Enemy

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Enemy


Aufmerksam hatte ich Sehun zugehört. Alles, was er gesagt hatte, klang so verrückt und abwegig, dass ich alles erst einmal verarbeiten musste. Aus diesem Grund schloss ich kurz meine Augen, atmete einmal tief durch. Ich konnte mich an keine Experimente erinnern, konnte mich nicht entsinnen, etwas Derartiges erlebt zu haben, doch trotz alledem glaubte ich Sehun, weshalb ich ihn aufforderte weiterzureden. „Als du anfingst misstrauisch zu werden wussten wir, dass wir auf dich achtgeben müssten, dich beschützen müssten und... und nachdem du dann weggelaufen bist ist immer einer von uns in deiner nähe geblieben. Wir hatten versucht dich so unauffällig wie möglich hier her zu führen. Aber als diese widerlichen Menschen hinter dir her waren mussten wir auf abstand bleiben, damit Sie uns nicht entdecken. Ich weiß nicht, was noch alles passiert ist, aber du bist aus Angst vor ihnen geflohen. Du bist ziellos durch die Gegend gelaufen... hattest die beiden aber irgendwann abgehängt, aber dennoch bist du weiter durch den Wald geirrt... Warst am Ende deiner Kräfte. Du wolltest dich ausruhen, aber dann hattest du die beiden etwas entfernt von dir entdeckt. Eigentlich wolltest du dich unbemerkt von ihnen entfernen, aber dadurch, dass du so erschöpft warst, warst du unvorsichtig und bist den hang hinabgestürzt.", endete Sehun mit seiner Erzählung, sah mich anschließend abwartend an, doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Alles, was Sehun mir erzählt hatte kam mir so surreal vor. Wenn ich mich versuchte an etwas dergleichen zu erinnern sah ich alles wie durch eine dicke nebelige Wand. Ich konnte einfach nicht sagen, was wahr und was falsch war. Frustriert fuhr ich mir deshalb durch die Haare, ehe ich Sehun antwortete: „Ich kann mich einfach nicht erinnern. Ich kann mich an unvorstellbare Schmerzen erinnern, dass ich geschrien habe, mich gewehrt habe, aber ich weiß nicht wogegen und warum... Ich kann mich einfach nicht an mehr erinnern..."

Eine Hand auf meiner Schulter ließ mich aufsehen, direkt in Kris traurige Augen. Er setzte sich neben mich, strich mir durch die Haare, ehe er vermutete: „Das liegt wahrscheinlich daran, dass an dir, seitdem du 11 oder 12 bist, keine Experimente mehr durchgeführt wurden. Du wurdest langsam erwachsen, hast mehr bei Freunden übernachtet und auch die Schule wurde wichtiger. Es wäre zu auffällig gewesen, wenn du öfter gefehlt hättest und dann nicht mal sagen könnest, warum du gefehlt hast. Wir... wir nehmen an, dass es Schmerzhaftere, schlimmere Experimente werden sollten. Sehun hatte uns das alles damals erzählt, nachdem er sich das erste Mal ein wenig verwandelt hatte. Er hatte uns auch von deiner Angst vor Krankenhäusern erzählt und deiner Angst vor Wasser, dass er mit dir zusammen duschen musste, solange bis du dich wieder alleine getraut hattest zu duschen... Lim, irgendwoher müssen diese Ängste doch kommen..." Kris sah mich nun abwartend an, strich mir dabei einzelne lose Haarsträhnen aus dem Gesicht, die der Wind mir immer wieder auf ein neues ins Gesicht wehte. Ich konnte mich zwar nicht durch seine Erzählung an etwas erinnern, aber, dass was er sagte ergab sinn. Irgendwoher mussten meine Ängste ja kommen. „Lim, ich kann verstehen, dass es dir schwerfällt uns zu glauben, aber ich bitte dich, glaube uns. Wir wollen dich nur beschützen...", versuchte nun Minseok sein Glück. Ich war mir jedoch zu unsicher, weswegen ich ihnen keine Antwort gab. „Denk einfach in ruhe darüber nach. Denk daran, was du alles erfahren hast, was du gestern alles gehört hast. Denk darüber nach und hör auf dein Herz.", meinte Joonmyeon, strich mir noch einmal durch die Haare, ehe er aufstand und in den Wald verschwand. Jongdae, Chanyeol, Jongin und Luhan folgten ihm, wahrscheinlich um zu jagen.

Ein seufzen verließ meine Lippen, woraufhin ich mich in Sehuns Arme warf und leise anfing zu weinen. Ich war überfordert und verzweifelt, wusste nicht was wahr und was falsch war. Das einzige was ich mit Sicherheit wusste, war das Sehun mein Bruder war. Ich wollte ihm glauben... nur konnte ich es nicht... beziehungsweise ich wollte es nicht wahrhaben. Wollte ich doch nicht glauben, dass Menschen so grausam sein können.
Sehun zögerte kurz, das merkte ich, ehe er doch seine Arme um mich legte und mir anfing beruhigend über den Rücken und den Kopf zu streichen. Hilfesuchend klammerte ich mich mehr an ihn, ließ dabei meinen tränen freien lauf. Mir war es egal, dass mich die anderen weinen sahen, dass Sie sahen, wie schwach ich doch war. In diesem Moment war ich einfach nur schwach und verletzlich. Ich wusste, Sehun war mit der Gesamtsituation überfordert, war ich doch jemand der selten weinte, doch Sehun gab mir trotz dessen in diesem Moment den halt, den ich brauchte.

Nach einiger Zeit, meine tränen waren schon längst aufgehört über mein Gesicht zu laufen, spürte ich eine Hand auf meinem Kopf, die mich dazu veranlagte mich von Sehun zu lösen. Kris lächelte mich schief an, ehe er mich in seine Arme zog und mich lange und voller Gefühl küsste. Überrumpelt ging ich ein paar Schritte zurück, die Kris mir auch gleich folgte. Ich versuchte ihn von mir wegzudrücken, war nicht in der Stimmung mit ihm Zärtlichkeiten auszutauschen. Doch Kris war um einiges stärker als ich es war, fing schließlich an seine Lippen auf den meinen zu bewegen, weshalb ich nachgab und anfing den Kuss zu erwidern. Kris' griff um meine Schultern festigte sich und drückte mich mehr an sich. Ich war immer noch etwas überrumpelt, doch der Kuss erinnerte mich an unseren ersten Kuss. Ich erinnerte mich an so viele schöne Momente... und an viele traurige... Wie ich weinte, wie ich Angst hatte, wie ich lachte, wie ich glücklich war. Erneut stiegen mir die tränen in Augen, weshalb ich sie schloss und versuchte ein schluchzen zu unterdrücken. Kris merkte jedoch sofort, dass ich angefangen hatte zu weinen, schmeckte er doch meine salzigen tränen. Er löste sich von mir, sah mich besorgt an, doch ich sagte nichts. Ich fiel wortwörtlich einfach in seine Arme, weinte erneut still vor mich hin. Kris versuchte mich währenddessen zu trösten. Er sagte in der Zeit, in der ich mich an ihn klammerte, nichts, wofür ich ihm dankbar war. Erst als ich mich etwas von ihm löste wischte er mir die feuchten spuren meiner tränen weg, ehe er fragte: „Alles wieder gut? Magst du mir sagen, was los war?" Ich schüttelte jedoch nur meinen Kopf und vergrub mein Gesicht wieder in seiner Brust, woraufhin diese leicht bebte und vibrierte, da Kris leise dunkel lachte. Er strich mir erneut über den Kopf, ehe er mich etwas von sich wegdrückte, mir dann über die Wange strich. „Komm schon... sag mir doch was los ist... hmm?", versuchte Kris es erneut, weshalb ich mich geschlagen gab und ihm sagte, was los war.

„Ich hab' immer noch so viele Erinnerungslücken und ich weiß einfach nicht, was ich glauben soll... Ich konnte mich bis eben nicht mal an unsere gemeinsame Zeit erinnern... geschweige denn an unseren ersten Kuss... Ich bin einfach nur frustriert und überfordert mit allem...", mit zitternder und bebender Stimme versuchte ich Kris zu erklären, wie ich mich fühlte. Kris drückte mich daraufhin wieder an sich, ehe er sagte: „Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst... Ich wollte dich nicht überfordern, aber ich hatte es einfach so sehr vermisst dich zu küssen, dir nahe zu sein. Ich wusste nicht, dass du dich nicht an unsere gemeinsame Zeit erinnern konntest... Ich dachte du könnest dich erinnern, du hattest mich ja auch wiedererkannt." „Ich weiß... ich konnte mich daran erinnern, dass wir eine Paar sind, aber nicht an die Einzelheiten... Hättest du mich jetzt nicht geküsst, hätte ich mich wahrscheinlich nie erinnert.", versuchte ich Kris zu beruhigen, ehe ich mich von ihm löste und mir über die vom weinen ganz geschwollenen roten Augen rieb.

„Was hast du jetzt vor?", fragte mich Sehun, nachdem ich für einige Zeit meine Augen geschlossen hatte und den kalten Windhauch genossen hatte. „Ich weiß nicht... ich werde in ruhe darüber nachdenken.", meinte ich, als ich mich zum Wald herumdrehte. „Ich begleite dich!", beschloss Sehun, doch ich schüttelte den Kopf: „Nein, ich brauch etwas Zeit für mich." Sehun seufzte, gab sich aber dennoch geschlagen: „Gut, aber bitte geh nicht alleine. Ich will nicht das dir was passiert, die beiden könnten schließlich immer noch auf der Suche nach dir sein." „Lim, ich kann mit dir mitkommen. Ich begleite dich einfach als Wolf, dann stör ich dich sicher nicht.", schlug Minseok vor, während er mich lieb anlächelte, woraufhin nun ich mich geschlagen gab und nickte: „In Ordnung..." Ich wollte losgehen, doch Sehun hielt mich erneut auf. „Bitte sei vorsichtig... Ich könnte mir nie verzeihen, wenn dir etwas passieren würde...", flehte Sehun, was mich ihn beruhigend anlächeln ließ, ehe ich auf Minseok deutete: „Minseok wird sicher auf mich aufpassen." Sehun schien immer noch nicht wirklich beruhigt zu sein, aber ich wollte einfach meine Ruhe und etwas Zeit zum Nachdenken haben. Ich schenkte ihm noch ein letztes lächeln, ehe ich mich zu Kris umwandte, um ihm einen kurzen schüchternen Kuss aufzudrücken, ehe ich, gefolgt von Minseok, im Wald verschwand. An Kris und die Beziehungssache musste ich mich noch gewöhnen, da es für mich einfach zu ungewohnt und fremd vorkam. Im Moment war einfach alles noch so neu für mich, aber unter keinen umständen wollte ich Kris verletzten. Ein seufzen verließ mich Lippen, woraufhin ich stehen blieb, mich zu Minseok umdrehte, der etwa zwei Meter hinter mir lief: „Danke, dass du mich begleitest. Ich wollte zur heißen Quelle, ich brauch einfach Abstand zu Sehun und Kris. Ich fühl mich von den beiden so erdrückt. Weißt du, dass ganze überfordert mich und ist noch ziemlich neu für mich... Du kannst ruhig neben mir laufen, ich brauch nur von den beiden ein wenig abstand, mehr nicht." Entschuldigend lächelte ich ihn an, woraufhin Minseok einen Moment brauchte, ehe er grinsend den Kopfschüttelte und zu mir aufschloss. „Die beiden hätten es aber sicher verstanden, wenn du ihnen gesagt hättest, dass du etwas abstand brauchst. Ich hatte mir nämlich schon gedacht, dass du dich von ihnen ein wenig eingeengt fühlst, deswegen hatte ich vorgeschlagen, dass ich mitkomme.", erklärte er mir, während wir unseren weg fortsetzten. „Ja vielleicht, aber fürs erste ist es besser, wenn ich den beiden nicht sofort alles direkt vor den Kopf knalle. Ich will Sie nämlich nicht verletzen.", beschloss ich, hoffte inständig, dass Minseok verstand, dass ich nicht weiter darauf eingehen wollte. Zu meinem Glück schien er verstanden zu haben, da er als Antwort einfach nur nickte und schweigend weiterlief.

Kurz darauf erreichten wir die Quelle, wo ich mich sofort in die kleine Höhle begab, wo sich das Wasser sammelte und setzte mich an den Rand des Wassers, so das ich meine Füße ins Wasser halten konnte. Wohlig seufzte ich deshalb auf und schloss kurz meine Augen, um den Moment zu genießen. Minseok blieb währenddessen im Höhleneingang stehen und beobachtete mich bei meinem tun. Deshalb klopfte ich neben mich auf eine freie stelle, was ihn dazu veranlagte sich neben mich zu setzten.

Daraufhin schwiegen wir eine Zeitlang, in der ich in Gedanken versunken auf meiner Unterlippe kaute, darüber nachdachte, was ich nun tun sollte. Ich dachte über Kris und mich, meine angeblichen Eltern, die mich Jahrelang belogen hatten und über Sehun nach... Eigentlich dachte ich über alles mögliche nach. So vieles ergab einfach immer noch keinen Sinn. Ich wusste, ich würde den Jungs glauben und ich wusste, dass Sie recht hatten. Dafür hatte ich genügend in meinem Tagebuch gelesen, um zu wissen, dass meine angeblichen Eltern nicht die waren für dich ich Sie heilt. Ich vertraute den Jungs blind, schließlich hatten Sie mich ja auch bei sich aufgenommen und mir geholfen.
Außerdem wusste ich, dass mein ganzes vorheriges Leben eine Lüge gewesen war, dass Sehun mein einziger Verwandter gewesen war. Aber ich wusste nicht, wie ich gegenüber Kris fühlte, ich wusste, dass wir ein Paar gewesen waren, wir uns geliebt hatten. Aber ich wusste nicht, ob dem immer noch so war. Kris liebte mich noch immer, dass merkte ich sofort, dass merkte jeder sofort. Aber, liebte ich ihn denn noch? Empfand ich für ihn noch dasselbe wie damals? Ich wusste es einfach nicht.

Ein seufzen verließ meine Lippen, woraufhin Minseok vom Wasser aufsah und mich besorgt musterte, als er mein bedrücktes Gesicht bemerkte. Er legte einen Arm um mich, sodass seine Hand auf meiner Schulter lag und er mich so etwas an sich drücken konnte, als er fragte: „Was ist los?"

A Dream? - it's the real lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt