Kapitel 13 Das geheime Leben der Worte
Schnellen Schrittes und ohne zu antworten, gehe ich auf den Biotechnologen zu. Ich schwanke einen Sekundenbruchteil zwischen mehreren Reaktionsmöglichkeiten. Ignorieren. Explodieren. Erklären. Ich entscheide mich für dämlich. Mein vorhersehbarer Versuch, Kain das Buch aus der Hand nehmen, wird sofort vereitelt. Er schiebt es hinter seinen Rücken und macht dazu noch ein tadelndes Geräusch. Die Klischeehaftigkeit ist so deutlich und klar, dass ich mir wünsche, ich könne sie nehmen und dem Schwarzhaarigen um die Ohren hauen.
„Erspar mir diese lästige Nervengymnastik", gebe ich deutlich überstrapaziert von mir. Doch Kain scheint es zu reizen. Er richtet sich auf und beugt sich zu mir. Die feine Note seiner Ingwerbonbons schlägt mir entgegen. Im nächsten Moment sehe ich, wie eine der Süßigkeiten in seinem Mund von links nach rechts wandert. Mein Puls steigt. Unaufhörlich. Ich taste unwillkürlich über meine Hosentasche, suche nach den Zigaretten. Die Packung drückt sich merklich zusammen, ohne, dass ich einen Inhalt erfühlen kann.
„Das machst du also, wenn du tagelang in deinem stillen Kämmerlein hockst", raunt er mir amüsiert zu. Ich will ihn aus dem Zimmer bugsieren. Irgendwie. Gern auch in mehreren Teilen.
„Ich redigiere nur." Sekundenschlaf der Denkleistung. Phänomenal. So viele Möglichkeiten und ich entscheide mich für die hohle Variante. Da hätte ich auch gleich sagen können, dass ich eine Wassermelone trage. Kain ist deutlich ins Gesicht geschrieben, dass er mir eher geglaubt, dass ich im Halbschlaf Schweine dressiere. Er weiß, dass ich schreibe und auch wie. Immerhin konnte er halbe Passagen des einen Textes rezitieren. Ich kriege Gänsehaut bei dem Gedanken. Die Tatsache, dass ich jetzt ein Stück aufsehen muss, macht alles nur noch schlimmer. Er zieht den Roman wieder in unser Blickfeld und schaut auf den Buchrücken. Direkt auf den Autorennamen.
„Quincey Bird? Robin Quinn? Spatz, willst du deine Aussage nochmal revidieren?" Das Grinsen in seinem Gesicht wird immer breiter. Ich verfluche Brigitta, die mir dieses Pseudonym aufgedrückt hat und mich selbst, weil ich tatsächlich geglaubt habe, dass ich das verheimlichen kann.
„Was willst du schon wieder hier?", gebe ich von mir und kann ich mir ein genervtes und etwas frustriertes Knurren nicht verkneifen. Hat er mich gerade Spatz genannt?
„So viele versteckte Talent. Ich bin begeist..."
„... und ich gelangweilt. Du hast hier drin nichts verloren", unterbreche ich sein Gesäusel und schaffe es, meine Stimme dabei halbwegs ruhig zu halten. Eine gigantische Meisterleistung, denn ich verspüre das dringende Bedürfnis zu schreien, zu toben, grün anzulaufen und alles, samt Kain kurz und klein zu schlagen. Sein Rauswurf in Kleinteilen wird immer wahrscheinlicher. Er hebt abwehrend die Hände in die Luft und deutet zu Jeffs Bett.
„Ich wollte nur die Sauerei entfernen. Ich bin in der Nacht mehrmals am Laken festgeklebt." Sein erst angewidertes Gesicht wandelt sich schnell in ein erheitertes. Irgendwie verstörend. Ich komme nicht umher zum Bett zusehen und festzustellen, dass er bis auf die Decke alles vollständig neu bezogen hat. Jeffs Lieblingsbezüge mit einem blau-violett gestreiftes Muster. Ich kriege Kopfschmerzen. Kain geht auf Jeffs Bett zu, legt mein Buch auf dem Nachttisch ab und beschäftigt sich mit dem Reißverschluss der Bettdecke. Er greift zwei Ecken und beginnt das Innenleben ordentlich im Bezug zu verteilen.
„Du und Liebesgeschichten! Unglaublich." Er klingt wahrhaftig ungläubig. Ich murre nur.
„Aber hey, ich kenne Leute mit weitaus skurrileren Hobbies und deine Pornos sind ja auch nicht ohne", flötet er amüsiert, während er das Kissen aufschüttelt.
„Verrecke!", entfährt es mir laut.
„Ach komm, das ist toll. Wie lange bist du schon ein professioneller Schreiberling?" Kain klingt ehrlich interessiert, doch wenn er glaubt, dass ich jetzt unbedarft meine Lebensgeschichte vor ihm ausbreite, hat er sich geschnitten.
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Between the Lines - The wonderful world of words
Romance~Mein Name ist Robin Quinn. Gefühle sind nicht mein Ding und doch verdiene ich neben dem Studium meinen Lebensunterhalt damit, erfolgreich kitschige Liebesromane zu schreiben. Ein Widerspruch? Absolut! Doch darüber habe ich mir nie wirklich Gedanken...