Während wir uns durch den Stau Richtung Flughafen schieben, werde ich wieder mal nervös. Diesmal liegt es allerdings daran, dass ich kaum glauben kann, dass ich endlich auf dem Heimweg sein soll. Ich erinnere mich am den Moment in dem ich das Fischerbot zum ersten Mal gesehen habe, den Gedanken daran, dass ich nach Hause komme und jetzt bin ich tatsächlich auf dem Weg. Die freudige Erwartung schafft auch das scheinbar Unmögliche – sie überlagert die Angst vor dem Flug.
„Darf ich fragen, worüber sie sich so freuen?“
Gordons Stimme holt mich in die Gegenwart zurück.
„Ich freue mich unglaublich darauf nach Hause zu kommen. Natürlich habe ich auch Angst, meiner Familie gegenüber zu treten. Ich meine ich habe sie fünf Jahre nicht gesehen – fünf Jahre, in denen ich mich mehr verändert habe, als andere es in ihrem ganzen Leben tun. Und doch glaube ich gerade jetzt daran, dass wir irgendwie wieder zusammen finden werden… Ich rede Blödsinn, oder?“
„Nein, gar nicht. Ich glaube ich verstehe, was sie sagen wollten. Sie wissen zwar, dass es hart werden könnte, aber sie sind optimistisch genug, sich nicht darauf zu konzentrieren was schief gehen könnte. Sie hoffen einfach das Beste. Und wisse sie was? Ich glaube an sie!“
„Wie das? Sie kennen mich doch gar nicht?“
„Ich glaube, ich habe in den letzten Tagen einen ganz guten Eindruck von ihnen erhalten. Egal was sich ihnen in den Weg gestellt hat, irgendwie haben sie es immer geschafft sich zusammen zu reißen und weiter zu machen. Ich war zwar nicht dabei, als sie auf der Insel waren, aber ihre Narben zeigen mir, wie hart es dort war. Trotzdem stehen sie heute vor mir und haben ihren Glauben in das Gute nicht verloren. Ich denke das sind ziemlich gute Ohmen für das Wiedersehen mit ihrer Familie. Wenn irgendwer das schafft, dann sie Oliver.“
Dankbar sehe ich Gordon an. Ich habe mich zwar bemüht so positiv wie möglich zu denken, aber seine Worte helfen mir definitiv. Ich will das schaffen und ich werde es schaffen. Alles was mich noch von meiner Familie trennt, sind rund zwölf Stunden in einem Flugzeug und eine dämliche Untersuchung in irgendeinem Krankenhaus in Starling City. Das wir ja wohl zu schaffen sein, oder?
Den Rest der Fahrt schweigen wir. Gordon muss sich den Verkehr konzentrieren und ich nutze die Zeit um mich durch Meditation mental auf die kommenden Stunden ein zu stellen. Außerdem verabschiede ich mich geistig noch einmal von allen, die ich auf der Insel verloren habe. Häufig trage ich zu viel Verantwortung für ihren Tod, als dass ich sie ganz hinter mir zurück verlassen könnte, aber ich lebe und ich weigere mich dieses Leben in der Vergangenheit zu verbringen. Ich werde ihre Andenken im Herzen bewahren und sie in meine Taten weiterleben lassen. Mit der Stadt, lasse ich nicht nur die Insel, sondern auch ein ganzes Leben hinter mir.
Als wir den Flughafen erreichen, sind wir schon einigermaßen spät dran. Während wir unser Gepäck ausladen wendet Gordon sich an mich.
„Ich weiß, dass sie da nicht viel Einfluss drauf haben, aber ich wäre ihnen zutiefst verbunden, wenn sie sich keine Panikattacken erlaube würden, bis wir den Flieger erreicht haben. Wir müssen zwar noch nicht rennen, aber es könnte Schwierigkeiten geben, wenn sie hier wieder Irgendjemanden grundlos verprügeln“
Ich grinse und nicke. Anschließend setze ich den Rucksack mit meinen wenigen Kleidungstücken auf. Die Jeans habe ich noch im Auto gegen die Jogginghose getauscht. In der rechten Hand habe ich nun nur noch meine Kiste. Gordon schließt das Auto ab, schultert seine Tasche und lotst mich in Richtung des Check-Ins. Wir geben unser Gepäck auf und passieren dank der Diplomaten Papiere problemlos die Sicherheitskontrolle. Ich finde es zwar immer noch nicht angenehm, dass ein fremder Mensch mich durchsucht, aber ich behalte die Nerven und bleibe äußerlich so gelassen wie nur möglich.
Als wir uns in die Schlange derer einreihen, die ebenfalls ins Flugzeug wollen, steigt mein Stresslevel wieder spürbar an. Ich konzentriere mich darauf, dass keiner von ihnen mir etwas tun wird, solange ich die ruhig bleibe. Beim Gang durch die Fluggastbrücke spüre ich deutlich, wie unsicher ich im Umgang mit dieser Enge geworden bin. Früher hätte ich diesem Moment nicht die kleinste Beachtung geschenkt, doch jetzt muss ich alle Kraft darauf verwenden nicht wegzulaufen. Ich bete mir wie ein Mantra immer wieder vor, dass mich jeder Schritt näher an zu Hause, an meine Familie bringt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir unsere Sitzplätze. Da wir glücklicherweise Business Class fliegen sitzen wir zwar nicht wie die Ölsardinen aufeinander, dennoch sind die Sitze für meinen Geschmack viel zu eng angeordnet. Ich überlasse Gordon den Fensterplatz, da ich vom Gangplatz aus meine Mitreisenden besser im Auge behalten kann. Während die restlichen Gäste an Bord gehen, bleibe ich noch einigermaßen ruhig. Als die Tür geschlossen wird, fühle ich mich allerdings wieder schwerpunkmäßig eingesperrt und somit alles andere als Wohl. Plötzlich höre ich Gordon neben mir leise lachen.
„Oliver, sie müssen das Flugzeug nicht an ihren Armlehnen anheben. Das fliegt auch von alleine. Außerdem weiß ich nicht, ob Mister Bakers gerne die ruinierten Lehnen bezahlen möchte.“
Erst jetzt fällt mir auf, dass ich die Armlehnen so fest umklammert halte, dass meine Fingerknöchel schon ganz weiß sind. Langsam atme ich aus und lasse sie los. Meine Nervosität verschwindet trotzdem nicht. Ich spüre, dass Gordon mich immer noch ansieht und hebe den Blick, bis ich ihm in die Augen sehe.
„Ich schaffe das!“
„Wenn sie meinen… Sie sagen mir aber, wenn ich ihnen irgendwie helfen kann, okay?“
„Natürlich. Vielleicht können sie tatsächlich was für mich tun.“
„Klaro was kann ich machen?“
„Erzählen sie mir was, irgendetwas, möglichst nicht zu ernst. Ist mir völlig egal, ob das wahr oder erfunden ist. Was Lustiges halt. Vielleicht reicht das schon um mich so weit abzulenken, dass meine Nerven nicht mehr so am flattern sind.“
„Na super! Ich bin doch kein ausgebildeter Geschichtenerzähler! Aber ich tue mein Bestes. Ich hoffe sie wissen das zu schätzen?!“
„Natürlich!“
Die gespielte Entrüstung in meiner Stimme bringt Gordon zum Schmunzeln. In diesem Moment rollt das Flugzeug in Richtung Startbahn und die Stewardessen beginnen mit der Sicherheitseinweisung. Es ist vermutlich das Erste Mal in meinem ganzen Leben, dass ich aufmerksam zuhöre. Ich habe erlebt, dass man die unglaublichsten Dinge überleben kann, man muss nur wissen wie und das will ich ab jetzt mitkriegen. Schließlich ist das Sicherheitsballett beendet, die Stewardessen nehmen Platz und das Flugzeug beschleunigt. Als die Beschleunigung mich in meinen Sitz drückt, durchfährt mich einmal mehr das Kribbeln der freudigen Erregung, die sich immer einstellt, wenn mir bewusst wird, wie bald ich wieder zu Hause sein werde.
Ich sehe aus dem Fenster und beobachte, wie die Welt unter mir immer kleiner wird. Trotz meiner Freude, habe ich auch Angst, weil ich mich jetzt darauf verlassen muss, dass der Pilot uns sicher zu unserem Zielort bringt. So sehr auf einen Menschen, den ich nicht einmal kenne angewiesen zu sein, beunruhigt mich. Auf Reiseflughöhe angekommen beginnt wendet sich Gordon wieder mir zu.
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Coming Home
FanfictionDie erste Folge der ersten Staffel Arrow beginnt mit Olivers Rettung von der Insel. Die nächste Scene ist die, in der seine Mutter ihn aus dem Krankenhaus abholt. Aber was passiert dazwischen? Ich habe mir da so meine Gedanken gemacht und einfach ma...