19.Kapitel Gerettet

56 2 0
                                    

Kurzzeitig erwachte ich aus meiner Ohnmacht, als ich spürte wie Clintch mich gegen eine alte Scheune lehnte. Ich hörte das Feuer hinter uns knistern und ich konnte immer noch den Rauch riechen, doch er vermischte sich mit frischer Waldluft. Ich atmete erleichtert ein, doch plötzlich überkam mich ein schwerer Hustenanfall. Ich stöhnte gequält, als ich meine klaffende Wunde wieder spürte und auch meine Verletzung am Bein, begann unangenehm zu pochen. Ich konnte mich nicht rühren und erwartete das Clintch mich anschrie oder erschoss oder irgendetwas anderes tat um mir zu schaden, doch stattdessen zog er ein Taschentuch aus seiner Tasche und drückte es mir gegen die Wunde. Mein Kopf brummte und ich berührte mit der Hand seinen Arm. ,,Clintch..", krächzte ich leise, ,,Es tut mir Leid.." Ich wusste nicht ob er das hören wollte, ob es der richtige Zeitpunkt war oder ob er mir überhaupt glaubte. Aber ich wollte es einfach gesagt haben. Er reagierte nicht, sondern hob mich erneut hoch und brachte mich, mit schnellem Schritt, aus dem Rauch. Durch die Bewegung entfloh mir kurzzeitig wieder das Bewusstsein. Doch als er mich an einen Baum lehnte, neben einem kleinen Bachlauf und mir das kühle Wasser ins Gesicht spritzte, wurden meine Sinne schärfer.
Von weiter Ferne hörte ich das Wiehern von Pferden und zwischen den Bäumen konnte ich einen Planwagen erkennen. Bekannte Gesichter schauten daraus hervor, manche waren noch rußbedeckt. Schließlich sprang Amanda heraus und kam auf uns zu. Ich griff nach Clintchs Hand. ,,Clintch...", murmelte ich und suchte seinen Blick, doch er entzog sich mir und stand auf. Amanda kniete sich neben mir nieder, auf die Erde. Auch ihren Blick konnte ich nicht deuten. Einige andere der Gesetzlosen gesellten sich dazu. Auch Mitch war unter ihnen, als er mich sah, stürzte er sich auf mich und stieß Amanda beinahe zur Seite. ,,Oh, Mary, geht es dir gut? Tut es sehr weh? Kann ich dir irgendwie helfen? Soll ich dir etwas bringen?", Mitch redete so schnell auf mich ein, das ich kaum hinterher kam, schließlich drückte Amanda ihn beiseite. ,,Nun lass sie doch erstmal zu Atem kommen.", sagte sie mit belegter Stimme. Clintch packte ihn am Kragen, zog ihn auf die Beine und stieß ihn in die entgegengesetzte Richtung. Er wandte sich von mir ab, als ein erneuter Hustenanfall, seine Energie beanspruchte. Amanda säuberte derweil meine Wunde und kümmerte sich so gut sie konnte darum, doch sie sagte nichts. Ich wusste das es sie ihm Herzen stach. Gustav kam ebenfalls auf uns zu und richtete drohend seine Pistole auf mich. In seinen Augen glitzerte Zorn, also gab es hier doch jemanden der meinen Tod wünschte. ,,Nimm die Waffe runter, Gustav.", befahl Amanda mit lauter Stimme und drehte sich zu ihm um. Doch Gustav befolgte ihre Worte nicht, er entgegnete:,, Hast du in den letzten Stunden geschlafen? Sie ist eine Kopfgeldjägerin, man kann ihr nicht vertrauen." ,,Siehst du nicht das sie verletzt ist? In diesem Zustand kann sie dir wohl wenig antun.", Amandas Stimme wurde wütend, beinahe schrie sie Gustav an. ,,Man kann bei diesen Leuten nie wissen.", rief Gustav und er spannte sich an, ,,Auf jeden einzelnen von uns ist ein Kopfgeld ausgesetzt, das jeden Bürger bis zu seinem Lebensende reich machen würde. Wir sind wie wandelnde Goldbarren!", Gustav sah sich finster um, ,,Womöglich verstecken sich diese verdammten Ratten in den Bäumen!" Amamda murmelte etwas unverständliches und wandte sich von Gustav ab. ,,Wo sind die anderen drei Planwagen?", wollte Clintch von Gustav wissen, ohne auf den vorherigen Streit zu reagieren. Gustav nahm die Waffe herunter und antwortete ihm:,, John, Michah, Karl, Frank und Sindy kommen mit ihnen nach." Clintch nickte nur und wandte sich wieder ab. Ein weiteres Mal hörte ich ihn husten.
Ich schloss die Augen. Ich konnte spüren das die Bande angespannt war, ihre Nerven waren gereizt, ihre Stimmen waren laut und gellend.
Als John mit den anderen und den restlichen drei Wagen ankam, hatte Amanda bereits meine Wunde versorgt. Sie hatte sie sorgfältig wieder zusammen geflickt, doch sie pochte unangenehm und bei jeder Bewegung spürte ich ein ziehen. So saß ich stocksteif wie eine Statur am Ende des Planwagens, ließ meine Beine baumeln und starrte ins Nichts. Die Gesetzlosen beachteten mich nun nicht mehr, bis auf Gustav, der mir hin und wieder wachsame Blicke zu warf. Als Karl vom Wagen sprang fluchte er laut. ,,Verdammter Mistkerl!", er kickte einen Kiesel vor sich in die Luft und fuhr Clintch an, ,,Wie oft soll dieser Monroe denn noch in unseren Angelegenheiten herumfuschen?! Jedes mal gehen wir beinahe drauf! Wann unternehmen wir endlich etwas gegen diese verwöhnte, stinkreiche Laus?!" Er spuckte auf den Boden. Alle starrten Clintch an, doch Clintch seufzte nur schwer und entgegnete heißer:,, Im Grunde genommen rettete er uns vor dem Galgen..." Seine Stimme war leise und nicht gerade überzeugend. ,,...Und hetzte dann seine Leute auf uns und wenn man Glück hatte und nicht von einen von denen erschossen wurde, verbrannte man am lebendigen Leibe! Dieser Typ geht mir gehörig auf den Zeiger.", pflichtete Frank Karl bei. Clintchs dunkle Augen waren halb geschlossen:,, Er könnte uns vielleicht noch von nützen sein.", murmelte er tief, ohne seine Kollegen anzusehen. Doch Becky widersprach protestierend. ,,Das sagst du uns jedes Mal, Clintch!", rief sie aus, ,, Mir kommt es langsam so vor als wolltest du diesen Spinner schützen! Der Kerl verdient eine Tracht Prügel! Der soll lernen das mit uns nicht so herumgesprungen werden kann!" Sie riss die Faust in die Luft und einige der Bandenmitglieder, riefen ihr Zuspruch zu. Ich hörte es mir an, auch Clintch hörte es sich an. Doch ich sah an seinen matt glänzenden Augen, das ihm Stück für Stück der Geduldsfaden zu reißen drohte. Schließlich brüllte er:,, Jetzt reicht es!", er durchbohrte mit seinem steinigen Blick jeden einzelnen seiner Bandenmitglieder, ,,Von mir aus könnt ihr gerne zu ihm herüber marschieren und seine Fresse pulieren! Aber kommt dann ja nicht heulend zu mir gekrochen und jammert darüber das ihr stattdessen an seinen Schuhen lecken musstet!" Eine schwere Stille legte sich nun über die Gesetzlosen. Clintch atmete tief ein und fuhr fort:,, Ich sage euch nur eins, wäre er nicht gewesen, würdet ihr alle hier nicht stehen! Ihr würdet immer noch auf der Straße, euer erbärmliches Leben bedauern! Oder eure Leichen würden bereits in irgendeiner vergessenen Gosse vor sich hin verwesen. Also entweder hört ihr jetzt auf euch zu beschweren und kommt mit mir mit, damit wir so fortfahren können wie bisher oder ihr geht und jagt ihn um die ganze Welt!" Clintch marschierte wutschnaubend an ihnen vorbei und setzte sich auf einen der Planwagen. Es ging etwas in den Köpfen der Gesetzlosen herum, ein schuldbewusstes Wissen von dem ich noch nichts wusste. Doch einer nach dem anderen folgten sie Clintchs Worten schweigend, schwangen sich auf ihre Pferde oder sprangen auf die Planwagen und der Trek setzte sich in Bewegung. Ich blieb am Ende des Wagens sitzen, ich wollte mich ungern bewegen.
Während der Fahrt lag Stille über der Mannschaft, keiner sprach mehr ein Wort über Monroe oder sonst irgendwen und mir kam es vor als fuhr ich mit eingeschüchterten Kindern auf eine Reise.
Doch schließlich kam man wohlbehalten an einem neuen Lagerplatz an. Clintch meinte, es solle nur vorübergehend als ein Lager dienen, denn wir lagerten auf einer offenen Wiese, in einer flachen Mulde, umringt von Mohnblumen. Hier sollten die Gesetzlosen ersteinmal ihren Verstand wieder klären. Doch ich würde sie verlassen. Ich wusste das ich gehen musste. Bald am folgenden Tag würde ich mit einem Pferd und ein wenig Proviant abreisen. Es wurde nicht darüber gesprochen, es war für alle selbstverständlich und ich bezweifelte auch das sie mich vermissen würden.

In The WestWo Geschichten leben. Entdecke jetzt