Narben der Vergangenheit

600 24 1
                                    

Plötzlich macht es klick und ich verstehe was passiert ist. Offensichtlich ist eine meiner Narben soweit über die Haut erhaben, dass man sie durch das T-Shirt hindurch sieht. Ich schiebe meine Hand unter das T-Shirt und taste noch einmal über die Stelle. Es ist definitiv eine meiner Narben, verursacht durch einen Angriff mit einem Schwert, dem ich nicht rechtzeitig ausgewichen bin.

„Wirklich verwunderlich, dass einen Narbe fest mit mir verwachsen ist“, kommentiere ich in sarkastischem Tonfall, „Das haben diese Dinger so an sich. Die anderen kann ich auch alle nicht ablösen und verschieben wie es mir passt, allerdings sind die auch nicht so auffällig. Zumindest nicht, wenn ich ein T-Shirt anhabe.“

„Wie bitte? Das ist eine Narbe?! Das Teil ist gigantisch! Und sie haben mehrere davon? Oliver ich weiß nicht, was ihnen passiert ist, aber allein die Tatsache, dass sie eine einzige Narbe dieser Größe haben lässt mich ahnen, dass es die Hölle war.“

„Eine Narbe sagt wohl mehr als tausend Worte, was? Wie auch immer wollen wir jetzt was essen gehen oder nicht?“

Ich gehe Richtung Tür, nehme meine Schlüsselkarte vom Tisch und sehe Gordon über die Schulter hinweg an. Dieser wirkt immer noch wie vor den Kopf geschlagen von meiner Enthüllung. Schließlich folgt er mir zur Tür, öffnet sie und geht hinaus. Ich verlasse ebenfalls den Raum, ziehe die Tür hinter mir ins Schloss und geselle mich zu Gordon, der am Fahrstuhl auf mich wartet.

„Auto oder zu Fuß?“, fragt er mich als wir den Fahrstuhl besteigen.

„Auto“, entscheide ich nach kurzer Überlegung. Zwar hätte ich prinzipiell nichts gegen einen kurzen Spaziergang einzuwenden, allerdings ist Autofahren für mich im Moment definitiv Stress freier. Und davon hatte ich heute definitiv schon genug.

Wir fahren direkt bis zur Garage im dritten UG hinab und suchen gemeinsam nach dem vom Parkservice geparkten Mercedes. Ich beginne bereits meine Entscheidung zu bereuen, da ich hinter jeder Säule und in jedem Schatten Angreifer zu sehen glaube, als mich plötzlich eine Hand von hinten an der Schulter fasst und mit starkem Griff festhält.

„Suchen sie hier irgendwas?“

Einmal mehr übermannen mich meine Reflexe und ich befreie mich, in dem ich meinem „Angreifer“ den Ellenbogen in die Magengegend ramme. Anschließend drehe ich mich um, hakele ihm den rechten Fuß weg und knie nur Sekunden nach dem er zu Boden gegangen ist auf seinem Rücken. Im selben Moment höre ich schnelle Schritte und hebe den Blick um einen zweiten Angriff zu blockieren, bevor er richtig beginnen kann. Allerdings ist es nur Gordon, der vom Lärm angelockt, durch die Garage auf mich zu gestürmt kommt.

„Ist alles in Ordnung mit ihnen Oliver? Sind sie verletzt?“

„Nein, nein, alles gut, allerdings weiß ich nicht, wie es um diesen Gentleman hier bestellt ist.“

Ich realisiere langsam, dass ich gar nicht weiß, ob der Mann mich überhaupt angreifen wollte und stehe vorsichtig auf. Immer bereit ihn K.O. zu schlagen, wenn er gefährlich sein sollte trete ich zwei Schritte zurück und überlasse es Gordon den am Boden Liegenden zu untersuchen. Der Uniform nach zu urteilen gehört er zum Hotelpersonal und ich habe ihn einfach so angegriffen. Entweder bin ich also ein Idiot oder reif für die Klapse. Statt mich weiter mit diesem Problem zu befassen wende ich meine Aufmerksamkeit lieber wieder Gordon und meinem unfreiwilligem Gegner zu.

