Kapitel 27 Wenn Worte meine Sprache wären... (1/2)
Ich sehe ihn tippen, doch es passiert nichts. Also drücke ich kurzerhand auf das grüne Anrufsymbol und spüre im selben Moment, wie sich mein Brustkorb in eine Bassbox verwandelt. Das Geräusch aus meinem Inneren wird immer lauter und eindringlicher. Die Vibrationen breiten sich in meinem gesamten Körper aus, so dass ich nichts anderes tun kann als zu erzittern. Aber als er den Anruf bestätigt, herrscht mit einem Mal eine bedenkliche Stille. Nicht nur in meiner Brust, sondern vor allem in meinem Kopf. Auch von Kain kommt kein Wort, also kann ich die dudelnde Musik im Hintergrund wahrnehmen, die mir von der anderen Seite der Leitung entgegen schlägt. Irgendein Popsong gepaart mit irgendwelchen heiteren Gesprächen. Irgendeine Bar. Ich sammele mich und beginne mit meinen jetzt schon kläglichen Versuch eine weitere Chance zu erbitten.
„Kain, können wir bitte darüber..."
„Nein, könnt ihr nicht...", werde ich harsch unterbrochen. Es ist eine männliche Stimme, die definitiv nicht Kains ist. Ich brauche einen Moment bis ich begreife, dass es Marvin ist, der spricht. Wieso geht er an Kains Telefon? Mit dieser Wendung habe ich nicht gerechnet. Ausgerechnet er. Aber wer auch sonst. Im Grunde gibt es nicht so viele Möglichkeiten zu wem Kain gehen würde und Marvin ist mir allemal lieber als das rothaarige Dumpfbrot, mit dem er sich das letzte Mal vergnügt hat. Trotzdem regt sich mein innerer Drachen und es fällt mir schwer ihn zu kontrollieren.
„Gib ihn mir... Bitte...", fordere ich mit zusammengebissenen Zähnen und hänge das höflichkeitsheuchelnde Bitte verzögert ran. Dabei verliert es jegliche Wirkung und es ist mir herzlich egal. Höflich war noch nie mein Ding und wird es nie werden.
„Nein." Seine Antwort ist simpel und nicht unerwartet. Trotzdem kitzelt es meine Wut mehr als es gut für mich ist. Mein gesamter Körper erbebt unter dem kaltbeißenden Schauer, welchen die Ablehnung auslöst.
„Im Ernst? Was soll das? Wieso gehst du überhaupt an sein Telefon?", belle ich angestachelt und eines völligen Systemausfalls nahe. Noch schalten sich ein paar meiner Backups ein, doch ich weiß nicht, wie lange ich mich zurückhalten kann. Das Gefühl in meiner Brust wird zu tickenden Zeitbombe.
„Ganz einfach, ich hab's ihm abgenommen um zu verhindern, dass genau das hier passiert."
„Das hier? Bist du jetzt sein Bodyguard, oder was?" Marvin lacht bei diesem nichtigen Vergleich erheitert auf und ich wünschte, ich könnte ihm das Maul einfach stopfen. Ein Schlag mitten ins Gesicht. So einfach und schnöde. So viel Effekt. Mein eigenes blaues Auge zwiebelt.
„Ich würde eher Fullback sagen, aber vor allem bin ich sein Freund und ich werde ihn verteidigen, wenn er es nicht selbst kann. Und vor dir muss er scheinbar doch beschützt werden. Also hör genau zu! Er. Will. Nicht. Mit. Dir. Reden." Jeden Teil des letzten Satzes betont er besonders deutlich. Doch es ist nicht nur die Sportmetapher, die mich irritiert, sondern auch der Rest. Vor mir beschützen? Vor was genau will er ihn verteidigen? Meines Erachtens nach kann sich Kain effektiv selbst wehren, was er bei unserem Gespräch eindrucksvoll bewiesen hat. Schließlich sind es seine Worte, die noch immer nachwirken und mir keine Ruhe gönnen.
„Kann er mir das bitte selber sagen", patze ich zurück und höre Marvin direkt auflachen.
„Kann er nicht. Er ist gerade beschäftigt."
„Und womit?", frage ich spitz und nur noch halb verbissen. Ich kann mir ausmalen, womit er in einer Bar beschäftigt sein könnte und dennoch favorisiere ich die Vorstellung, dass er mit einem Drink neben seinem Fitnesslakaien sitzt, jedes Wort mitbekommt und energisch mit dem Kopf schüttelt.
„Mit wem, meinst du wohl. Ich glaube, ihr Name ist Anni. Sie ist ganz sein Typ", sagt er. Ich kann ihn grinsen hören und spüre, wie eine meiner Warnleuchten angeht.
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Between the Lines - The wonderful world of words
Romance~Mein Name ist Robin Quinn. Gefühle sind nicht mein Ding und doch verdiene ich neben dem Studium meinen Lebensunterhalt damit, erfolgreich kitschige Liebesromane zu schreiben. Ein Widerspruch? Absolut! Doch darüber habe ich mir nie wirklich Gedanken...