erwischt

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Kapitel 20
Luna
Sie lief los. Blindlinks und ohne wirklich darüber nachzudenken, wo sie hinwollte oder warum sie eigentlich weglief. Sie wollte einfach nur entkommenWarum sie das wollte wusste sie selbst nicht. Tagelang hatte sie sich heimlich gewünscht, einen der Männer wiederzusehen und nun waren sie sogar beide hier und sie lief davon. Das war doch albern! Das war ihr irgendwie klar, aber als sie dem Fluchtinstinkt einmal nachgegeben hatte, schien es zu spät zu sein. Ihre von Adrenalin gefluteten Muskeln hatten sie bereits auf die andere Seite der Brücke getragen und ihr Verstand versuchte den leichtesten Weg durch die Menge zu finden, um nicht von dem Menschenstrom wieder zurückgedrängt zu werden und damit Zed und Cole entgegen, die ohne Zweifel Kurs in ihre Richtung genommen hatten. Doch das war leichter gesagt als getan.Das Feuerwerk würde in wenigen Minuten losgehen und die Leute wollten auf die Brücke und nicht herunter und so war Luna dazu gezwungen sich mit Druck einen Weg zu bahnen und dafür erntete sie einige Male wütende Blicke von spürte sehr wohl, dass einige der Kerle es nutzten, um ihre Hand unter ihren Rock gleiten zu lassen. Vielleicht war es aber auch nur ein Versehen, sie wusste es nicht und hatte auch keine Zeit sich damit zu beschäftigen. Sie quetschte sich einfach weiter, steckte einige Stöße von Ellenbogen ohne zu jammern weg und erreichte dann tatsächlich endlich das Ende der Brücke, wo das Gedränge endete und sie sich atemlos einige Sekunden gönnte, um sich zu beruhigen. Als sie einen Blick zurück warf, waren Cole und Zed nirgends zu sehen und Luna gönnte sich einen weiteren Moment, um den Faltenrock mit den Fingern glatt zu streichen und ihre Bluse auf Schäden zu kontrollieren. Die Zierbänder an den Armen waren ein oder zweimal an irgendetwas hängen geblieben aber es schien nichts gerissen zu sein. Selbst ihre Umhängetasche war nach einigen Malen draufklopfen wieder so fluffig wie vorher und Luna konnte aufatmen. Sie war ohne Schaden davon gekommen. Gott sein Dank. Kein Zed, kein Cole, kein...„Geht es dir nicht gut?", fragte eine etwas zu hohe Männerstimme sie von der Seite und nachdem Luna erschrocken zusammenzuckte sah sie Phil neben sich stehen, der ihr wortlos ihren Becher Cola reichte. Wie zum Teufel war er auf diese Seite des Flusses gekommen, der mitten durch den Campus führte und zwei Fakultäten voneinander trennte?
„Was?", fragte Luna etwas verdutzt, aber Phil sah für einen Moment ernsthaft besorgt aus.
„Veronika hat dich zu Brücke gebracht und jetzt bis du heruntergestürmt. Dir ist schlecht, oder?", fragte er weiter und hielt ihr immer noch die Cola hin. Als Luna endlich danach griff und dankbar für diese Ausrede schnell nickte, schien Phil stolz auf sich.
„Wusste ich doch, dass du etwas blass aussiehst. Aber ich bin ja Arzt, ich muss es wissen!", lobte er sich selber und anstatt irgendetwas an dieser Aussage zu korrigieren, Nippes sie lediglich an ihrem Becher und war überrascht, als Phil plötzlich nach ihrer Hand griff und versuchte sie mit sich zu ziehen.
„Ähm. Wohin willst du denn?", fragte sie misstrauisch, aber Phil grinste nur und zwinkere ihr verschwörerisch zu.
„Dir ist nicht gut, also dachte ich wir suchen uns ein ruhigeres Plätzchen." Das klang logisch und eigentlich nach einem guten Plan, also nickte Luna und versuchte auch nicht Phil ihre Hand zu entziehen. Was sie im Nachhinein wohl hätte machen sollen, denn kaum hatten sie zwischen den Bäumen des Campus etwas Abstand zu allen anderen bekommen, die sich das Feuerwerk ansehen wollten, drehte sich Phil zu ihr um und küsste sie so plötzlich, dass Luna einfach zur Salzsäule erstarrte.
