Kapitel 21

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„Zeitpunkt des Todes...12.11 Uhr." ich ließ meine Hände sinken. Im OP war es toten Stil. Das Schuldgefühl lastete auf meinen Schultern. Es war immer Schlimm, wenn jemand auf dem OP-Tisch starb. Ich wusste, ich hatte alles mögliche getan was ich konnte. Doch es war nicht genug gewesen. Der Verlust eines Patienten wurde doppelt erschwert wenn der Patient ein Kind war. Die meisten Kinder waren so unschuldig und hatten ihr leben noch vor sich gehabt.

Und jetzt musste ich den Eltern beibringen, das ihres nicht mir lebte. Das war nie ein leichtes unterfangen. Nach der OP, zog ich mir neue grüne Chirurgenkleidung an und bereitete mich innerlich vor. Normal schaffte ich es immer, mich innerlich abzuschotten um klar auf der Arbeit zu sein. Aber manche Fälle waren einfach nur schrecklich.

„Hey, ich habe gehört was geschehen ist." Ava trat in den Umkleideraum, ihre Hände hatte sie in die Taschen ihres Kittels gesteckt.

„Sie ist nicht der erste Patient der mir auf dem OP Tisch weggestorben ist." versuchte ich mich herauszureden und wandte mich wieder meinen Schließfach zu. Um die OP-Haube hereinzulegen.

„Ja, aber sie war gerade mal fünf."

„Woher...?" ich drehte mich zu ihr um.

„Ich hab in die Akte geschaut."

Ich nickte nachdenklich. „Es ist besonders schwer bei Kindern in dem alter." ich schloss das Schließfach. „Ich muss jetzt zu ihren Eltern."

„Soll ich mitkommen?"

„Nein." ich legte meine Hand auf ihre Schulter. „Ich bin sicher das irgendjemand hier Dr. Harrisson braucht. Ich schaffe das schon."

„Wenn du meinst." sie zog wieder ihre kühle Seite auf.

Ich lächelte matt. „Versuch erst gar nicht so zu tun, als würde es dich kalt lassen. Ich weiß wie die richtige Ava ist und ich weiß, das du dir sorgen um mich machst. Aber das brauchst du nicht." ich lehnte mich vor und hauchte ihr, noch bevor ich mich dagegen entscheiden konnte, einen Kuss auf die Wange. Ich hatte der Sehnsucht nicht länger stand halten können.
„Früher war ich nicht so schnell zu durchschauen." murmelte sie abgelenkt.

„Für andere bist du auch nicht zu durchschauen. Aber ich bin nicht jemand anderes."

Nun sah sie mich wieder an. Sie runzelte die Stirn. „Was bist du denn für mich?"
„Ich muss zu ihren Eltern." ich klopfte auf ihre Schulter und verschwand eilig. Ich wusste, sie hatte eine Antwort verdient und ich wünschte auch wirklich, das wir endlich Klarheit sprechen konnten. Aber ich war noch nicht so weit. Es machte mir Angst, das auszusprechen, was ich bisher versuchte zu unterdrücken.

Genug jetzt, ermahnte ich mich selbst. Ich stand nachher noch mit ihr lange genug im OP und nun musste ich erst Mal den Eltern meiner Patientin beibringen, das sie ihre Tochter verloren hatten. Darauf musste ich mich jetzt konzentrieren.

°°°

„Was ein Scheiß." ich riss die OP-Haube von meinen Kopf und versuchte meine Emotionen zu kontrollieren.

Sobald Ava den Todeszeitpunkt des Patienten genannt hatte, hatte ich es nicht mehr ausgehalten und war rausgestürmt. Sie hatte es zu gelassen und war drin geblieben um noch zu helfen.

Ich presste meine Lippen feste auf einander und lehnte mich an die Wand. Hier im Gang des OP- Bereiches war es meistens leer und ruhig. Ich atmete tief ein und aus. Tage wie diese hasste ich am meisten. An solchen Tagen fühlte ich mich wie eine schlechte Chirurgin, dabei wusste ich, das ich mein bestes gab. Niemand hatte wissen können das der Patient ein Gerinnsel hatte und deshalb verblutete, trotz aller Bemühungen.

Herzklopfen für zweiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt