Über den Wolken

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Endlich gibt es Nachtisch. Ich genieße jeden Löffel, des Mousse und dennoch ist es definitiv zu schnell aufgegessen. Ich sehe schon Raisas verdutztes Gesicht vor mir, wenn ich sie um eine große Schüssel von dem braunen Zeug bitte. Obwohl sie schon an die seltsamen Wünsche einer Millionärsfamilie gewöhnt ist, dürfte das selbst für sie neu sein.

Nach dem Abendessen verkündet Gordon, dass er jetzt versuchen werde ein wenig Schlaf zu bekommen. Ich lasse diese Ansage unkommentiert und versuche ebenfalls etwas zur Ruhe zu kommen. Ich will und darf zwar nicht schlafen, dennoch habe ich in den letzten Jahren gelernt mir etwas Erholung zu verschaffen, in dem ich das Denken weitestgehend einstelle, um so in einen Zustand zwischen Meditation und Schlaf zu gleiten, in dem ich mir meiner Umgebung zwar bewusst bin, mich aber nicht weiter mit ihr beschäftige. Diese Art der Ruhe ist zwar lange nicht so erholsam wie ein echter Schlaf, jedoch ein ganz guter Ersatz, wenn schlafen nicht möglich ist.

Knapp fünf Stunden und etliche fast Panikattacken später wird Gordon wieder wach. Er sieht mich an und schreckt zurück.

„Oliver, alles in Ordnung mit ihnen?“

Ich blinzele kurz und bemühe mich mein Gehirn wieder in Aktivität zu bringen ehe ich antworte.

„Ja alles prima, was sollte sein?“

„Es sah etwas gruselig aus, wie sie mich mit so lehren Augen angestarrt haben.“

Ich grinse und versichere Gordon noch einmal, dass wirklich Alles in Ordnung ist.

„Wie spät ist es eigentlich?“

„In China dürfte es jetzt etwa zwei Uhr Nachts sein. Ortszeit von der Gegend unter uns? Ich schätze mal so 14 Uhr.“

„Zwei Uhr nachts… Sie sind heute, beziehungsweise gestern Morgen um sechs Uhr aufgestanden. Sind sie nicht müde?“

„Ein bisschen, aber ich habe die letzten Stunden zum Ruhen genutzt, auch wenn ich nicht geschlafen habe, deswegen ist es auszuhalten.

„Wie lange fliegen wir noch?“

„Planmäßig noch knappe zwei Stunden, glaube ich.“

„Nervös?“

„Jetzt wo sie mich fragen wieder mehr, aber irgendwie will ich auch, dass es endlich so weit ist. Ich will nach Hause und gleichzeitig habe ich einen riesen Horror, vor den Reaktionen meiner Familie. Kennen sie dieses zwiespältige Gefühl?“

„Und ob! Ging mir jedes Mal so, wenn wir in der Schule eine Mathearbeit wieder bekommen haben. man will endlich wissen, was raus gekommen ist und hat gleichzeitig Angst vor der großen Katastrophe.“

„Genau so. Nur viel schlimmer. Dass ich immer wieder kurz vor einer Panikattacke stehe macht es natürlich nicht besser.“

„Echt? Auf mich wirken sie im Moment ehrlich gesagt entspannter, als die gesamten letzten Tage. Sie verbergen das wirklich gut.“

„Jetzt gerade geht es mir auch prima. Die Panik kommt eher wellenartig. Eine ganze Zeit ist alles prima und dann plötzlich habe ich das Gefühl schnellst möglich hier weg kommen zu müssen. Es ist extrem unschön, aber die Abstände zwischen den Attacken werden länger und ich habe mich schneller wieder im Griff.“

„Klingt doch so ganz positiv. Was fangen wir jetzt mit dem restlichen Flug an?“

„Keine Ahnung, wenn sie noch schlafe wollen, ist das überhauptkein Problem. Ich komme schon klar.“

„Muss nicht sein, diese Sitze sind zwar sehr gemütlich, aber so richtig müde bin ich nicht mehr.“

Ich überlege kurz, was man mit der restlichen Zeit anfangen könnte, aber mir fällt nichts Sinnvolles ein. Ich denke darüber nach, was ich früher immer auf längen Flügen getrieben habe und plötzlich habe ich eine Idee. Ich suche die Armelehne meines Sitzes ab und finde, was ich suche. Gordon ist einigermaßen überrascht, als ich einen kleinen Bildschirm hoch klappe, zwei Kontroller heraus nehme und ein Programm starte. Ich halte ihm einen der Kontroler hin und grinse ihn an.

„Trauen sie sich gegen den ultimativen Meister des Mario Karts an zu treten?“

„Der ultimative Meister sitzt neben ihnen. Ich werde sie dem Erdboden gleich machen!“

„Niemals. Sie wählen die Strecke.“

„Okay. Wir spielen auf der Regenbogen Piste.“

„Wenn sie meinen, dass sie es sich noch schwerer machen müssen. Habe sie was dagegen, wenn ich Yoshi spiele?“

„Überhaupt nicht. Ich nehme Luigi.“

„Gut. Machen sie sich bereit für ihre Niederlage! Start des Rennens in drei, zwei, eins, los!“

Die Autos rasen über die Strecke und ich merke, dass Gordon mir definitiv gewachsen, wenn nicht sogar überlegen ist. Fünf Jahre Spielabstinenz machen sich eben doch bemerkbar. Andererseits haben sie meine Reflexe geschärft und ich habe immer noch jahrelange Erfahrung. Dennoch gewinnt Gordon die erste Runde problemlos. Um mehr Zeit zu gewinnen fordere ich ihn zu einem Rennen über alle Strecken heraus und er erklärt sich einverstanden. Es wird die reinste Mario Kart-Schlacht. Die ersten Rennen verliere ich zwar, als ich jedoch erst mal wieder im Spiel bin mache ich ordentlich Boden gut. Tatsächlich endet unsere Rennserie mit einem knappen Sieg für mich. 

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