Ich warte jetzt seit dem frühen Mittag in einer Schlange, die sich durch das ganze Dorf zieht. So langsam werde ich müde, schließlich ist es fast schon dunkel. Ich hoffe bloß, dass ich nicht zu spät bin. Ich bin zwar schon vor dem Morgengrauen aufgebrochen, haben aber den doch nicht so kurzen Weg unterschätzt. Also kam ich erst gegen 11 Uhr an die Stelle, wo die Schlange ihr Ende fand. Seitdem warte ich und denke pausenlos an Mutter und Vater und an unseren kleinen idyllischen Hof. (Das angehängte Foto ist besagter Hof) Wie schön wäre es jetzt, noch eben das Vieh zu versorgen und dann in, für meine Verhältnisse, sehr flauschige Decken zu fallen... Aber ich darf mich nicht mit solchen wenn-ich-dochs ablenken. Ich habe mich gegen mein altes und für ein neues, aufregenderes Leben entschieden. Ich gehe entschieden wieder einen Schritt vor und merke mal wieder, wie nervös alle hier sind. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und sehe, dass immer noch sehr viele in der Schlage vor mir stehen. Zu viele, wenn ich ehrlich sein soll. Ich versuche, positiv zu denken, aber es gelingt mir nicht ganz. Die Zeit zieht sich einfach wie Kaugummi. Es wird Nacht um mich herum und die Schlange wird immer kürzer. Schließlich sehe ich, dass nur noch drei Männer vor mir stehen. Sie sind sehr dünn und nicht gerade gut gebaut, also fange ich an mir Chancen auszurechnen. Aber der kleine Funken Hoffnung wird sofort zerstört, als ein Offiziersgehilfe den Vorhang schließen will, hinter dem die Musterung stattfindet. Ich werfe ihm einen nicht allzu freundlichen Blick zu und zu meinem Erfreuen erstarrt er unter meinen Augen. Ich hatte schon immer das Talent, Leute spüren zu lassen, wie ich mich fühle oder mich in andere hinein zu versetzen. Das kam mir jetzt zugute und der Offiziersgehilfe bleibt weiterhin bewegungslos.Ich sehe, wie alle drei Männer der Reihe nach abgewiesen werden. Sie steigen auf ihre Pferde und reiten davon ohne noch einmal zurück zu schauen. Ich richte mich auf und versuche, dabei nicht affig auszusehen. Es gelingt mir wohl ganz gut, denn als ich in das Musterungszelt komme, spüre ich verheißungsvolle Blicke auf mir.
Ich bleibe einige Sekunden stehen und schon werde ich alles abgefragt. Wie ich heiße, woher ich komme, wer mein aktueller Arbeitgeber ist... und dann die entscheidende Frage: „Wie alt sind sie eigentlich?“. Ich zögere nicht und sage gerade heraus :„20, Sir“. Ich lasse die Augen über die Offiziere wandern und sehe, dass sie abschätzen, ob ich die Wahrheit sage. Naja, ob sie einem 16-jährigen wohl abnehmen, dass er 20 ist? Aber nach und nach sehe ich in Gesichter, die voller Glauben sind. Man sagt mir, ich solle zu den Zelten gehen und man überreicht mir meine Uniform mit den Worten : „Willkommen in der Armee. Sei froh, du könntest es zu etwas richtig großem bringen“.
Ich lächle den Offizier leicht an und verschwinde in Richtung Zelte. Ich werde in eine Kabine mit mehreren Neuankömmlingen eingeteilt und ziehe mich um. Die Uniform fühlt sich kratzig an, aber sie ist warm und ich werde mich daran gewöhnen. Ich habe vor einer Weile beschlossen, ein Logbuch zu schreiben, wenn ich in der Armee aufgenommen werde. Ich schreibe also mit einem Steift meinen Namen und eine weitere Zeile in mein neues “Buch“,eine Ansammlung von Pergamenten. Ich schreibe nur eine einzige Zeile, bevor ich mich schlafen lege:Ich habe es geschafft.
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Liebe hat eine schöne Farbe - Die Alisper-geschichte
FantasyGanz von Anfang an. Die Geschichte von Alice und Jasper aus wechselnden POV's. Vom Leben vor der Verwandlung, ihrem ersten Treffen, und alles was das (nicht-)Leben so mit sich bringt. (Alle Änderungen der Geschichte tragen zum Spannungsbogen bei und...