Da war sie. Ich hatte sie schon eher erwartet, die bleierne Müdigkeit, die mich befiel. Ich wusste kaum noch, wann ich das letzte Mal erholsamen Schlaf gehabt hatte. Albträume hielten mich wach oder sorgten zumindest dafür, dass Schlaf keinerlei Erholung bot. Menschen, die ich nicht hatte retten können, Menschen, die ich getötet hatte, verfolgten mich in der Dunkelheit. All diese Grabsteine, die meinetwegen aufgestellt worden waren, drückten mich zu Boden und ließen mir keine Luft zum Atmen. Also hatte ich mich in mein Auto gesetzt und war geflohen, wie so oft. Sam mochte zu mir aufschauen, mich bewundern, doch er kannte mich lange nicht so gut, wie er glaubte. Seit ich ihn aus dem Feuer getragen hatte, war er meine Verantwortung gewesen. Dad hatte sich nie um einen von uns gekümmert, daher hatte ich die Aufgabe übernommen, meinen Bruder großzuziehen. Das hatte bedeutet, dass ich keine Schwäche ihm gegenüber zeigen durfte. Er sollte sich bei mir sicher fühlen und das ging nicht, wenn ich Angst oder Trauer zeigte. Also wartete ich, bis ich sicher war, dass er es nicht mitbekam. Früher war es so gewesen, und heute war es immer noch so. Mitten in der Nacht wachte ich schweißgebadet auf und fand keine Ruhe. Ich verließ den Bunker und setzte mich ins Auto. Dann fuhr ich so lange bis ich vor Tränen nichts mehr erkennen konnte. Ich hielt dann für gewöhnlich irgendwo am Straßenrand an und heulte. Wenn die Tränen versiegten, fuhr ich zurück, ging duschen und legte mich ins Bett, als wäre nichts gewesen. Sammy zuliebe sorgte ich dafür, dass nie so etwas passierte.
Ich merkte, wie die Tränen über meine Wange liefen und in meinen Schoß tropften. Meine Sicht wurde immer verschwommener und ich hielt am Straßenrand. Ich war mitten im Nirgendwo, in einem Waldstück. „Scheiße..." Ich schluchzte. Wie gut, dass ich allein war.
„VERDAMMTE SCHEISSE!", schrie ich und schlug mit der Faust auf das Lenkrad ein. Hier konnte ich mich gehen lassen. Allen Frust, alle Angst und Enttäuschung rausschreien, ohne mich dessen schämen zu müssen.Ich hielt an. Meine Augen waren nass von Tränen, sehen konnte ich fast nichts mehr. Ich war mitten in einem Waldgebiet gelandet, irgendwo westlich von Lebanon, Kansas. Wo ich genau war, wusste ich nicht und es war mir egal. Ich stieg aus und knallte die Autotür hinter mir zu. Es war ein Wunder, dass das Fensterglas nicht kaputt ging.
Da ich nicht mehr fahren konnte, ging ich. Aus Gehen wurde Laufen, aus Laufen wurde Rennen. Ich rannte und rannte, bis meine Lungen aufgrund der kalten Luft brannten und meine Beine zitterten. Ich kam auf einen dunklen Waldweg. Eine Wurzel sah ich nicht, stolperte und lag im nächsten Moment der Länge nach auf der Erde. Mein Knie begann im selben Moment zu schmerzen, doch mich störte es nicht. Ich hatte aufgehört, zu schreien und zu fluchen. Worte änderten ohnehin nichts. Ich konnte generell nichts ändern. Das machte mich wahnsinnig. Ich war unwichtig, nein, ich war Gift für alle, die mir nahe kamen. Alle diese Tode, die meine Schuld waren. Alle Menschen, die mir wichtig gewesen waren und die ich nun nie wieder sehen würde. Ich konnte das nicht, ich wollte es auch schon lange nicht mehr. Aber ich konnte nicht gehen, alles hinter mir lassen. Sam brauchte mich, und ich brauchte ihn. Ohne meinen kleinen Bruder, wer war ich? Sam war der Grund, dass ich noch auf dieser Erde war. Wäre ich allein, hätte die nächstbeste Spurensicherung schon vor geraumer Zeit meine Überreste zusammensammeln dürfen. Doch Sam durfte ich das nicht antuen. Ihm nicht und nicht den wenigen anderen, die mir noch geblieben waren.
Wie lange ich auf dem Boden lag und weinte, wusste ich nicht. Irgendwann versiegten die Tränen, als hätte jemand den Wasserhahn zugedreht. Ich fühlte nichts mehr. Ich war in diesem Zustand, in dem man sich oft nach einem extremen Gefühlsausbruch befand. In mir war alles irgendwie taub.
Ich stand auf, klopfte mir den dicksten Dreck von Hose und Jacke und ging zurück zu meinem Auto. Ich brauchte lange für den Weg, da ich jetzt nicht mehr rannte, sondern wie ein Roboter langsam einen Fuß vor den anderen setzte. Als ich ankam, stieg ich ein und starte den Motor. Währenddessen realisierte ich, dass ich es gar nicht abgeschlossen hatte, als ich es verlassen hatte. Was mich normalerweise beinahe dazu brachte, den Schädel mit voller Wucht auf das Lenkrad zu knallen (aus Frust über meine eigene Achtlosigkeit), entlockte mir heute keine Reaktion. Ich nahm es hin. Leise flüsterte eine Stimme in meinem Kopf, dass das nicht im Ansatz normal war. Auch sie wurde reaktionslos zur Kenntnis genommen.
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Destiel OS
FanfictionWie der Titel schon sagt, eine kleine Destiel-Oneshotsammlung, mit viel Fluff und eventuell ein wenig Herzschmerz. KRITIK UND ANMERKUNGEN SIND MEHR ALS GERNE GESEHEN! :) /Ich schreibe es nicht in jedes Kapitel, daher mache ich es jetzt hier. Bei ein...