, Schrecken fuhr mir in die Glieder. Doch bevor sich Clintch rühren konnte, sprangen weitere Männer und Frauen aus den Hütten, packten die Gesetzlosen ebenfalls und hielten ihnen geladene Waffen an den Kopf. Für ein paar Sekunden begegnete ich Amandas Blick, doch dann schauten wir alle erwartungsvoll auf Clintch. Selbst den kranken Herbert hatten sie aus der Hütte geschleift und hielten ihm die Waffe an den Kopf. Sein Gesicht war blass, er konnte sich kaum selbst auf den Beinen halten und seine Augen waren nur halb geöffnet. Er brauchte Ruhe und keine Aufregung. Jack erlaubte sich für ein paar Minuten ein siegreiches Lächeln und auch er richtete anschließend einen Revolver auf Clintch. ,,Wenn du dich auch nur einen Zentimeter bewegst.", murmelte Jack spöttisch, ,,Dann gibst du meinen Kameraden die Erlaubnis zu schießen. Also, Clintch, wie ist dein Plan?" Jack gab seinen Leuten ein kurzes Zeichen und einige von seiner Gruppe stapften los und zogen aus der letzten Hütte den schwachen Jim heraus. Er hing genauso schlaff an seinen Kollegen herab wie der Herbert. Ich biss die Zähne zusammen, Clintch bewegte sich immer noch nicht. Die Sekunden schienen ewig dahin zu streichen, in denen wir schweigend dastanden und sich die beiden Anführer einen Krieg der Blicke lieferten. Schließlich zuckte Jack mit den Achseln und sagte:,,Du darfst auch sprechen." Clintchs dunkler Blick wanderte langsam an Jack vorbei. ,,Du hast den Jungen. Deswegen warst du doch hier, nicht wahr?", fragte Clintch schließlich ungerührt. Ein belustigtes Funkeln leuchtete in Jacks Augen und er erwiderte:,, Wenn ein McKay bei einem in der Falle sitzt, dann lässt man ihn so schnell nicht wieder ziehen..." Doch plötzlich verschwand das Glitzern in Jacks Augen und er starrte Clintch prüfend an. ,,Was soll die Frage?" Er verengte misstrauisch die Augen zu Schlitzen. Doch Clintch blieb ausdruckslos. Mit steinigen, dunklen Augen schaute er an Jack vorbei. Ich konnte seinem Blick nicht folgen, ich wagte es nicht mich zu bewegen. ,,Weißt du wie viele wir sind, Jack?", fragte Clintch ihn schließlich und ging auf seine Frage nicht weiter ein. Doch er ließ ihn nicht zu Wort kommen und fuhr fort:,, Ich weiß, wir sind ein übersichtlicher Haufen. Aber demnach wäre es umso peinlicher für dich, wenn du jemanden vergessen hättest." Clintchs Worte hüpften in meinem Kopf herum, wie aufgeregte Eichhörnchen. Was sollte das heißen? Ich sah die Gesetzlosen mit suchendem Blick, einen nach dem anderen an und plötzlich verstand ich es. Jemand fehlt. Ich sah an Jacks Gesicht, wie er nachdachte, wie ihm die Worte Clintchs genauso wild im Kopf umherhüpften, wie bei mir. Doch ihm blieb keine Zeit mehr. Da fielen die ersten Schüsse. Sie kamen von weiter hinten und die Männer, die sich an Gustav und Frank geklammert hatten, fielen zu Boden. Die Mannschaft Jacks wirbelten herum, doch derjenige der geschossen hatte, war nicht mehr dort. Auch Gustav und Frank reagierten, sie befreiten ihre Kameraden aus den Griffen der verfeindeten Leuten. Bald hatte sich Clintchs Mannchaft befreit, verteilte sich, suchten Schutz hinter den Hütten und schossen auf Jacks Gruppe. Auch meinen Angreifer hatten sie niedergestreckt und ich duckte mich, um den herannahenden Patronen der Feinde zu entfliehen und huschte von der Veranda. Ich wusste wer von uns gefehlt hatte. Ich sah Gustav, Sindy, Becky, Amanda, Frank, Karl, Michah, John, Herbert und Clintch. Doch Grace hatte gefehlt. Jack konnte nicht wissen das wir Grace bei uns hatten und hatte nicht mit ihr gerechnet. Die kleine, mit vielen Tüchern umwickelte Tochter, im Arm, die Pistole am Ende ihres ausgestreckten Armes. Niemand wusste wie gefährlich eine Mutter werden konnte. Doch ich bewunderte Grace dennoch für ihre Gnade. Sie hasste Clintch und sie würde ihn wohl auch noch bis zu ihrem Tod hassen, doch dennoch hatte sie uns das Leben gerettet.
