Familienbande

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„Dein Zimmer sieht noch genauso aus wie du es verlassen hast, ich konnte es nicht über mich bringen etwas zu verändern.“

Ich sehe mich in der Eingangshalle um. Auch hier hat sich kaum etwas verändert. Wärend ich mein Kiste vorsichtig auf dem Boden absetze, kommt ein Mann auf mich, zu den ich einige Augenblicke später als Walter Steele, einen der besten Freunde meines Vaters einzuordnen weiß.

„Oliver, es ist schön dich zu sehen.“

Etwas irritiert von seiner Anwesenheit sage ich zunächst gar nichts und ergreife nur die mir dar gebotene Hand. Er scheint mein Schweigen als Zeichen des Nicht-Erkennens auf zu fassen und fügt hinzu.

„Ich bin’s Walter. Walter Steele.“

Ich fühle, wie meine Mutter mir Hand auf den Rücken legt und sehe sie immer noch irritiert an.

„Du musst dich doch an Walter erinnern. Er ist ein Geschäftsfreund deines Vaters.“

Ich nicke langsam und entscheide mich erst mal die kleine Frau zu begrüßen die soeben den Raum betreten hat.

„Es ist schön dich zu sehen, Raisa.“

„Willkommen zu Hause Mister Oliver.“

Ich nehme ihre Hände und drücke sie kurz. Sie redet währenddessen über meine Schulter hinweg mit meiner Mutter.

„Mister Merlyn hat angerufen, er wird zum Abendessen vorbeikommen.“

„Wunderbar.“

Ich überlege noch nachzuhaken ob Mister Merlyn mein Freund Tommy oder dessen Vater gemeint ist, als ich im oberen Stockwerk eine Tür klappern höre.

„Oliver, hast du das gehört?“

Dieser Frage meiner Mutter hätte es gar nicht mehr bedurft. Ich bin bereits auf dem Weg zur Treppe an deren oberen Ende jetzt eine wunderhübsche, junge Frau mit langen braunen Haaren auftaucht. Meine Schwester. Ich kann kaum glauben wie schön sie geworden ist. Sie hält kurz auf dem Treppenabsatz inne, betrachtet mich mit einem Ausdruck von Unsicherheit in den Augen. Als ich sie mit einem Lächeln und den Worten „Hallo Schwesterchen“ begrüße, verwandelt er sich jedoch augenblicklich in Freude und sie kommt die Treppe hinunter, mir direkt in die Arme gelaufen.

„Ich wusste es, ich wusste das du lebst. Ich habe dich so vermisst.“

„Du warst die ganze Zeit bei mir.“

Und das war sie wirklich. Egal was passiert ist. Thea war immer einer der Hauptgründe, die mich dazu getrieben haben weiter zu machen und zu überleben. Für sie musste ich einfach nach Hause zurückkehren. Und jetzt kann ich sie endlich wieder in den Armen halten in diesem Moment, bin ich der glücklichste Mensch auf der Welt. Irgendwann räuspert sich meine Mutter hinter uns und ich muss Thea leider wieder los lassen um mich zu ihr umzudrehen. Sie hat Tränen in den Augen und ist offenbar zutiefst gerührt davon, dass ich endlich die Mauern fallen lasse und mich offen und ehrlich über das Wiedersehen mit meiner Schwester freue.

„Ich unterbreche eure herzliche Begrüßung wirklich nur ungerne, aber Tommy kommt in einer dreiviertel Stunde zum Abend essen vorbei und ich würde vorschlagen, dass du dich vorher etwas frisch machst Oliver. Und du solltest dir vielleicht auch etwas gesellschaftstauglichere Klamotten anziehen Thea!“

Thea stöhnt, ich nicke. Dennoch folgt sie mir anstandslos die Treppe hinauf, nach dem ich meine Kiste wieder vom Boden aufgehoben und Raisas Angebot sie mir nach oben zu bringen mit einem Kopfschütteln ausgeschlagen habe. Kurz darauf betrete ich mein Zimmer. Obwohl meine Mutter nichts darin verändert hat, kommt es mir unbekannt und fremd vor. Es ist einfach zu lange her, dass ich hier war. Etwas unsicher gehe ich durch den Raum und lege meine Kiste auf dem Bett ab. Plötzlich beginnt Thea hinter mir zu sprechen und erschreckt mich damit zu Tode. Dennoch habe ich mich weit genug im Griff um nur kurz zusammen zu zucken und nicht komplett auszurasten.

„Ich lasse dich dann mal in Ruhe ankommen. Herrenduschgel kannst du dir vermutlich erst mal von Walter leihen. Er hat seine Sachen im großen Bad. Wo der Rest ist, weißt du ja vermutlich noch, wenn du trotzdem Hilfe brauchst – du weißt wo mein Zimmer ist. Schöne Frisur übrigens.“

Mit diesen Worten lässt sie mich in alleine und ich nutze die Pause um mich erst mal aufs Bett fallen zu lassen. Dann beginnt mein Hirn langsam aber sicher ihre Worte zu verarbeiten. Walters Duschgel steht offensichtlich im Badezimmer meiner Eltern. Das kann ja eigentlich nur heißen, dass er hier wohnt und das wiederum heißt offensichtlich, dass zwischen ihm und meiner Mutter mehr ist als bloße Freundschaft. Eine interessante Wendung der Ereignisse. Mal sehen was kommt, ich gönne es ihr, dass sie jemanden gefunden hat, den sie liebt, gleichzeitig kann ich mir nicht vorstellen, dass er bei uns wohnt. Ich beschließe diese Dinge für den Moment zu ignorieren und sehe ich erst mal zu, dass ich unter die Dusche komme.

Nachdem ich mir ein Handtuch und eines der Duschgels im großen Bad genommen habe, gehe ich wieder in mein Badezimmer und steige unter die Dusche. Das heiße Wasser entspannt meine erschöpften Muskeln und hilft mir mich zu entspannen. Als ich fertig bin betrete ich mit einem um die Hüften geschlungenen Handtuch mein Zimmer, um mich wieder an zu ziehen. Als mein Blick jedoch in den Spiegel fällt, bin ich immer noch erschrocken, wie sehr ich mich verändert habe. Der Mann, der mir entgegenblickt, ist mir fast vollkommen fremd und ich schaffe es nur mühsam mir klar zu machen, dass ich das bin.

Coming HomeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt