Tag 5 - Ein Herbstabend

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Thema: Ein Waldgeist folgt dir durch den Wald.

Gemütlich schlenderte er den Pfad entlang. Unter seinen Füßen raschelte das Laub und knackten ab und zu ein paar Äste. Es war ein Herbstabend und die Sonne ging bereits unter. Farbenfroh tanzten die Blätter in den letzten Sonnenstrahlen. Er liebte es, solche Spaziergänge zu machen und den Geräuschen zu lauschen. Doch plötzlich verstummte alles. Sofort bemerkte er es und blieb stehen. Eine eiskalte Briese wirbelte ein paar Blätter auf und zerzauste seine schwarzen Haare. Die Farben waren matt geworden und man könnte glauben, es seie schon Winter, so kalt war es. Nervös schaute er sich um. Was war hier los? Er drehte sich um und da sah er sie. Eine wunderschöne Frau, mit langen, goldenen Haaren, schneeweißer Haut, rundlichen Gesichtszügen, vollen, roten Lippen und eisblauen Augen schwebte 30 Zentimeter über dem Boden. Das lange, weiße Kleid fiel in Wellen herab und streifte den Boden leicht. Sofort erkannte er sie wieder. Panik tart in seine grünen Augen. Es war die Frau, die er über alles geliebt hatte. Doch ein Fehler seinerseits hatte ihr Leben davon getragen. Nun war sie hier, um sich zu rächen, dessen war er sich sicher. Kreidebleich und mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen, wirbelte er herum und rannte los. Immer wieder stolperte er über eine der vielen Wurzeln, wagte es aber nicht, langsamer zu laufen. Ob sie ihm folgte oder nicht, wusste er nicht. Er hatte nicht die Zeit, sich um zu drehen.

Als er das nächste mal stolperte, konnte er sich nicht mehr rechtzeitig abfangen und viel direkt in einen Graben, wo er keuchend liegen blieb. Die Kälte um ihn herum verriet ihm, dass sie immer noch da war. Er war aber nicht mehr in der Lage auf zu stehen. Bei dem Sturz war er sehr ungeschickt aufgekommen, weswegen nun höllische Schmerzen sein rechtes Bein durchzuckten. Als er aber dann sie erblickte, versuchte er, weg zu kriechen. Wurde aber von ihrer sanften Stimme aufgehalten. "Renn nicht weg. Bleibe hier", sagte sie. Er wollte möglichst schnell weg, blieb aber dennoch ruhig sitzen. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Tränen der Verzweiflung traten ihm in die Augen. Das war das Ende. Der letzte Moment seines Lebens. Sie schwebte näher und beugte sich zu ihm herunter. "Es tut mir leid... Ich hätte besser aufpassen sollen... Hätte ich ihn früher bemerkt, dann wäre ich ausgewichen und du wärst noch am Leben... Es tut mir so leid... Allein durch meine Dummheit und Unfähigkeit bist du gestorben... Ich bin an allem schuld... Ich allein...", schluchzte er, während ihm die Tränen über die Wangen rollten. Sie legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen und wischte ihm vorsichtig die Tränen weg. Jede ihrer Berührungen fühlte sich an, wie als würde man mit Eiswürfeln über seine Haut streichen. "Dich trifft keine Schuld. Du hast alles getan, was du konntest, nur bist du nicht allmächtig. Das ich nun tot bin, ist zwar traurig, hatt aber auch Vorteile. Mein Leben nach meinem Tod habe ich beschlossen, diesem Wald zu widmen. Nun bin ich der Geist dieses Waldes", erzählte sie und begann zu lächeln, während sie auch weiterhin zärtlich über seine Wange streichelte. Er erinnerte sich, wie sie früher jeden Abend hier spazieren gegangen waren. Er erinnerte sich, wie sehr sie den Wald geliebt hatte und wie traurig sie gewesen war, wenn ein Stück gerodet wurde oder wenn sie irgendwo Müll fand. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. Diese wunderschönen Erinnerungen breiteten sich, in Form von Wärme von seinem Herzen, bis in seinen Ganzen Körper aus. Die Schmerzen waren vergessen und eine ungewöhnliche Leichtigkeit überkam ihn. Langsam beugte sie sich weiter zu ihm und vereinte ihre Lippen mit seinen. Der Kuss war zwar eiskalt, aber so wundervoll, dass er sich fühlte, als würde er schweben.

Mit dem verschwinden der Sonne, verschwand auch sie und ließ ihn dort alleine zurück.

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