Ich flüchtete mich hinter einen der Hütten und begegnete dort John. Gustav lehnte sich gerade um eine Ecke und ließ mehrere Schüsse los. Fluchend drückte er sich wieder gegen die Wand, als drei Patronen zurück kamen. Er lud seinen Revolver neu. ,,Diese Verdammten! Sie bewegen sich wie glitschige Fische!" Ich huschte an den beiden vorbei, während diese ebenfalls ihren Standort wechselten. Flink verschwand ich in der Enge zwischen zwei Hütten, hockte mich auf den Boden und drückte meinen Rücken gegen die Wand. Mit zitternden Händen zog ich meine Pistole aus meinem Gürtel. Mein Herz schlug schneller, ich hörte dumpfe Schritte die sich mir näherten. Ich hörte wie der Schnee knisterte unter seinen großen Stiefeln. Ich hielt meine Pistole bereit, bereit auf den Fremden zu schießen sobald er um die Ecke kam. Doch zu meinem Glück schoss ich doch nicht. Ein massiger Körper hievte sich neben mich und stieß mich beinahe um. Er schoss mit seinem Revolver mehrmals um die Ecke und ich hörte wie die Feinde vor Schmerzen stöhnten und zu Boden gingen. Clintch drehte sich zu mir um. Er nickte mir kurz zu. ,,Alles gut?", fragte er knapp außer Atem. Doch er streckte bereits schon den Arm aus und schoss auf jemanden der hinter mir um die Ecke gekommen war. Ich nickte nur leicht. Clintch stand wieder auf und hastete die hölzerne Wand der Hütte entlang. Ich folgte ihm. Mein Herz raste und das Blut pumpte durch meine Adern, als er nach meiner Hand griff und über eine freie Fläche hastete, um in den Schutz der gegenüber liegenden Hütten zu gelangen. Er zog mich mit sich ohne etwas zu sagen und hatte den Blick starr geradeaus gerichtet. Als plötzlich ein lauter Schuss durch den Wind hallte.
Mir entfloh ein Schrei aus der Kehle und ich fiel. Ein Schmerz zuckte mir durch den Schenkel. Ich stolperte, verlor das Gleichgewicht und fiel direkt in Clintchs Arme. Jemand hatte mich getroffen. Die Patrone war durch den Stoff der Hose durchgedrungen und hatte die Haut darunter aufgeschürft. Nun klaffte in meinem Schenkel ein tiefer Krater. Ich begann zu zittern, mein Bein fühlte sich beinahe taub an. Mein Atem rasselte. Ich spürte Clintchs Hand, wie er sie auf meine Wunde drückte, um die Blutung zu stoppen, doch mein rotes Blut schlängelte sich zwischen seinen Fingern hindurch. Er war in die Knie gegangen und drückte mich an sich, während ich zitternd wimmerte und mich an sein Hemd klammerte. Der Schock war mir ins Gesicht geschrieben. Jack Garrett kam aus seinem Versteck gekrochen und hielt Clintch den Lauf eines Revolvers entgegen. Er lachte leicht. ,,Wusst ich's doch.", murmelte Jack finster, ,,Deine Schwäche ist dieses Mädchen, hab ich nicht recht? Du würdest nicht einmal von ihrer Seite weichen, wenn ich dir den Kopf vom Körper reiße!" Jack kam auf uns zu. ,,Ich will dich nicht töten, Clintch. Ich will dich leiden sehen, direkt vor meinen Augen. Genauso wie du mich hast leiden lassen!" Jack blieb stehen und richtete nun die Waffe auf mich. Mir stockte das Herz. Jacks Bande hatte uns in die Mangel genommen. Auf Gustav und John wurden die Waffen gerichtet. Karl, Frank und Michah drückte man in den tiefen Schnee. Sindy, Becky und Amanda hatte man entwaffnet und allen dreien drückte man eine Pistole gegen den Kopf. Mit einem Messer bedrohte man Graces Tochter. Herbert schniefte in einer Ecke. Und mich bedrohte Jack mit dem Tod, um Clintch machtlos zu machen. Ich zitterte, war das unser Ende? Ich spürte wie Clintch sich anspannte, als Jack seine Hand am Abzug verkrampfte. Doch plötzlich begegnete ich Jims Blick. Er saß ein Stück weit abseits auf der Treppe der Veranda. Seine Augen waren immer noch halb geschlossen und er krümmte sich. Doch plötzlich erhob er sich zitternd und stolperte schwach zu Jack herüber. ,,Jack.", krächzte er, ,,Lass es bitte für heute gut sein. Du hast mich jetzt, lass uns gehen." Doch Jack wehrte in hart ab und stampfte auf den Boden. ,,Nein!", schrie er, ,,Ich habe Jahrelang auf diesen Moment gewartet! Ich habe mich Jahrelang nach diesem Moment gesehnt! Ich werde jetzt nicht gehen! Ich werde es hier und jetzt zu Ende bringen!" Jacks Augen waren feucht. Speichel flog ihm aus dem Mund, während er sprach. Er wirkte rasend. Der blanke Hass in seinem Gesicht machte mir Angst. Was könnte Clintch ihm angetan haben, das dieser Mensch so die Fassung verlieren konnte? Jack ballte die Hand zur Faust, doch Jim legte ihm die Hand auf die Schulter und entgegnete:,, Du wirst noch eine zweite Chance bekommen." ,,Eben nicht! Es gibt keine zweite Chance! Das ist meine einzige Möglichkeit! Wenn ich ihn jetzt ziehen lasse, werde ich es nie mehr so weit bringen!" Jacks Stimme war laut, beinahe konnte ich daraus Verzweiflung hören. Doch plötzlich lehnte sich Jim zu ihm vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Jacks Miene glättete sich. Kalt blickte er auf uns herab. Plötzlich gewann er seine Gelassenheit zurück, wirbelte seinen Revolver in der Hand herum und steckte ihn zurück in seinen Gürtel. Er sagte nichts, er drehte sich einfach um und ging. Seine Leute taten es ihm gleich. Jim blieb noch kurze Zeit stehen und zwinkerte mir ganz zart zu, eher er seinem Anführer stolpernd folgte. Die Gesetzlosen schauten ihnen nach.
Als sie zwischen den Bäumen verschwanden, sprang Amanda auf und eielte zu mir und Clintch. Behutsam nahm sie mich entgegen und Clintch stand auf. ,,Was hast du nun vor?", fragte Karl ihn leise und alle Augen richteten sich auf ihren Anführer. Clintchs Blick richtete sich auf Gustav und John. ,, Achtet darauf das Jacks Bande sich weit genug von uns entfernen.", befahl er mit rauer Stimme und Gustav und John nickten. Dann richtete Clintch seinen harten, dunklen Blick auf Herbert. ,,Wir werden aufbrechen, gleich morgen früh."

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