Nach etlichen Tagen an Bord des Fischerbootes erreichen wir das chinesische Festland. Die Fischer leben in einem kleinen Dorf und als ich von Bord gehe, kommen die Kinder des Dorfes angelaufen, um mich zu betrachten. Ich fühle mich unter ihren Blicken wie ein Tier im Zoo, es macht mir Angst so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Früher hätte ich damit kein Problem gehabt. Es war einfach normal, dass dauernd jemand von mir wissen wollte was ich hierzu dachte, dazu sagte und warum ich schon wieder die Highschool wechselte. Ich war Oliver Queen und als dieser eine Person von öffentlichem Interesse. Die letzten Jahre hatten mich jedoch gelehrt, dass es besser ist aus dem Hintergrund zu beobachten. Wenn niemand weiß, dass man da ist, kann man auch nicht gefangen genommen und unter Folter befragt werde.
Diesen Gedanken im Hinterkopf zucke ich heftig zurück, als mich einer der Fischer am Arm berührt. Die Heftige Abwehrreaktion, an die sich ein Angriff direkt anschließt führt dazu, dass der Fischer zu Boden geht, während ich instinktiv nach einem nicht Vorhandenen Pfeil greife, um ihn zu erschießen, sollte er auch nur die geringste Regung machen mich erneut anzugreifen.
„Bitte, ich will ihnen nichts tun! Das war keine Absicht!“
Die panische Stimme des Mannes reist mich wieder in die Gegenwart zurück. Ich habe einen Unschuldigen angegriffen! Was war bloß mit mir passiert? Ich habe mich jemanden verwandelt, der bei jeder Kleinigkeit an Flucht und Angriff denkt. Meine Nerven liegen blank und das obwohl ich in Sicherheit bin. Jahrelang antrainierte Reflexe bahnen sich auch jetzt den Weg an die Oberfläche. Ich verstehe mich selbst kaum noch. Ich hebe den Blick und fange den erschrockenen ja sogar verängstigten Blick eines Mädchens auf.
Die Dorfbewohner starren mich ausnahmslos und völlig fassungslos an. Es muss sie komplett überrascht haben, dass ich nur auf Grund einer Berührung so ausrastete. Ich biete dem Mann, der immer noch mit entschuldigend vorgestreckten Armen am Boden lag eine Hand um ihm auf zu helfen.
„Entschuldigen sie bitte. Ich weiß, dass sie mir nichts tun wollen, ich habe mich lediglich erschreckt und überreagiert.“
Er nimmt vorsichtig meine Hand und lässt sich von mir auf die Beine ziehen. Kaum hat er einen sicheren Stand lässt er sie los und tritt hastig einige Schritte zurück.
„Natürlich. Kommen sie ich zeige ihnen, wo sie sich waschen können und werde ihnen neu Kleidung geben. Anschließend werde ich meinen Vetter bitten sie mit in die nächste Stadt zu nehmen.“
„Danke, aber das müssen sie nicht tun. Zeigen sie mir einfach, wo ich lang muss. Sie haben schon so viel für mich getan.“
„Ich bestehe darauf. Wenn man sie in diesem Aufzug in der Stadt erwischt, werden sie noch wegen Landstreicherei verhaftet. Und mein Vetter fährt sowieso zum Markt er kann sie also problemlos mitnehmen.“
Den Blicken der Dorfbewohner nach zu schließen, sehe ich wohl tatsächlich ziemlich schlimm aus, das kann ich nur schlecht beurteilen, da es auf der Insel nicht unbedingt viele Spiegel gab. Besser gesagt, der letzte richtige Spiegel in den ich geblickt hatte, hing im Bad der Yacht meines Vaters, die seit nunmehr fünf Jahren auf dem Grund des Ozeans lag. Ich lasse mich also in eine der ärmlichen Hütten führen, wo der Mann mir einige Kleidungstücke in die Hand gibt. Dann begleitet er mich zu einem kleinen, aber einigermaßen sauberen Flüsschen. Er sagt mir noch, dass ich zu ihm kommen soll, wenn ich mich gewaschen und umgezogen habe, danach lässt er mich allein.
Ich lege meine verdreckten und zerrissenen Kleider ab und lasse mich ins Wasser gleiten, es ist kalt, aber sauber. Ganz im Gegensatz zu den kleinen Wasserläufen auf Lian-Yu. Durch die starken Regenfälle der letzten Wochen führen sie aktuell mehr Schlamm als Wasser, was sie als mögliche Badestellen ausschließt es sei denn man ist scharf auf eine Schlammpackung. So tut es gut sich mal wieder richtig zu waschen. Beinahe hätte ich bei diesem Gedanken laut aufgelacht. Ich bin Multimillionär verdammt, und dennoch bezeichne ich ein Bad in einem Fluss als „richtiges Waschen“ das ist einfach zu komisch.