„Mann! Ich weiß nicht warum der Bekloppte da mich angegriffen hat. Ich habe ihn nur gefragt, was er hier unten macht, da hat er sich plötzlich um gedreht und mir das Knie in den Bauch gerammt. Danach hat er mich zu Boden geworfen und sich auf mich gekniet. Könntet ihr mir vielleicht mal sagen was das soll? Wer seid ihr überhaupt? Bullen?“

„Ich bin Gordon Steward und arbeite für die amerikanische Botschaft. Das ist Mister Oliver Queen, er steht unter unserem speziellen Schutz.“

„Oh Gott, entschuldigen sie bitte Sirs es tut mir leid wenn ich sie irgendwie belästigt haben sollte. Kann ich ihnen irgendwie behilflich sein? Bitte sagen sie meinem Chef nichts davon, der schmeißt mich raus wenn er das hier mitbekommt. Ich habe schon eine Verwarnung, weil ich einen betrunkenen Gast davon abhalten wollte eine Kellnerin zu begrabschte.“

Jetzt bekomme ich endgültig ein schlechtes Gewissen. Vorsichtig knie ich mich neben Gordon und den Mann. Dieser zuckt erschrocken zurück. Offensichtlich hat er noch mehr Angst vor mir als ich noch vor wenigen Minuten vor ihm hatte.

„Entschuldigen sie bitte. Ich bin im Moment etwas empfindlich, was unerwartete Berührungen angeht. Es war definitiv nicht ihre Schuld, sondern meine. Habe ich sie ernsthaft verletzt?“

„Nein, nein das geht schon. Ein paar blaue Flecken mehr nicht.“

„Ehrlich? Ich weiß wie kräftig ich zugetreten habe. Wenn sie Blut im Urin haben sollten gehen sie zum Arzt! Wenn es ihnen sonst irgendwie schlechter gehen sollte auch! Wegen der Rechnung machen sie sich keine Gedanken, die wird die Botschaft an mich weiterleiten und ich werde sie begleichen. Falls ihr Chef irgendwie hiervon Wind bekommt und sie deswegen Ärger melden sie sich bei mir. Ich kümmere mich dann darum, okay?“

Der Mann ist sichtlich überrascht von meinen eindringlichen Worten. Er nickt, bevor er sich eilig erhebt. Gordon fragt ihn ob er wisse wo unser Auto steht und kurz darauf folgen wir ihm durch die unübersichtliche Garage bis zu einer Park Box in der tatsächlich der schwarze E-Klasse Mercedes steht, mit dem wir hergekommen sind. Gordon bedankt sich noch einmal und wir steigen ein. Während er den Wagen aus der Garage manövriert wendet mein Begleiter sich an mich

„Also Oliver was war da wirklich los? Ich meine ich weiß ja, dass sie heftig reagieren können, aber ich glaube irgendwie nicht, dass sie grundlos Leute angreifen.“

„Tja, da kennen sie mich wohl schlechter als gedacht… Aber sie haben recht ganz grundlos war der Angriff nicht. Der Typ hat mich angesprochen und mir die Hand auf die Schulter gelegt. Echt eine tolle Begründung um jemanden zu Boden zu prügeln, nicht wahr? Wenn das so weiter geht komme ich nicht nach Hause sondern verbringe die nächsten Jahre wegen Körperverletzung im Knast.“

„Wow okay das heftig, Oliver. Ich glaube bei unserem kleinen Zwischenfall im Fahrstuhl vorhin hätte das alles deutlich schlimmer ausgehen können.“

„Naja, da wusste ich, dass sie da sind. Mister Bakers Berührung hat mich also nicht ganz so sehr überrascht. Außerdem hatten sie Maschinengewehre in der Hand und erfahrungsgemäß sind die Dinger um einiges tödlicher als meine Fäuste.“

„Wissen sie was mir echt Angst macht? Diese Ruhe mit der sie von Angriffen auf ihr Leben, den passenden Verteidigungsstrategien und all diesem Zeug reden. Bei ihrer Herkunft sollten sie sich für Mode, Mädels und schnelle Autos interessieren. Sie sollten den Stoff für die Klatschblätter liefern und nicht für Kampfsportzeitschriften.“

„Die Insel hat mich verändert und nicht mal ich weiß wie sehr. Sie haben die Narben auf meinem Körper gesehen, die in meinem Geist entdecke ich gerade erst selbst.“

Den Rest der kurzen Fahrt verbringen wir schweigend. Meine Gedanken wandern um den halben Globus nach Starling City. Zu Mum, Thea, Tommy und Laurel, zu all den Menschen die mir so wichtig sind. Ich muss es schaffen diese Narben vor ihnen zu verbergen. Vor allem die an meinem Geist dürfen sie niemals zu Gesicht bekommen und auch die an meinem Körper erst so spät wie möglich. Ihnen zu liebe muss ich mich zusammen reißen. Ich muss es schaffen meine Vergangenheit hinter mir zu lassen und mein neues Leben zu beginnen. Sie dürfen niemals erfahren wie sehr die Insel mich verändert hat.

Coming HomeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt