Tag 17 - Gedenkstätte

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Thema: Interpretiere: Ein mystischer Turm bei Sonnenaufgang in der Natur.

Mitten im Wald stand er. Ein riesiger, schwarzer Turm. Er stand dort, wo schon lange kein Mensch mehr gewesen war. Wer ihn erbaut hatte, wusste keiner. Jedoch rankten sich allerlei Sagen und Legenden um diesen Turm. Einige dachten, der Teufel hätte ihn geschaffen. Andere vermuteten, es seie ein Gott gewesen und wiederum andere glaubten, es seien irgendwelche anderen Wesen gewesen. Viele fragten sich, weswegen der Turm wohl geschaffen worden war und was sich wohl in ihm verbarg.

Jedoch konnte keiner auch nur im Geringsten erahnen, wie die wirkliche Geschichte lautete. Die Lichtung, auf der er stand, war der Zeuge eines schrecklichen Massakers geworden. Eine ganze Art hatte hier ihren Tod gefunden. Die geheimnisvollen Werkatzen. Die Erde war mit ihrem Blut getränkt worden und noch lange hallten ihre Schmerzensschreie durch den Wald. Alle Lebewesen waren von hier geflohen und trauten sich nie wieder zurück.

Seit diesem schrecklichen Ereignisse waren gerade mal einige Monate vergangen, als eine junge Königin ihren Fuß auf diese Lichtung setzte. Der Gestank des Blutes lag immer noch in der Luft und stach ihr in die Nase, während ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. An dieser Stelle befahl sie als Gedenkstätte einen Turm zu errichten. Mehrere Jahre dauerte der Bau an. Als er endlich fertig war, erließ die Königin ein Gesetz. Alle 10 Jahre sollte aus den fünf Städten, die dem Turm am nächsten waren, ein Junge oder ein Mädchen geschickt werden. Über einen Pfad aus Dornen sollten sie zu dem Turm wandern und dort ein Ritual abhalten, um die Verstorbenen zu ehren und ihren Seelen Ruhe zu schenken. Als erstes hatte die Königin das Ritual selbst durchgeführt.

Viele Jahrhunderte wahren seitdem vergangen. Nun war wieder der Zeitpunkt gekommen, das Ritual durch zu führen. Aus der am weitesten entfernten Stadt war die Tochter des Schneiders ausgewählt worden. Ihre langen, schwarzen Haare, waren zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt worden. Sie trug ein luftiges, schneeweißes Kleid. Ihre hellbraunen Augen waren mit einem schwarzen Tuch verbunden worden, da sie den Weg nur anhand der Dornen finden sollte, um die Ungewissheit zu spüren, die die Verstorbenen empfunden hatten. Vorsichtig setzte sie einen Fuß auf den Pfad, jedoch bohrten sich die Dorne trotzdem unbarmherzig in ihre Füße. Mit gesammelter Kraft zwang sie sich dazu, sich zu bewegen. Schon bald war ihre Haut aufgerissen und sie hinterließ eine blutige Fußspur. Sie musste aber weiter gehen. Kein Einziges mal durfte sie stehen bleiben.

Als sie weiches Gras unter ihren Füßen spürte, wusste sie, dass sie am Ziel war. Zwei Tage hatte diese Reise gedauert und mit letzten Kräften hatte sie sich vorwärts geschleppt. Endlich konnte sie das Tuch abnehmen. Das Licht des Sonnenunterganges erschien ihr genau so hell, wie als wenn die Sonne an ihrem höchsten Punkt stünde. Neugierig betrachtete sie die Anderen. Außer ihr waren es noch drei weitere Mädchen und ein Junge, die allesamt 16 Jahre alt waren. Der Junge, so wie zwei der Mädchen, besaßen rote Haare. Das dritte Mädchen hatte wunderschöne, goldene Locken. Ihr rundliches Gesicht war vor Schmerz verzogen und aus ihren hellblauen Augen kullerten Tränen. Sie blieb aber tapfer und versuchte es sich nicht anmerken zu lassen. Die zwei rothaarigen sahen sich sehr ähnlich. Sie beide hatten recht grobe Gesichtszüge, die eher zu Männern passten. Ihrer beiden Gesichter waren von Sommersprossen übersäht, nur hatte die Eine braune und die Andere grüne Augen. Die grünäugige war sehr athletisch gebaut, während die braunäugige etwas pummeliger war. Der Junge war sehr schlank, fast schon mager und wirkte irgendwie ängstlich. Vor jedem von ihnen stand ein Sockel mit etwas zu Essen und zu Trinken. Schnell aßen und tranken sie, da sie das Ritual in wenigen Minuten beginnen mussten.

Unsicher betraten sie den Turm. Eine eigenartige Aura strömte auf sie ein. Als würden tausende Seelen um sie herum tanzen. Ein gefühl der Entspannung breitete sich in der schwarzhaarigen aus, während die anderen nur noch nervöser wurden. Für die schwarzhaarige war dieses Ritual etwas sehr besonderes. Es war für sie nicht nur zum Gedenken sonder auch, um ihre Vorfahren zu ehren. Das Gen der Werkatzen war in ihrer Familie stehts vorhanden gewesen und sie hatte das Glück gehabt, zu einem dieser äußerst seltenen Wesen zu werden. Genauso durchströmte aber auch Trauer sie. Sie konnten den ganzen Schmerz und die Verzweiflung spüren. Viel Zeit zum nachdenken hatte sie aber nicht, da sie fast sofort mit dem Ritual begannen. Zusammen vollführten sie die Tänze und Gesänge, die sie monatelang einstudiert hatten. Durch dieses Ritual schienen sie sich in der Zeit zurückzuversetzen. Sie wurden eins mit den vielen Seelen und empfanden alles nach.

Die ganze Nacht dauerte das Ritual. Als sie am nächsten morgen zurückwanderten, wussten sie, dass sie diese Nacht nie vergessen könnten und das Andenken stehts in Ehren halten würden.

Wenige Jahrzehnte später wurde das Ritual aber abgesagt und diese Ereignisse gerieten in Vergessenheit.

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