Kapitel 19 My Home is my Zirkuszelt
Kains Schultern neigen sich nach vorn und obwohl seine Worte fest und sicher klingen, kann ich deutlich erkennen, wie viel Kraft ihn dieser Augenblick kostet. Paranoide Schizophrenie, wiederholt sich in meinem Kopf und trotz mangelnden Expertenwissen, bin ich mir durchaus bewusst, was eine solche Diagnose zu bedeuten hat. Für die Betroffenen und für die Angehörigen.
Sie, seine Schwester ist sein wunder Punkt.
Kain senkt seinen Blick auf die Berührung unserer Hände. Ich ziehe meine zurück. Mehr aus Unsicherheit als aus Unbehagen. Dennoch ist es Kain, der etwas Abstand zwischen uns bringt und meine Reaktion negativ auslegt. Ich weiß nicht, was ich sage soll und richte meinen Blick in das mäßig beleuchtete Zimmer und denke unwillkürlich an das vorhin Geschehene. Meine Körper reagiert, wie von allein. Gänsehaut zieht sich über meinen Hals und ich ärgere mich über die Unpassenheit. Auch Kain sieht sich bedrückt im Zimmer um und setzt sich zurück auf sein Bett. Er wirkt unruhig. Ich folge ihm ein paar Schritte in den Raum hinein und bleibe am Schrank stehen. Die Entfernung beruhigt mich. Innerlich und äußerlich.
„Wie lange ist sie schon in der Anstalt", frage ich um mich von den Gefühlen abzulenken, die mein Gehirn benebeln. Kain sieht auf und die Intensität seines Blickes brennt sich in mein Inneres. Noch heftiger als sonst.
„Fast 10 Jahre." Er stützt seine Arme auf den Knien ab und seine Hände beginnen fahrig miteinander zu hantieren.
„Ist sie jünger als du?"
„Nein, ein paar Jahre älter."
„Helfen keine Medikamente?", frage ich einfach weiter. Fast hilflos. Er dehnt seiner Finger und scheint mit den Gedanken weit weg zu sein.
„Doch, schon. Aber sie stellen ständig irgendwas um und dann gehen die Höhen und Tiefen von vorne los. Es ist schwierig. Vor ein paar Jahren war Sahara mal in einer betreuten Wohneinrichtung. Das hatte ihr gut gefallen und es ging ihr viel besser. Sehr lange sogar, aber..." Er seufzt resigniert. Die Schwere, die er empfindet, ist deutlich zu erkennen. Ebenso zu fühlen. Selbst für mich.
„Abel versteht nicht, dass ich nur möchte, dass sie da wieder daraus kommt und ein normales Leben führen darf." Während er das sagt, sieht er auf. Verstehe ich es? Die Frage ist still, aber eindringlich. Ja, ich verstehe es. Denn lange Zeit wollte ich nichts lieber, als das mein Bruder wieder nach Hause kommt und ein normales, langes Leben führen darf. Genauso, wie ich ist Kain nicht naiv. Er weiß, dass seine Schwester mit einer derartigen Diagnose immer unter Beobachtung sein wird. Genauso, wie ich weiß, dass mein Bruder niemals wieder nach Hause kommt.
„Mit meinen Eltern ist es, als würde man andauernd gegen Windmühlen kämpfen. Sie bezahlen lieber eine teure Klinik, als irgendeinen Aufwand mit ihr zu haben, dabei würde ihr ein stabiles, eigenes Leben bei der Familie oder bei eine betreuen Wohneinrichtung viel mehr bringen. Na ja,...ich gebe jedenfalls nicht auf", sagt Kain, als meine Gedanken abzuschweifen beginnen. Dass Aufgaben keine Option für ihn ist, habe ich schon öfter gemerkt. Es entlockt mir ein Lächeln, was auch Kain bemerkt. Er erhebt sich vom Bett und kommt auf mich zu. Sofort verspüre ich das dringende Bedürfnis einen Schritt zurück zu machen, doch ich habe den Schrank im Rücken. Kains aufmerksame Augen beobachten mich. Er erkennt mein Zögern. Er weiß um meine Unsicherheiten.
„Du hast die Klausur bei Professor Wellers schon geschrieben, oder?", frage ich bevor er bei mir angekommen ist. Ich muss das Thema wechseln. Solch intensive Gespräche liegen mir nicht.
„Hab ich." Kain bleibt neben dem Schreibtisch stehen und öffnet die Schublade. Er greift nach einen grünen Hefter und hält ihn mir hin. Bereits auf dem ersten Blatt erkenne ich die notierten Fragen, die sich mit den Themen der Vorlesung decken. Als ich ihm das Teil abnehmen will, zieht er seinen Arm zurück. Obwohl ich im Inneren damit gerechnet habe, gucke ich blöd aus der Wäsche, was Kain erwartend heiter grinsen lässt.
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Between the Lines - The wonderful world of words
Romance~Mein Name ist Robin Quinn. Gefühle sind nicht mein Ding und doch verdiene ich neben dem Studium meinen Lebensunterhalt damit, erfolgreich kitschige Liebesromane zu schreiben. Ein Widerspruch? Absolut! Doch darüber habe ich mir nie wirklich Gedanken...