Seine Hasenlippen legten sich ohne jegliche Leidenschaft auf ihre, er bewegte seinen Mund nicht, versuchte nicht in einen sinnlichen Tanz mit ihrer Zunge zu verfallen. Alles an diesem Kuss war in höchsten Maße anständig. Doch abgesehen davon, dass dieser Kuss rein technisch so gar nichts mit dem zu tun hatte was sie sich ersehnte, so war das Wissen darum, dass es Phil war der das tat, dermaßen merkwürdig, dass sie sich schwer damit tat, keine angeekelte Miene aufzusetzen als er seinem Mund wieder von ihrem nahm.
„Oh", war alles, was sie dazu sagte, zog die Augenbrauen zusammen und versuchte ihn nicht anzusehen während sie einen Schritt zurück machte, um ihm nicht nochmal die Gelegenheit zu geben so etwas zu tun. War das hier ihre Schuld? Hatte sie ihm Hoffnung gemacht, ihm signalisiert, dass sie ihn tatsächlich immer noch mögen würde, nach all dem was er ihr gesagt hatte.
„Es tut mir leid, Luna. Das hätte ich viel eher tun sollen", sagte er und Luna wich seinem Blick immer noch aus.
„Hast du es schon vergessen?", fragte sie etwas ironisch, denn das hier war nicht ihr erster Kuss und sie musste sich eingestehen, dass der erste nicht wirklich besser gewesen war. Der einzige Grund, warum sie glaubte diesen ersten Kuss mit ihm gemocht zu haben war, weil sie keinen Vergleich gehabt hatte. Das war nun vorbei.
„Nein, natürlich nicht. Hätte mir ein Zeichen sein sollen, oder? Ich muss zugeben, dass die letzten Tage echt schwer waren, ich hab dich vermisst und mir wurde bewusst, dass ich dich ..."
„Du hast mich ausgelacht" fuhr sie ihm grob über den Mund und schaffte es nun doch ihn anzusehen und der Blick, den sie ihm schenkte, war mehr als vorwurfsvoll. Das irritierte ihn offensichtlich. Luna war nicht der Typ, der anderen Vorwürfe machte. Sie vertrat ihre Ansichten, ja. Ließ sich aber schnell verunsichern und verzichtete darauf Konflikte tatsächlich auszutragen sofern es ging. Hier aber war es unumgänglich geworden.
„Ja. Das tut mir auch leid. Ich glaube, ich habe mich etwas überrumpelt gefühlt. Ich meine, du hast gedacht wir wären zusammen und ich..."
„Du hast dich dazu entschieden mich zu verspotten, mir zu erklären wie tief ich unter deiner Würde bin, dabei bist du es der sich wie ein Idiot benommen hat. Ich will nicht mit dir zusammen sein, Phil. Eigentlich will ich nicht mal mehr mit dir befreundet sein. Du tust mir nicht gut!", unterbrach sie ihn wieder, drückte ihm den Becher in die Hand, den sie in ihrem Schock immer noch umklammert hielt, und wollte ihn einfach stehen lassen.Doch er warf die Cola einfach fort und packte ihr Handgelenk um sie festzuhalten. Fest. Sehr Fest. So sehr, dass sie kurz schmerzhaft aufstöhnte.
