Kaspereien im Flugzeug

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Die nächsten Stunden vergehen mit verschiedenen Anekdoten aus unser beider Leben wie im Flug. Gegen 18 Uhr dreißig kommt eine Stewardess und erkundigt sich, welches der angebotenen Gerichte wir gerne zum Abend essen würden. Gordon entscheidet sich für einen Lachs im Blätterteigmantel, während ich es vorziehe den Fisch zu umgehen, indem ich mich für einen Steak-Burger entscheide. Gordon ist tatsächlich so aufmerksam, dass ihm das auffällt.

„Fisch gehört wohl nicht gerade zu ihren bevorzugten Lebensmitteln, was?“

„In den letzten fünf Jahren habe ich einfach zu oft kalten, gebratenen Fisch gefrühstückt…“

„Okay unter dieser Bedingung verstehe ich sie natürlich. Apropos Essen – darf ich mich erkundigen, was auf der Insel sonst noch so auf dem Speiseplan stand?“

„Alles was fliegt außer Flugzeugen und alles mit vier Beinen dran außer Tischen. Nein ernsthaft, es wurde gegessen, was man tagsüber erlegt hat, wobei das so ziemlich alles sein konnte, was auf dieser Insel rumgelaufen ist und kein Mensch war. Wahlweise gab es noch Fisch roh, Fisch gebraten und Fisch gestern gebraten. Also nicht wirklich abwechslungsreich.“

„War es denn wenigstens lecker?“

„Nennen sie es genießbar. Der Hunger treibt so einiges rein. Andererseits habe ich nie aufgehört mich nach vernünftigem Essen zu sehnen. Einer meiner häufigsten Träume war, dass ich mit verschiedensten Personen aus meinem Freundes- und Familienkreis Eis essen gegangen bin. Und das ist definitiv etwas, was ich machen werde wenn ich wieder zu Hause bin – einen ganzen Eimer Eiscreme alleine auf essen!“

„Nette Idee. Welche Sorte?“

„Schokolade! Die zweite Sache, die ich immer vermisst habe.“

„Ich glaube zum Nachtisch gibt es Mousse au Chocolat.“

„Mh…Meinen sie es wäre sehr auffällig, wenn ich die Bordküche plündern gehe?“

„Überhaupt nicht!“

Wir beginnen beide zu lachen. Langsam aber sicher ist lachen etwas, was sich nicht mehr total ungewöhnlich anfühlt. Ich erinnere mich wieder daran, dass ich einmal viel und gerne gelacht habe und freue mich, dass ich es in den letzten Jahren nicht komplett verlernt habe, auch wenn es sich manchmal so anfühlte, als würde ich es nie wieder können. Die letzten 24 Stunden haben mir das Gegenteil bewiesen und mir einen weiteren Grund gegeben, für den es sich lohnt weiter zu leben. Bis das Essen kommt, albern Gordon und ich weiter herum, in dem wir Pläne schmieden, wie ich das gesamte Mousse au Chocolat aus der Bordküche entwenden könnte, ohne dass es auffällt.

Als das Essen einige Zeit später auf dem Tisch steht, kann ich immer noch nicht fassen, wie gut mir das viele Lachen tut. Ich versuche das unbefangene Gefühl fest zu halten, merke jedoch, dass es offensichtlich nicht so einfach ist meine Ängste dauerhaft zu verdrängen. Während die nächste Panikwelle sich aufbaut und ich wieder beginne auf jedes Geräusch über heftig zu reagieren, konzentriere ich mich darauf, die ruhige Fassade aufrecht zu erhalten. Es würde mir mehr schaden, als nutzen, wenn alle um mich herum mitkriegen würden, wie es mir geht. Ich schaffe es zwar mich im Griff zu behalten, reagiere wenn überhaupt jedoch nur noch einsilbig auf Gordon, weil ich meine Konzentration auf die Fassade verwende.

Einige Minuten später ist die Attacke vorbei und ich beginne wieder mich zu entspannen. Das Essen ist gut und ich freue mich über solch Kleinigkeiten. Eine Stewardess kommt auf uns zu und erkundigt sich, ob wir Wein zum Essen möchten. Ich bin kurz geneigt die Frage zu bejahen, um die unangenehmen Gefühle zu verdrängen, erinnere mich dann aber an das, was ich schon vor langem gelernt habe: Alkohol ist keine Lösung, ein klarer Geist hingegen hilft meistens eine solche zu finden. Deswegen lehne ich tatsächlich ab und bin über mich selbst so überrascht, dass ich leise lachend den Kopf schüttele.

„Was ist denn jetzt schon wieder? Im ersten Moment, sind sie ganz weit weg und reagieren kaum noch und dann fangen sie auf einmal an zu lachen? Das soll mal einer verstehen.“

„Entschuldigen sie bitte Gordon, ich hatte gerade erste eine leichte Panikattacke, deswegen war ich so abwesend und dann habe ich mich selbst überrascht. Deswegen das Lachen.“

„Panikattacke, genehmigt, aber wie haben sie sich selbst überrascht?“

„Na ja ich hatte ihnen ja schon gesagt, dass früher öfter mal einen über den Durst getrunken habe und jetzt habe ich gerade ernsthaft den Wein abgelehnt. Also entweder bin ich ernsthaft krank, oder die Insel hat mir eine Gehirnäsche verpasst. Der Oliver Queen, der fünf Jahren mit der Gambit in See gestochen ist, hätte das niemals getan.“

„Vielleicht hat dieser Oliver Queen einfach nicht gewusst, dass das Leben zu kurz ist um es in einem Alkohol induzierten Nebel zu zubringen.“

„Ja vielleicht…“

Und das war noch das Geringste, was dieser Oliver Queen nicht gewusst hat, füge ich in Gedanken hinzu. Ich war jung und unbedarft. Ich wusste nicht, wie viel ein Leben wert ist. Ich wusste nicht, wie viel Kraft es braucht um einem Menschen das Genick zu brechen, wusste nicht wie es sich anfühlt, den besten Freund zu hintergehen, welches Gefühl es ist, wenn man Schuld am Tod eines Menschen trägt. Und heute? Heute denke ich, dass ich all das vielleicht manchmal einfach nur vergessen will. Andererseits weiß ich, dass ich nicht vergessen darf, wenn ich nicht will, dass das Opfer meines Vaters um sonst war.

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