❄️ 3. Dezember ❄️

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Den Samstagmorgen verbringe ich kuschelig in meinem Bett, genau so, wie ich es mir vorgestellt habe: Ein Haufen Bücher, Musik auf den Ohren, Spekulatius und ganz viel Ruhe. Der Schnee draußen fehlt zwar, um die Szenerie für mich perfekt zu machen, aber ich bin trotzdem ziemlich zufrieden so. Ich muss mich weder mit meinen unerwiderten Gefühlen für Nico herumschlagen, noch mit irgendetwas anderem. Meine Eltern sind heute selbst auf dem Weihnachtsmarkt, weshalb ich die volle Ruhe habe. Als ich gerade in die Küche gehe, um mir eine Tasse Tee zu machen, höre ich meinen Bruder mit Gabriel reden. „Und? Du vermisst sie gar nicht?"

Interessiert bleibe ich in der Küche stehen und warte ab, von wem die Rede ist.

„Klar vermisse ich sie. Aber ich mache nicht umsonst Schluss."

„Oha" , sagt Jakob dämlich wie er ist. „Und jetzt versucht sie dich permanent zu erreichen?"

„Sie will sich entschuldigen, als ob es eine Entschuldigung gäbe. Was würdest du denn machen, wenn deine Freundin deinen besten Freund küssen würde und niemand würde es dir sagen? Du stolperst um die Ecke und weiß nicht, ob es Realität oder ein Albtraum ist?", sagt Gabriel verbittert, worauf ich den Mund erstaunt aufklappe. Gabriel ist ja gar nicht so unerfahren, wie ich dachte. Offenbar ist er sogar besser dran als ich mit meiner einzigen Beziehung in der siebten Klasse. „Ich habe keine", brummt Jakob.

„Naja, da musst du nicht mehr lange warten. Siehst du nicht, dass diese... Marie dich gut findet?"

„Tut sie nicht" , sagt Jakob enttäuscht. „Aber du?", ich höre das Lächeln in Gabriels Stimme.

„Ja", gibt mein Bruder zu und ich sehe vermutlich völlig vor den Kopf gestoßen aus. Klar habe ich es mal vermutet aber es war immer nur eine Vermutung, jetzt allerdings habe ich Gewissheit. „Und?",fragt Gabriel, „Wieso unternimmst du nichts?"

„Fände Pauline das nicht komisch? Ich will sie nicht verärgern!" Überrascht halte ich inne. Würde ich denn überhaupt komisch reagieren? Traut er mir nicht zu, dass ich mich für ihn freue?

„Pauline ist doch eh nur mit diesem Nico beschäftigt. Die kriegt das gar nicht mit" , sagt Gabriel und ich schnappe fast nach Luft. Spinnt der? er stellt mich ja so hin, als sei ich die totale Zicke, was nicht weiter verwunderlich ist, nachdem ich ihn gestern Abend so blöd angemacht habe, wegen der Sache mit Nico. Gerade, als ich mich wieder nach oben verdrücken will, kommt Gabriel in die Küche gelaufen und bleibt direkt vor mir stehen. Die Überraschung steht ihm ins Gesicht geschrieben. „Hey" , sagt er ein wenig mürrisch. „Ich wollte nur was holen" , sage ich und mache, dass ich an ihm vorbeikomme. Auf halbem Weg komme ich doch wieder zurück.

„Achso, übrigens. Ich bin gar keine egoistische Zicke!", werfe ich ihm an den Kopf, worauf er mich bloß anlächelt. „I never said that", sagt er und holt eine Tasse aus dem Schrank.

„English Tea?", fragt er und ich nicke schnell, während er den Wasserkocher anstellt.

„Wenn du das hineininterpretierst, bin nicht ich Schuld" , beendet er seinen Satz, „Aber ja, du warst gestern ziemlich zickig."

Beschämt setze ich mich auf einen der Küchenstühle. „Tut mir leid, ehrlich. Und sag Jakob, dass ich es ihm natürlich gönne, mit Marie zusammen zu sein!"

Gabriel lehnt sich mir gegenüber an die Wand und mustert mich. „Entschuldigung angenommen. Weißt du, es ist beschissen, wenn jemand dich nicht so mag wie du ihn" , spielt er auf Nico an, „Aber es ist kein Weltuntergang. Konzentrier dich doch auf was anderes."

"Wie hieß sie? Deine Ex?", rutscht es mir heraus und er schmunzelt. "Mary."

Wir schweigen eine Weile, ehe der Wasserkocher piept und Gabriel mir meinen ersten englischen Tee einschenkt. Bisher habe ich gar nicht in Erwägung gezogen, ihn nett zu finden, jetzt allerdings finde ich ihn immer freundlicher. „Wie alt bist du eigentlich?" , frage ich.

„Achtzehn. Du?"

„Siebzehn. Jakob und ich sind Zwillinge" , antworte ich und nippe an meinem Tee.

„Sorry noch mal für gestern."

„No Problem. Wir können auch einfach so tun, als sei das alles nicht passiert. Hi, I'm Gabriel", er streckt mir die ziemlich kräftige, schmale Hand hin. „Pauline" , schlage ich ein. Er starrt einen kurzen Moment auf unsere Hände, ehe er sich von der Küchentheke abstößt und den Tee in einem Zug leert. „Nice to meet you."

Als er die Küche verlässt, grinse ich in mich hinein. „Nice to meet you", flüstere ich. Ist es normal, dass dieser Satz sich so schön anhört, wenn jemand ihn sagt?

„Alles klar bei dir?" , Mum kommt mit gerunzelter Stirn in die Küche und ich reiße erschrocken die Augen auf. Wie peinlich. Sie legt schmunzelnd ihren Schal und die Einkäufe vom Weihnachtsmarkt ab." Seit wann führst du Selbstgespräche? Apropos, wir gehen morgen alle zusammen auf die Eislaufbahn. Mit Gabriel."

„Müssen wir es übertreiben mit der Familienharmonik?" , sage ich genervt, damit sie nicht merkt, wie durcheinander ich gerade bin, und verschwinde wieder in meinem Zimmer.

Auch wenn die Bücher auf mich warten, halte ich einen Moment inne und denke darüber nach, was passiert ist. Dann schüttele ich den Kopf über mich selbst und versinke wieder in meinem Buch. Nichts. Oder? Rein gar nichts. Außer, dass mir der Satz „Nice to meet you" nicht mehr aus dem Kopf geht.

Christmas Calendar Prince ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt