30 Days Challenge

Tag 6 - Nummer Sieben

Thema: Interpretiere folgenden Satz: Das hässliche siebte Mädchen.

Das hässliche siebte Mädchen. Eine uralte Legende, an die leider jeder glaubt. Bei euch, sind Legenden nur Legenden, aber nicht hier. Hier sind Legenden genauso wahr, wie ein Sachtext. Dieser alten Legende nach ist jedes siebte Mädchen hässlich. Bei der Geburt werden die Mädchen, dem Alphabet nach, in eine Liste eingetragen. Für jedes Jahr gibt es eine eigene Liste. Danach wird abgezählt und jedes siebte Mädchen erhält ein Armband mit der Zahl sieben, welches sie bis an ihr Lebensende tragen muss. Wer dieses Armband trägt, hat keinerlei Rechte. Man darf erst reden, wenn man angesprochen wird, man muss alles tun, was einem gesagt wird und so weiter. Kurz gesagt, macht das einen zum Sklaven für alle anderen. Und ratet mal, die wievielte ich wahr. Richtig. Die Siebte... Somit entspreche ich schon rein aus Prinzip her nicht ihren Schönheitsidealen und verdiene kein gutes Leben... Zugegeben, ich bin wirklich nicht gerade hübsch. Ich habe kurze, schwarze Haare, ein kugelrundes Gesicht, matschbraune Augen, dünne und rissige Lippen, Übergewicht und keinerlei weibliche Rundungen...

Somit versank ich immer mehr in Selbstmitleid und begann schon wirklich daran zu glauben, dass die Legende wahr ist und das alles so seine Richtigkeit hätte, bis ich sie kennenlernte. Sie war neu in unserer Klasse und betrat zum ersten mal das Klassenzimmer. Ihre langen, welligen, hellbraunen Haare fielen ihr über die Schultern und unterstrichen die sanften Züge ihres Gesichtes. Ihre hellgrünen Augen strahlten und ihre helle, makellose Haut kontrastierte wunderbar mit ihren roten Lippen. Sie trug ein kurzes, ärmelloses, hellblaues Kleid. Fasziniert starrte ich sie an. Sie war das schönste Mädchen, das ich je gesehen hatte. Auch meine anderen Klassenkameraden wurden sofort auf sie aufmerksam und verfolgten sie mit ihren blicken, während sie durchs Klassenzimmer schritt. Nur unsere Lehrerin beachtete sie überhaupt nicht. Alle meine Klassenkameraden wollten, dass die Neue sich neben sie setzte. Stattdessen setzte sie sich aber neben mich! Ich konnte es nicht glauben! "Müssen Sie nicht die Neue vorstellen?", fragte die Klassenzicke. Unsere Lehrerin warf ihr einen kurzen Blick zu und wandte sich danach an die Neue. "Sieben, stell dich vor", befahl sie. Eine weitere 'Besonderheit' unserer Gesellschaft... Wenn man eine Sieben war, dann wurde man recht häufig nur als Zahl bezeichnet. Selten hörte man von den anderen seinen Namen... Ein geschocktes Raunen ging durch die Klasse und alle starrten die Neue verwirrt an. "Sie müssen sich irren. Sie ist keine Sieben", meldete sich die Zicke wieder zu Wort. "Doch, bin ich", sagte die Neue lächelnd. Entsetzen trat in die Augen aller. "Warum trägst du dann aber kein Armband?", fragte einer meiner Klassenkameraden. "Hab ich abgemacht. Ich finde dieses System falsch. Diese dämliche Legende stimmt nicht! Wir sind nicht weniger wert, nur weil wir an einer bestimmten stelle in irgendeiner Liste stehen. Wir sind Menschen, genauso wie alle anderen! Wir verdienen es, gleich behandelt zu werden!", sagte sie. "Genug! Sofort zum Direktor!", herrschte die Lehrerin sie an. "Das ist nicht fair! Sie sagt doch nur die Wahrheit!", empörte ich mich. Ihre Worte hatten Mut in mir geweckt. Sie hatte vollkommen recht und ich wollte sie dabei unterstützen. Ich würde ihr helfen, eine gerechte Gesellschaft zu schaffen. "Zum Direktor! Alle beide!", schrie die Lehrerin wütend. Wir standen auf und verließen das Klassenzimmer. "Danke, dass du mir beigestanden hast", sagte die Neue, nachdem ich die Tür hinter uns geschlossen hatte. "Nichts zu danken. Ähm... Ich möchte dir helfen! Ich möchte dir dabei helfen, eine gerechte Gesellschaft zu schaffen!", sagte ich nach kurzem Zögern. Sie begann zu lächeln. "Willkommen beim Wiederstand", sagte sie und reichte mir die Hand, die ich lächelnd schüttelte.