15. Türchen | Eine geheime Mission zu Weihnachten - Teil 1

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Geschrieben von: ouiunautrenom1

Fandom: KPop / BTS


Eine geheime Mission zu Weihnachten

Ach Soyeon. Dafür schuldest du mir was.

Das Leben ist weder ein Ponyhof noch ein Wunschkonzert, dessen ist sich die junge Literaturstudentin Aera sehr wohl bewusst. Dass ausgerechnet der heutige Tag total anders verläuft, als sie geplant hat, geht ihr dennoch gehörig auf den Keks.

Schon seit Wochen fiebert Aera auf das diesjährige Weihnachtsfest hin und malt sich den Abend mit ihrer Familie in allen Farben aus: Heimelig würde er werden, ganz gemütlich, mit süßem Kakaoduft in der Luft und tonnenweise warmen Plätzchen. Und sie würde wie jedes Jahr so viel essen, dass sie vor Magenschmerzen kaum schlafen konnte.

Doch statt die nächsten Stunden in ihren vier Wänden mit ihren Liebsten zu verbringen, ist sie dazu verbannt, hinter der Kasse eines Mischwarenladens zu verharren, in das seit mittlerweile mehr als dreieinhalb Stunden keine Menschenseele hereingeschneit ist.

Ja, normal, denkt sich Aera. Schließlich ist heute Weihnachten.

Bedrückt pustet sie ihren schwarzen Pony aus der Stirn, wendet sich von der nervtötend laut tickenden Wanduhr ab, wickelt ihren grünen Poncho ein wenig näher an ihren frierenden Körper (zu ihrem Glück sind die Heizungen in diesem verdammten Saftladen kaputt gegangen) und widmet sich dem wunderschönen Naturschauspiel hinter dem Schaufenster zu.

Weich, weiß und locker-flockig ist der Schnee, der gerade aus dem bewölkten Seouler Nachthimmel auf die menschenleeren Straßen rieselt und Aeras Nerven ein wenig beruhigt. Diese sind gehörig strapaziert, denn die über ihrem Kopf unaufhörlich flackernde Glühbirne macht sie wahnsinnig.

Genauso sehr, wenn nicht sogar mehr, regt sie sich über ihren Chef auf, der doch ernsthaft verlangt, dass seine Mitarbeiterin selbst an diesem heiligen Fest bis 18 Uhr im Laden die Stellung hält, während er es sich zu Hause im Warmen schön gemütlich macht. Ansonsten würde er sie feuern.

Du unmenschliches – Aera unterbricht ihren Gedanken und erinnert sich daran, für wen sie hier in diesem hässlichen Laden steht, der offensichtlich ohne jegliche Liebe zum Detail eingerichtet worden ist. Direkt links neben der Eingangstür befindet sich die Aera so verhasste Kassentheke. Von hier aus hat sie einen wunderbaren Blick auf insgesamt fünf winzige Regalreihen, in dessen Zwischengänge sich gerade mal so maximal zwei schmale Menschen durchzwängen können.

Oft quillt die Ware aus den unstabilen Regalfächern, die jemand vor wirklich langer Zeit in einem billigen neonorange angestrichen haben muss, denn die Farbe blättert schon längst ab. Trotzdem läuft der Laden irgendwie und solange Aeras Chef ihr ihren Lohn auszahlt, arbeitet sie hier weiterhin nebenbei. Nur eben nicht heute. Eigentlich.

Denn es war ihre beste Freundin Soyeon, die sich freiwillig dafür meldete, an Weihnachten zu arbeiten. Für sie ist das kein Problem, denn ihre Familie feiert das Fest sowieso nicht. Außerdem ist Soyeon ständig knapp bei Kasse und sehr abhängig von dieser Stelle.

Doch leider kettet sie seit gestern eine schwere Erkältung an ihr Bett. Sie kann nicht einmal richtig aufstehen, geschweige denn arbeiten. Also springt Aera für sie ein, damit Soyeon nicht ihren Job verliert.

Halte durch, versucht sie sich zu motivieren. Es ist ja nur noch... eine verdammte Stunde.

Aera kann beim Blick auf die Uhr ein frustriertes Stöhnen nicht unterdrücken. Mittlerweile ist die beruhigende Wirkung des sanften Schneefalls längst verflogen und durch die fehlende Kundschaft langweilt sich Aera zu Tode. Nicht einmal mit ihrem Handy kann sie sich die Zeit vertreiben, denn das Gerät spinnt wegen der Minusgrade total und zeigt ihr jetzt schon einen fast leeren Akkustand an, obwohl sie mit genügend aus dem Haus gegangen ist. Kurz überlegt Aera, sich aus der Technik-Ecke ein Ladegerät zu schnappen, um ihr Handy aufzuladen, doch die über der Kasse hängende und das Geschäft in einem 360° Winkel umfassende Kamera hält sie von diesem Vorhaben ab.

