Asimov'sche Gesetze für Anfänger und Fantasiefiguren

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Kapitel 5 Asimov'sche Gesetze für Anfänger und Fantasiefiguren

Jeff lässt sich nur kurz am Abend blicken. Die restliche Zeit habe ich meine Ruhe und schaffe es ein gutes Stück des neuen Buches zu skizzieren. Grobe Züge des Plots und die Konfliktpunkte. Die Storylines der Hauptfiguren und ein paar Ansätze der Nebenfiguren. Es wird ein Drama vom Feinsten. Brigitta wird mich lieben und rösten. Und danach wieder lieben. Sie ist eine Dramaqueen. Ich lese noch einmal die Passagen des vorangegangenen Romans, in denen die beiden jetzigen Protagonisten als Nebenpersonen auftreten und verfeinere deren Charakterzüge. Ich liebe es meinen Charakteren seltsame Eigenarten anzuhängen und ihnen damit Menschlichkeit zu offerieren. Niemand ist unfehlbar und keine Romanfigur sollte es versuchen, denn nichts ist langweiliger als Perfektion. Das weiß ich nur zu gut.

Selbst solche Leute wie Kain, die scheinbar erhaben über Allem stehen, wissen das es unmöglich ist. Denke ich jedenfalls. Obwohl er vermutlich das Gegenteil behauptet. Kain. Schon wieder schummelt sich der Schwarzhaarige in meine Gedanken. Wie kann er sich einbilden, dass ich ihn irgendwann meine Geschichten lesen lasse und vor allem, wie kann er sich dessen so überaus sicher sein? Murrend widme ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Roman in meinen Händen und lese ich noch ein weiteres Kapitel. Beim Lesen merke ich, wie sich das Gefühl wiederbelebt, welches ich damals beim Schreiben empfunden habe. Auch ich habe mich schon, versehentlich und ungünstiger Weise, in eine fremde Beziehung gedrängt. Genauso, wie es die Figur in meinem Roman tat. Ich möchte das Versehentlich betonen, da ich nach einem One-Night-Stand nicht damit gerechnet habe, dass sie weiterhin den Kontakt zu mir sucht. Für mich war es etwas Einmaliges und hatte rein gar nichts mit Gefühlen zu tun. Seither lasse ich die Finger von Mädels aus meiner unmittelbaren Umgebung. Das bringt nur Ärger. In meinem Roman baute ich daraus ein Intrigengespinst und muss mir eingestehen, dass ich mit dem wiederholten Lesen wieder Gefallen an einer der eher unscheinbaren Nebenfiguren finde. Ein rothaariges Miststück. Rena. Ein Wink des Schicksals? Kurz entschlossen entscheide ich mich dazu weitere Charaktere wieder aufzunehmen und entwerfe eine Prioritätenliste für ihr Auftauchen und Rolle im Skript.

Danach tippe ich die Zusammenfassung für Shari zusammen. Ich organisiere es als eine Art Arbeitsmaterial, welches am Ende die wichtigsten Fakten und Daten als zu beantwortende Aufgabenstellung zusammenfasst. Schließlich möchte sie etwas lernen und nicht alles vorgekaut bekommen. Sechs Seiten. Ich bin zufrieden. Die Nacht verbringe ich allein. Kein Jeff. Kein Kain. Kein gesprochenes Wort. Unsagbare Erholung.

Auch die nächsten Tage verlaufen erschreckend ruhig. Fast, wie früher. Jeff liegt am Abend brav in seinem Bett und Kain scheint mir aus dem Weg zu gehen. Womöglich hat mein liebreizender und schrecklich gutgelaunter Mitbewohner und Jugendkumpan wirklich mit ihm geredet. Seltsamer Weise bin ich mir nicht sicher, ob ich das gut oder schlecht finde. Am Dienstag fängt mich Jeff vor der Mensa ab. Das Funkeln in seinen Augen lässt mich Böses ahnen und ich habe Recht damit. Als Abel zu uns stößt, berichtet mir er gerade von den geplanten Wohnheimpartys. Anscheinend haben sich ein paar der weniger engagierten Studenten kreativ betätigt und einen Semesterpartyplan ausgearbeitet. Jede Woche eine Party. Jede Woche ein anderes Wohnheim. Simpel, aber effektiv und damit in seiner Einfachheit besonders grausam für die weniger Gesellschaftsaffinen Personenkreise. Wirklich jeder darf in den Genuss kommt, am nächsten Tag den Dreck anderer wegmachen zu müssen. Die beiden blonden Männer sind begeistert und für mich ist, wie immer Gegenteiltag. Obwohl ich es zum Ausdruck bringe, hindert es sie nicht daran, mich mit den Vorteilen einer solchen Veranstaltung zu bombardieren. Gespräche, Spaß und Abwechslung. Für mich eine Beschreibung der sieben Todsünden. Ich benutze seit etlichen Jahren das gleiche Shampoo, wenn ich Abwechslung möchte, wurde ich als erstes das verändern. Jeff nutzt sein Talent für das schnelle Plappern und versucht mich gedanklich abzuhängen. Ohne Punkt und Komma. Mein Gehirn schaltet sich unweigerlich langsam ab und das Gerede wird zur Geräuschuntermalung. Trotzdem habe ich das Gefühl, bald eine zentnerschwere Argumentationskette hinter mir her zu schleifen. Ziemlich hinderlich, wenn man dadurch nicht mehr in der Lage ist sich einen Nachtisch auszusehen. Bevor ich mich für einen Pudding entscheiden kann, zieht mich mein Freund schwadronierend zur Kasse.

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