„ICH BIN NICHT GUT GENUG FÜR DICH? SOLL DAS EIN WITZ SEIN? MEINE ELTERN SIND ANGESEHNE MENSCHEN, IN EINIGEN JAHREN WERDE Ich IN DER KLINK MEINES VATERS ARBEITEN UND EBENFALLS ZUR ELITE GEHÖREN! DU BIST NICHTS WEITER ALS IRGENDEINE SCHLAMPE, DIE SICH VON IRGENDEINEM TYPEN IN EINEM SEX CLUB VÖGELN LÄSST UND DAMIT KEIN TÜCK BESSER IST ALS IHRE JUNKIE-MUTTER!", platzte es so ungehalten und lautstark aus ihm heraus, dass Luna ihn abermals überrascht ansah. Nicht weil sie die Worte trafen, ja es tat weh das zu hören, aber damit konnte sie erstaunlicherweise umgehen. Doch sie hätte nie gedacht, dass er es aussprechen würde. Phil hatte immer betont, wie beeindruckend er es fand, was sie erreicht hatte ohne Familie und ohne Geld, dass hatte sie ihm abgekauft. Er war nicht wie die anderen vermögenden Studenten gewesen, die sich nur mit Ihresgleiches trafen und auf alle anderen herabsehen. Nicht wirklich zumindest. Sonst hätten sie sich nie angefreundet. Sicherlich hatte er ab und an Verhaltensweisen an den Tag gelegt die klarmachten aus welchem Umfeld er stammte, aber das hatte sie ihm vergeben weil er ja sonst nichts tat, was für seine soziale Schicht so üblich war. Nun aber schien die Katze aus dem Sack und alles, was sie sich fragte, war:„Wenn du so über mich denkst frage ich mich, warum du mich damals in der Bibliothek überhaupt angesprochen hast. Oder dich weiterhin mit mir getroffen hast, nachdem du meine Geschichte kanntest?", fragte Luna ruhig, als hätte er sie nicht gerade angeschrien. Es war merkwürdig wie kalt seim gesamtes Verhaltens sie ließ und es war erstaunlich, wie überlegen sie sich ihm deswegen fühlte. Das war nicht ihre Art aber die typische Reaktion darauf, wenn andere die Kontrolle ihr gegenüber verloren. Sie machte dicht, zog eine Mauer aus Kalkül und Ruhe um sich herum und hob trotzig das Kinn. Die Wut würde später kommen und mit ihr dann auch die Selbstzweifel. Aber hier vor den Augen einer Person, die sie beleidigt hatte, würde sie diese Schwäche niemals offenbaren. Es entsprach nicht ihrem Charakter, aber es war das, was sie sich hatte antrainieren müssen um alleine in dieser Welt zu überleben.Phil sah sie einfach nur an. Er sah wirklich wütend aus und ihm lagen Dinge auf der Zunge, die auszusprechen auch nicht seinem Charakter entsprachen oder vielleicht alles, was er jetzt machte, war dass, was er sich antrainiert hatte.
Er lächelte charmant, zwang sich dazu sich zu beruhigen und glaubte definitiv auch mit diesem kleinen Ausbruch einfach durchkommen zu können.
„Tut mir leid, ich wollte nicht", weiter kam er nicht und diesmal war es nicht Luna die ihn davon abhielt. Es war eine Faust die direkte und ohne Zurückhaltung in seinem Gesicht landete. Das hässliche Knacken, das ertönte, brachte Lunas dazu kurz erschrocken aufzuschreien und gab ihr die Gelegenheit ihre Hand zurückzuziehen. Sie stolperte einige Schritte zurück, versuchte der Gewalt in ihrem Umfeld zu entkommen und wäre sicherlich direkt auf ihren Hintern gefallen, wenn sich nicht ein Arm um ihre Taille geschlungen und sie festgehalten hätte.In ihr Blickfeld schob sich ein breiter Rücken, der in einem engen T-Shirt steckte, dass einen freizügigen Blick auf die Tätowierungen offenbarte, die sich auf beiden Armen komplett bis zu den Fingerknöcheln zogen. Das Aufblitzens eines Ohrrings erregte ihre Aufmerksamkeit und sie wusste genau, wen sie da vor sich hatte. Es war Zed und wenn er es gewesen war der Phil gerade diesen wirklich brutalen einzelnen Schlag verpasst hatte, konnte die feste Brust, die gerade gegen ihren Rücken drückte und der Arm um ihren Körper, niemand anderem als Cole gehören.
Sie vernahm Phils heulen und als sich Zed im Profil präsentierte und damit kurz einen Blick auf Phil offenbarte, sah sie, wie dieser sich auf dem Boden wandte und sich beide Hände vors Gesicht hielt. Da war Blut. Viel Blut.
„Ich sag' ja, der Kerl verdient eine gebrochene Nase", meinte Zed amüsiert zu dem Mann hinter Luna und deutete auf den jungen Mann am Boden.
„Er heult, ein echtes Weichei!", kam es kehlig amüsiert von Cole und das leichte Beben seiner Brust als er lachte hallte in ihrem Körper nach. Damit schien Phil allerdings abgeschrieben, denn Zed drehte ihm den Rücken zu und seine merkwürdigen zerrissenen Iren durchdrangen sie.„Und was genau machen wir jetzt mit dir, Babygirl?", hauchte er ihr entgegen und sein Lächeln wurde breiter, wie das eines Hais und da war es wieder ihr Fluchtinstinkt, dem sie sicher auch erlegen wäre, wenn Cole sie nicht festgehalten hätte. Und jetzt gab es tatsächlich kein entkommen mehr.

Beta: Geany

Take it Deep, Babygirl - Seven SinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt