❄️ 2. Dezember ❄️

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Ich halte mir erneut prüfend den roten Strickpulli vor die Brust, dann wieder den curryfarbenen. Zu meiner blauen Jeans würde eher der curryfarbene passen, glaube ich, der rote allerdings passt einfach zur Weihnachtszeit. Rot wie eine Christbaumkugel. Ich bin ein Mädchen der Sorte, das die Weihnachtszeit einfach liebt.

Klar ist der Sommer auch schön, aber es ist heiß und man schwitzt die ganze Zeit über. Und außerdem, was hat man davon, wenn man den ganzen Winter lang dem Sommer hinterhertrauert? Ist es nicht schöner, das zu genießen, was man hat? Entschlossen ziehe ich den roten Pulli über und mache mich dann daran, mir die Wimpern zu tuschen. Die Haare fallen mir lockig über die Schultern, weil ich direkt nach der Schule ins Bad geflitzt bin und geduscht habe. Jetzt, eine Stunde später, ist das Bad voller Dunst, die Fensterscheiben beschlagen und ein ziemliches Chaos im gesamten Raum ausgebreitet. Aber immerhin gehen Marie und ich gleich mit Nico auf den Weihnachtsmarkt und ich muss schließlich ganz passabel aussehen. Ich werfe einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel und komme mir auf einmal albern vor. Was tue ich hier eigentlich? Nico interessiert sich kein bisschen für mich und ich führe mich so auf wie eine vorpubertierende Dreizehnjährige. Peinlich. Ich krame das ganze Chaos aus allen Ecken, reiße das Fenster auf und schnuppere an der kalten Winterluft. Als ich das Badezimmer verlasse, sehe ich, dass meine Freundin Marie bereits auf meinem Bett sitzt. „Würdest du mir erklären, wer dieser Typ mit dem übertriebenen Harry Potter Akzent ist, der mir die Tür geöffnet hat?" , fragt sie und beobachtet mich dabei, wie ich den curryfarbenen Pulli schon wieder unschlüssig vor mich halte.

„Rot" , bestätigt sie und zieht sich den curryfarbenen selbst an.

„Das ist Gabriel aus England. Der Austauschpartner meines Bruders", sage ich möglichst desinteressiert , während ich meine braune Kunstledertasche packe. „Wir können los!", ich greife nach meinen Doc Martens und Marie wirft noch einen letzten Blick in den Spiegel.

„Steht mir currygelb wirklich?"

„Ja klar!" , ich ziehe sie aus der Tür, „Jetzt aber los. Ich will ja nicht den ganzen Weihnachtsmarkt nach den Anderen absuchen müssen..."

"Ich war nicht so lange im Bad", protestiert meine Freundin und ich merke, wie meine Wangen heiß werden. „Ist ja schon gut" , beschwichtigt mich Marie und greift nach ihren Schuhen. Als wir in das Wohnzimmer kommen, dümpeln die Jungs auf dem Sofa herum und wirken völlig auf das Playstation Spiel fixiert. Marie schnipst mit dem Finger vor dem Gesicht meines Bruders herum, der sich grinsend ihre Hand greift und einen Kuss darauf drückt. „Danke, teuerste. jetzt bin ich hellwach!" , grinst er sie an, worauf sie die Augen verdreht.

„Was macht ihr so?", fragt er an mich gerichtet, worauf ich ihm kurz von unseren Plänen berichte. Gerade, als ich die Haustüre öffne, springt Jakob über die Rückenlehne des Sofas und hakt sich bei mir ein. „Okay, wir kommen mit!"

„Nein, das tut ihr nicht" , murre ich und ziehe Marie schnell weg, „Das kannst du vergessen."

Gabriel kommt unschlüssig um das Sofa herum und weiß nicht, ob er die Schuhe jetzt anziehen, oder abbehalten soll. Doch Jakob zieht sich seine Sneaker einfach an und wartet darauf, dass auch Gabriel seine- Hoppla, Doc Martens?- angezogen hat. Auch Marie betrachtet Gabriels und meine Schuhe und unterdrückt ein Schmunzeln. Wehe. „Echt jetzt, Jakob, wieso?!" , murre ich und starte den zweiten Versuch, die Beiden abzuwimmeln.

„Aha, jetzt ist mir alles klar" , Jakob grinst mich unverschämt an, „deshalb warst du so lange im Bad. Du willst Nico verführen! Nee, da komme ich umso lieber mit!"

Ich spüre erneute Röte auf den Wangen und wende mich ab. „Du Arsch!"

Gabriel beobachtet mich ebenfalls dreckig grinsend, worauf ich ihn anfunkele und das Haus verlasse. „Dann kommt halt eben mit!" , sage ich widerstrebend.

„Wo du uns schon so lieb darum bittest..." , sagt Jakob und ich habe irgendwie das Gefühl, dass Gabriel mich nicht mehr aus den Augen lässt.

Der Weihnachtsmarkt ist direkt am Wasser, ein kühler Winterwind weht vom See, als wir uns unter die Leute mischen. Wir schieben uns zwischen Ständen mit Wollschals, Duftkerzen, finnischer Marmelade, Bratwurst, gebrannten Mandeln und Hummus durch, wobei Gabriel sich immer wieder interessiert zu einem der Stände umdreht. „Das ist ein typical german Weihnachtsmarket?", fragt er interessiert und Marie unterdrückt ein Aufprusten. Ich muss zugeben, dass sein Akzent verdammt süß ist. „Ja", sage ich und versuche mich daran, nett zu ihm zu sein, solange Jakob und Marie sich ein Gefecht über Lieblingsessen liefern.

„Hast du schon einmal einen Bratapfel gegessen?"

Gabriel schüttelt den Kopf und ich erkläre ihm zu jeder Süßigkeit an einem der Stände etwas. Knuffigerweise darf er alles probieren und entscheidet sich dann für gebrannte Mandeln. Wir kommen ohnehin etwas zu spät, also ist es mir auch egal. Den restlichen Weg über ist Gabriel neben mir eh mit seinen gebrannten Mandeln beschäftigt, also hänge ich meinen Gedanken nach. Wird sich irgendwann in meinem Leben etwas zwischen mir und Nico ändern? Ich meine, ständig macht er Anzeichen, dass er mich mögen könnte. Aber manchmal denke ich auch, dass er einfach nur nett zu mir ist... Bereits von weitem sehe ich die anderen vor unserem Treffpunkt, dem Stand mit der Zuckerwatte, stehen. Jule und Elisa fallen fast die Augen aus dem Kopf bei Gabriels Anblick. Selbst Nicos Blick streift ihn kurz, dann allerdings ist dieses typische Desinteresse wieder da.

Und obwohl ich dachte, dass dieser Tag trotz der Begleitung meines Bruders und Harry Potter, nur noch schöner werden kann, bewegt er sich in die genau andere Richtung. Als wir zum Kettenkarussell gehen, reden Nico und ich mit einander und ich merke, wie gerne ich mich mit ihm unterhalte. Auch wenn er nie große Worte verliert, weiß er, wie man Worte zu Sätzen formt, die mich dahinschmelzen lassen. Er fragt kurz nach, wer dieser Typ ist, worauf ich kurz sage, dass er bei uns wohnt. Er nickt und das Gespräch ist beendet. Ein bisschen enttäuscht bin ich vielleicht, weil ich dachte, er könnte vielleicht ein bisschen eifersüchtig sein. Albern, ich weiß. Total albern. Wir sitzen im Kettenkarussell nebeneinander, wobei sich unsere Arme ein paar Mal berühren. Jedes Mal lächelt er mich an, wobei seine Wangen von der kalten Luft gerötet sind. Doch mehr als dieses Lächeln ist da nicht, was mir eindeutig beweist, dass es verschwendete Lebensmüh ist, mich weiter auf ihn zu fixieren...

Am Ende des Abends beschließen wir, uns auf den Heimweg zu machen, und als Gabriel, Jakob und ich durch die dunklen Straßen, die mit Weihnachtslichterketten und Sternen geschmückt sind, ist meine Stimmung etwas getrübt. Den Rest jedoch gibt mir Gabriel, der mich amüsiert von der Seite ansieht. „Vergiss diesen Nico. Schau doch lieber nach den Jungs, die dich auch mögen, anstatt deine Zeit mit such a jerk zu vergeuden."

Obwohl er verdammt Recht hat und ich diesen Satz auch als süß oder fürsorglich oder einfach nur nett interpretieren könnte, lasse ich meiner schlechten Laune freien Lauf.

„Jerk? Du meinst dich, oder?"

Ich stürme nach oben in mein Zimmer und werfe die Docs von meinen Füßen. Zu meinen kalten Händen und Füßen gesellt sich einer ziemlich schlechte Laune, weshalb ich mich ins Badezimmer verkrümele und beschließe, in die Badewanne zu gehen, um nicht weiter darüber nachzudenken, dass Gabriel vielleicht recht haben könnte. Zum Glück sehe ich ihn heute nicht mehr, so kann muss ich mich nicht zu einer Entschuldigung durchringen. Wahrscheinlich hält er mich für zickig... Aber das kann mir eigentlich egal sein, oder?

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