Nachdem ich mich gereinigt und auch Shados Kapuze gewaschen habe, kehre ich in das Dorf meiner Retter zurück. Fest entschlossen diesmal nicht wieder auszurasten, wenn irgendjemand mich flüchtig berühren sollte betrete ich die Behausung des Fischers. Dort wartet bereits ein weiterer Mann auf mich. Er ist kaum älter als ich und stellt sich als Jong-Nu vor. Mit ihm soll ich in die nächste größere Stadt fahren. Noch einmal bedanke ich mich herzlichst bei meinen Rettern und erkundige mich noch einmal nach ihren Namen und dem Namen ihres Dorfes, um mich später in irgendeiner Form erkenntlich zeigen zu können. Danach folge ich Jong-Nu zu einem kleinen Karren, der von einem Esel gezogen wird um mit ihm ins Dorf zu fahren.
Ich kann kaum glauben, was ich während der Fahrt sehe. Menschen die ihrer alltäglichen, mühevollen Arbeit auf den Feldern nachgehen. Menschen, die wie wir unterwegs zum Markt sind um ihre Waren feil zu bieten. Menschen, die weder in die Welt des partyfeiernden Multimillionärs noch in die grausame Welt der Insel passen. Es ist als würde ich ein neues Leben beginnen. Ich bin nicht mehr der Mann, der vor fünf Jahren auf der Queen’s Gambit war. Ich bin jemand vollkommen anderes geworden und ich weiß noch nicht wie dieser jemand mein Leben übernehmen soll.
Fast zwei Tage dauert die Fahrt mit dem kleinen Karren. In der Nacht will Jong-Nu mir seine Decke überlassen, nur meine Beteuerungen, dass ich in den letzten Jahren nie eine Decke gehabt und trotzdem hervorragend geschlafen habe, halten ihn schließlich davon ab auf dem Angebot zu bestehen.
In der Nacht wache ich mehrfach auf. Albträume vom Untergang der Gambit, Saras Tod, dem Selbstmord meines Vaters rauben mir den Schlaf. Dazu kommen die ungewohnte Umgebung und die Tatsache, dass ich praktisch bei jedem Geräusch in panischer Erwartung eines Angriffes aus dem Schlaf schrecke. Als es langsam hell wird wacht auch Jong-Nu wieder auf.
Wir frühstücken ein wenig trockenes Brot und Obst. Schon lange hatte ich keine Mahlzeit mehr, die nicht aus selbst gejagtem und mehr oder weniger schmackhaft gebratenem Fleisch bestand. Trotzdem bekomme ich kaum etwas herunter. Die Anspannung, womöglich schon in den nächsten Tagen meine Familie wieder zu sehen schnürt mir den Magen zu. Ich denke an meine Mutter und an Thea. Meine süße kleine Schwester „Speedy“ haben wir sie immer genannt.
„Schmeckt ihnen das Frühstück nicht?“, fragt Jong-Nu und weißt mit der Hand auf meine als kaum mehr als angeknabbert zu bezeichnende Mahlzeit.
Ich reiße mich aus meinen Träumereien. „Nein das Essen ist gut. Entschuldige sie bitte, ich bin ziemlich nervös.“
„Wovor haben sie Angst? Ihnen kann hier nicht viel passieren.“
„Ich habe lediglich gerade an meine Familie gedacht. An meine Schwester um genau zu sein. Als das Boot unterging war sie zwölf. Das ist jetzt fünf Jahre her. Aus dem kleinen Mädchen, das ich damals zurück gelassen habe ist mittlerweile vermutlich schon eine junge Frau geworden und ich habe nichts davon mitbekommen. Was ist wenn ich sie nicht wieder erkenne? Was wenn sie mich nicht wieder erkennt?“
„Sie werden sie wieder erkennen! Vielleicht nicht mit den Augen aber mit Sicherheit mit dem Herzen.“
Nong-Jus Versicherungen lassen mich zuversichtlicher werden. Dennoch habe ich einen dicken Knoten im Bauch als wir wieder auf den Karren steigen und Richtung Stadt fahren. Den Rest des Weges hängt jeder seinen Gedanken nach. Meine sind immer noch in Starling City. Ich frage mich wer Queen Consolidated weitergeführt haben mag, nachdem Dad gestorben ist. Versuche mir vorzustellen was aus Tommy und Laurel geworden ist, während ich mich in jemanden verwandelt habe, der nicht mal mehr weiß wie er den nächsten Tag überstehen soll ohne eine ausgewachsenen Panikattacke zu entwickeln.
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Coming Home
FanfictionDie erste Folge der ersten Staffel Arrow beginnt mit Olivers Rettung von der Insel. Die nächste Scene ist die, in der seine Mutter ihn aus dem Krankenhaus abholt. Aber was passiert dazwischen? Ich habe mir da so meine Gedanken gemacht und einfach ma...