Am Ende verliert sie ihren Job und das kann sie wirklich nicht gebrauchen.

Um sich die Langeweile und die Kälte in ihren Gliedern zu vertreiben, schaltet Aera das altbackene Radio neben dem Kassengerät an und schnappt sich aus dem Hinterraum einen Wischmopp sowie einen Eimer mit frischem Wasser, um anschließend in Begleitung von feierlichen Weihnachtsliedern mehr oder weniger (eher weniger) graziös über den abgenutzten Boden zwischen den morschen Regalen zu gleiten. Sie hat schon einiges an Arbeit geleistet und ist gerade dabei, mit dem Mopp einen offensichtlich nicht zur Musik passenden Tango zu tanzen, als die Ladentür aufgerissen wird und die sonst so zart bimmelnde Glocke wild hin- und herschwingt.

„Reifen!", ruft eine selbstbewusste Stimme in den Laden herein. Auf die ihre folgt ein wahrliches Stimmengewusel:

„Man sagt bitte. Und sprich bitte in ganzen Sätzen."

„Namjoon, ich denke ganze Sätze sind jetzt unser geringstes Problem", wendet eine andere Stimme ein.

„Hobi hat Recht. Was machen wir überhaupt hier? Reifen sind hier ganz bestimmt nicht zu finden."

„Sehe ich genauso wie Jimin."

„Scheiß auf den Reifen. Ich brauche Bananenmilch."

Und nebenher, ganz leise gemurmelt: „Es ist verdammt kalt hier. Ich will nach Hause."

Aera, die sich beim plötzlichen Eintreten der insgesamt sieben Kunden erschreckt hat und gerade so noch verhindern kann, auf dem feuchten Boden auszurutschen, tritt neugierig zwischen den Regalen mit Fertignudeln hervor, den Mopp noch in der Hand. Er hinterlässt kleine Tröpfchen auf dem Boden. Das muss ich später definitiv aufwischen.

Doch das kann warten. Denn vor ihr bildet sich ein chaotisches Bild ab, um das sich Aera zuerst kümmern muss. Bevor sie die ganze Gruppe aus Kunden ins Auge fassen kann, ruft ein Junge in dickem Sweatshirt, dessen Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen hat, und legeren Jogginghosen motiviert aus: „Ich suche die Bananenmilch!"

„Warte Jeongguk, ich komme mit!", sagt sein blonder Freund. Er hat ein engelsgleiches Gesicht und ist etwas kleiner als die anderen Jungs. Zusammen verschwinden die beiden zwischen den Regalen. Ihnen dicht auf den Fersen folgt stumm ein hochgewachsener schlanker junger Mann mit braunem, welligem Haar, das genau die Farbe hat wie sein eleganter Mantel. Aera erkennt in ihm direkt Taehyung. Er studiert zusammen mit Soyeon Kunstwissenschaften und ihre beste Freundin hat mehr als einmal begeistert von seiner Analysefähigkeit geschwärmt (und ihr dabei Fotos von ihm gezeigt, die sie heimlich in einer Vorlesung aufgenommen hat).

In Gedanken daran färben sich Aeras Wangen knallrot. Sie wendet schnell den Blick ab und widmet sich den anderen vier Jungs zu, die unsicher vor dem Eingang stehen geblieben sind und kritisch die Bruchbude von Mischwarenladen in Augenschein nehmen. Da wartet direkt die nächste Überraschung auf, denn sie erkennt im ganz rechts stehenden und ein Fleece-Karohemd tragenden jungen Mann ihren Kommilitonen. (Als ob sie diese charakteristischen Grübchen vergessen könnte, die jedes Herz in ihrem Kurs für neuere koreanische Literatur zum Schmelzen bringen).

„Namjoon?", rutscht es Aera heraus.

Der Angesprochen blinzelt ein paar Mal und streicht sich die völlig vom Wind zersausten Strähnen aus seinen Augen. Dann huscht auch ihm die Erkenntnis über das schöne Gesicht. „Oh...Aera? Was machst du denn hier?"

„Leider arbeiten." Wie zum Beweis hält sie den tropfenden Wischmopp hoch.

„Moment... woher kennt ihr euch?", will jener wissen, der bisher nur mit verschränkten Armen mürrisch dagestanden und sein Gesicht so tief in seinem dicken Schal vergraben hat, dass Aera nur seinen silbern schimmernden Haarschopf bewundern konnte.

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